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werde Sie anrufen, wenn die Laborbefunde vorliegen.«

      »Gibt es irgendwelche Bedenken?«

      »Sie sind ein Leichtgewicht und sehr schmal gebaut. Man sollte schon etwas vorsichtiger sein.«

      Er machte sich ganz andere Gedanken, aber das zeigte er freilich nicht.

      »Nützen Sie das schöne Wetter aus, gehen Sie viel an die frische Luft. Bewegung ist auch wichtig.«

      »Ich wandere gern«, sagte sie. »Vielen Dank, Herr Doktor, daß Sie so entgegenkommend waren.«

      »Ich freue mich, wenn man mir Vertrauen entgegenbringt.«

      Vertrauen, dachte Michelle. Vertrauen ist so unendlich wichtig, aber Carlos kann ich nicht vertrauen. Wie konnte ich mich nur in diese Ehe stürzen, wie hat er es fertig gebracht, mir jede nüchterne Überlegung zu nehmen?

      Aber was war denn überhaupt in letzter Zeit mit ihr los, daß Sie so unkontrolliert war und manchmal ganz die Gewalt über sich verlor? Früher hatte ihr Verstand immer das Gefühl beherrscht.

      Sie hatte nie unüberlegt gehandelt.

      Sie fuhr zum Friedhof. Sie wollte Zwiesprache mit ihrem Vater halten. Vielleicht kam ihr an seinem Grab die Erleuchtung, was mit ihr los war.

      Sie kaufte weiße und rote Rosen, einen ganzen Arm voll, und damit bedeckte sie das Grab, das von Tannen umgeben war. Ein schlichter Stein, in den sein Name eingraviert war und der seiner Frau, ihrer Mutter, der gegenüber sie immer Schuldgefühle hatte, weil sie meinte, daß sie ihretwegen sterben mußte. Ihr Vater hatte es ihr auszureden versucht, aber jetzt waren diese Gedanken wieder gegenwärtig.

      »Daddy, wenn du doch bei mir wärst«, flüsterte Michelle. »Du würdest mir sagen, wie ich es richtig mache, wie ich mein Leben wieder in den Griff bekommen kann. Oder ist das für immer vorbei? Dann möchte ich lieber tot sein, bei dir, fern von dieser Welt, in der ich doch nicht mehr glücklich sein kann. Ich habe doch gedacht, daß Carlos mich liebt, und ich verliebte mich in ihn, weil er in einem Film dir ähnlich sah. Ich dachte, daß er so sein würde wie du, daß ich mich bei ihm anlehnen könnte und Halt finden könnte, aber er ist so haltlos und egoistisch. Er wollte nur mein Geld. Jetzt weiß ich es. Du hast mich damals gewarnt. Du hast gesagt, daß die Männer oft erst aufs Geld schauen, aber ich meinte ja, daß er selbst genug hat, und es schien ja auch so zu sein. Wie soll ich es nun Philipp und Mona beibringen, daß ich so unglücklich bin? Ewig kann ich die Rolle der glücklichen Frau nicht spielen. Das Lachen vergeht mir.«

      Sie kniete nieder und faltete die Hände. Sie fühlte sich als Kind und war unendlich traurig. Dann dachte sie an das Kind, das sie haben würde. Konnte sie dieses Kind lieben? Konnte sie denn durchhalten, was sie von Carlos verlangt hatte? Wollte sie es denn überhaupt, daß diese Ehe aufrecht erhalten wurde?

      *

      Dr. Leitner hatte die ersten Laborbefunde schon am nächsten Tag auf dem Schreibtisch liegen, und sein Gesicht wurde sehr ernst, als er sie las, denn sie mußten ihm zu denken geben. Zuerst war da der Rhesus-Faktor negativ, der sich kritisch für das Kind auswirken konnte. Im zweiten Befund zeigte sich eine deutliche Vermehrung der weißen Blutkörperchen an. Auch die Blutsenkung stimmte ihn bedenklich.

      Er rief Daniel Norden an, und der wußte gleich, um wen es ging. »Sieht nicht besonders gut aus«, sagte Schorsch Leitner. »Wie war deine Diagnose?«

      »Ich beurteile nur ihre Stimmung, und die war gut. Ich habe mit großen Komplikationen nicht gerechnet.«

      »Aber auf die müssen wir uns gefaßt machen, Daniel. Ich weiß nur nicht, wie ich es ihr beibringen soll.«

      »Sie wird es sich wahrscheinlich nicht anmerken lassen, wenn es sie trifft. Nach meiner Meinung hat sie sich zu einer guten Schauspielerin entwickelt.«

      »Ist die Ehe nicht glücklich?«

      »Das wage ich nicht zu beurteilen. Sie wird es sicher nicht zugeben, wenn sie einen Fehler schon einsieht, und ein Fehler war diese Heirat mit größter Wahrscheinlichkeit.«

      »Willst du lieber mit ihr sprechen, Daniel?«

      »Nein, das überlasse ich dir, wir kennen sie schon lange, sie soll nicht denken, daß wir hinter ihrem Rücken mauscheln. Aber ich möchte gern informiert werden.«

      »Worauf du dich verlassen kannst.«

      Dr. Leitner mußte jetzt in den Kreißsaal, denn eine Geburt war im Gange, und die Wehen hatten wieder ausgesetzt. Aber das Baby zeigte sich willig, dennoch bald in Erscheinung zu treten, und so konnte Dr. Leitner es bereits eine Stunde später abnabeln und der erleichterten Mutter in den Arm legen.

      Bei ihr hatte es während der Schwangerschaft keinerlei Probleme gegeben, und trotzdem waren kurz vor der Geburt Komplikationen aufgetreten, die nun aber zum Glück ohne Folgen blieben. Mutter und Kind waren wohlauf, und Dr. Leitner war dankbar und zufrieden. Er trank nur eine Tasse Kaffee, dann rief er Michelle an.

      Marie war am Telefon und wunderte sich, als sich die Leitner-Klinik meldete. »Es ist für Sie«, sagte sie zu Michelle und verschwand dann gleich in der Küche.

      Michelle war überrascht, daß Dr. Leitner sie sobald anrief. Er teilte ihr diplomatisch mit, daß es besser wäre, noch eine zusätzliche Untersuchung zu machen, da sie möglicherweise gerade einen Infekt in sich trüge…

      »Nur zu«, sagte sie leichthin, »ich kann gleich kommen. Ich möchte wissen, was mit mir los ist, da mir ständig übel ist.«

      Dr. Leitner war erleichtert, aber Michelle war nachdenklich geworden. Zu sich selbst ehrlich, gestand sie sich ein, daß sie während der letzten Zeit nicht gerade solide gewesen war, was essen und trinken anbetraf. Eigentlich konnte es ihr jetzt gar nicht schlimm genug kommen, da ihre Stimmung ohnehin auf dem Nullpunkt angelangt war.

      »Du machst deine Sache gut, Michelle«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.

      Sie kleidete sich sorgfältig an und widmete auch ihrem Make-up mehr Zeit und Aufmerksamkeit als sonst. Auch das hatte sie sich einer Maskenbildnerin abgeschaut, die sie einmal für ein Fernsehinterview hergerichtet hatte. Carlos war damals wütend geworden, weil er sich in den Hintergrund gedrängt gefühlt hatte.

      Sie hatte sich auch über ihn geärgert, und heute dachte sie, wie gut es gewesen wäre, sie

      hätte sich sofort von ihm getrennt.

      Marie dachte noch immer darüber nach, was wohl die Klinik von ihr wollte, aber sie wagte nicht zu fragen und sah Michelle kummervoll nach. Nichts mehr war da von ihrer Fröhlichkeit, mit der sie dem Haus Leben gegeben hatte. Es war wieder still, zu still.

      Dr. Leitner hatte sich auf ihren Besuch sehr gut vorbereitet. Er hoffte, daß sie nicht zu viele Fragen stellen würde, wenn er ihr seine Bedenken erklärte. Er sollte sich täuschen.

      Er bewunderte jedoch ihre Selbstbeherrschung, als er ihr sagte, daß die Schwangerschaft gefährdet werden könnte.

      »Es hat immer einen Grund, wenn sich die Leukozyten vermehrten und dazu noch die Blutsenkung schlechte Werte zeigte.«

      »Und was schließen Sie daraus?« fragte sie.

      »Wir müssen das kontrollieren. Wie fühlen Sie sich?«

      »Ziemlich mies, appetitlos und schwindelig. Aber das soll ja bei einer Schwangerschaft häufig der Fall sein.«

      »Sie freuen sich auf das Kind?«

      Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. »Ich weiß nicht so recht. Wenn ich mich weiterhin so elend fühle, wird mir die Freude wohl vergehen.«

      »Und freut sich der werdende Vater?«

      »Der wird nicht viel mitbekommen, da er ständig unterwegs ist.«

      Dr. Leitner fühlte sich unbehaglich, da er spürte, daß sie keine klare Antwort geben wollte. Und was dachte sie wirklich? Man konnte nicht in sie hineinschauen, und er kannte sie zuwenig.

      Er mußte jetzt die Befürchtung hegen,

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