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      Wenn etwas nicht stimmt, wird Dr. Leitner schon von sich aus einen Abbruch vorschlagen, dachte Michelle. Sie scheute sich davor, davon anzufangen, und es lag auch nicht in ihrem Charakter, sich eines ungeborenen Kindes zu entledigen. Es konnte ihr Trost und Rechtfertigung sein, wenn medizinische Bedenken dazu führen würden. Sie wollte jetzt jedenfalls nicht darüber nachdenken.

      Sie fuhr zu Philipp ins Büro, und sie traf ihn auch an.

      »Das ist aber eine Überraschung!« rief er aus. »Willst du dich überzeugen, ob ich fleißig genug bin, um Dad würdig zu vertreten?«

      »Ich weiß, daß du das tust«, sagte sie weich. »Er wäre sehr stolz auf dich. Ich war auf dem Friedhof und habe mich mit ihm unterhalten.«

      Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck an. Rührung überkam ihn. Er fühlte sich versucht, sie in die Arme zu nehmen. Aber sie war schon wieder an der Tür. »Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob wir heute abend mit Mona essen könnten. Ich würde zu Hause alles herrichten.«

      »Wird dir das nicht zuviel?«

      »Wie kommst du darauf?«

      »Weil du ein bißchen angegriffen aussieht, Michelle.«

      »Findest du? Nun, die letzten Wochen waren anstrengend, aber nun ist ja Carlos einige Zeit in Spanien. Ich bin ganz froh, mal wieder zu Hause zu sein. Es ist dir doch nicht lästig?«

      »Wie kannst du das sagen! Ich freue mich, und das Haus gehört dir genauso wie mir.«

      »Aber wenn du heiratest, überlasse ich es ganz dir.«

      »Es wird immer auch dein Zuhause sein, Michelle.«

      »Dann kann ich heute abend mit euch rechnen?«

      »Ich rufe Mona gleich an. Aber mach dir keine Umstände, Michelle.«

      Sie hatte es jetzt eilig. Sie wollte für ein festliches Essen sorgen. Sie kaufte ein, und sie überraschte Marie dann mit nahezu euphorischer Begeisterung.

      »Das reicht ja für ein halbes Dutzend«, meinte die nur.

      »Sie dürfen auch zugreifen, Marie.«

      »Kommt Herr Dorant auch?« wagte Marie zu fragen.

      »Er ist in Spanien. Er wird einige Zeit dort sein.«

      Marie fragte lieber nichts mehr, obgleich sie doch recht neugierig war.

      Philipp hatte Mona erreicht, und sie war überrascht von der Einladung.

      »Michelle will zu Hause essen?« staunte sie.

      »Und will es selbst zubereiten. Lassen wir uns einfach überraschen.«

      Sie sollten angenehm überrascht werden. Michelle gab sich keine Mühe, die glückliche Frau Dorant zu spielen. Sie war Michelle Laurentis, und sie begrüßte Mona voller Freude und sehr herzlich. Nein, sie wollte ihnen nichts vorgaukeln, aber sie wollte auch keine trübe Stimmung aufkommen lassen.

      Das Essen war delikat. Mona, die sich nie viel Zeit fürs Kochen nahm, kam aus dem Staunen nicht heraus.

      »Wo hast du das gelernt?« fragte sie.

      »Bei einem Fernsehkoch, während Carlos Aufnahmen hatte.«

      »Es duftet verführerisch«, sagte Philipp. »Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.«

      »Du mußt mir ein paar Rezepte geben, sonst bin ich bei Philipp abgemeldet«, sagte Mona.

      »Du hast andere Qualitäten«, stellte Michelle fest. Tatsächlich fand sie, daß Mona überaus attraktiv geworden war, eine beeindruckende Persönlichkeit.

      »Deine Heirat hat uns ganz schön überrascht«, sagte Mona, die insgeheim feststellte, daß Michelle sehr verändert war.

      »Ihr hättet eigentlich den Vorrang haben müssen«, meinte Michelle, »aber ihr habt es ja anscheinend nicht eilig.«

      »Wir haben gestern beschlossen, es doch zu wagen«, sagte Philipp.

      »Das freut mich, das freut mich wirklich«, sagte Michelle überstürzt. »Pardon, mir ist nicht gut«, sie sprang auf und lief hinaus.

      »Nun wissen wir, warum die Heirat so schnell und ohne Aufsehen über die Bühne ging, Michelle ist schwanger«, sagte Mona.

      »Aber vor uns braucht sie sich deshalb doch nicht zu genieren.«

      »Sie war diesbezüglich immer leicht verklemmt«, stellte Mona fest. »Man konnte mit ihr ja auch nicht über Sex reden.«

      »Sie war naiv, Mona. Sie ist erst dreiundzwanzig.«

      »Und hätte noch viel Zeit gehabt, um richtig erwachsen zu werden.«

      Michelle kam zurück. Sehr blaß und nervös war sie.

      »Mein nervöser Magen, ich habe das öfter«, sagte sie entschuldigend.

      »Du brauchst es doch nicht zu verheimlichen, Michelle«, meinte Mona nachsichtig, »du bekommst ein Baby.«

      »Meinst du?« tat Michelle erstaunt. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Macht sich das so früh bemerkbar?«

      »Ich bin Ärztin, Michelle. Du kannst mir schon einiges zutrauen. Nicht alle werdenden Mütter leiden jedoch unter Übelkeit. Du solltest regelmäßig essen. Oder beunruhigt es dich, daß Carlos nicht hier ist?«

      »O nein, jetzt würde er mir nur auf die Nerven gehen. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich mich ein bißchen hinlege?«

      »Tu das nur, deine Gesundheit ist wichtiger als alles andere. Kann ich etwas für dich tun?« erkundigte sich Mona fürsorglich.

      »Nein, es ist lieb gemeint, aber ich möchte mich nur entspannen.«

      »Mach ein paar Atemübungen, dann ist dir gleich wohler.« Mona sah Michelle forschend an. »Weißt du schon, wie man das macht? Ich kann es dir erklären.«

      »Ich weiß das schon, laßt euch nicht stören. Tut mir leid, daß ich nicht okay bin.«

      »Ich mache mir Sorgen, Phil. Es ist nicht nur die Schwangerschaft. Michelle ist in einem desolaten Zustand, aber ich werde sie wohl nicht bewegen können, sich von mir untersuchen zu lassen. Sie wird auch nichts zugeben, auch nicht, daß die Schwangerschaft der Heiratsgrund war.«

      »Sie müßte doch wissen, daß wir nicht engstirnig sind«, meinte Philipp. »Aber wie nimmt es der werdende Vater auf?«

      Monas Mundwinkel bogen sich abwärts. »Er wird schon dafür sorgen, daß er die Hauptperson bleibt und ihm nichts abgeht. Er ist eitel, selbstgefällig und nicht mal besonders intelligent.«

      »Aber er ist doch ein guter Schauspieler«, sagte Philipp.

      »Mehr erwartest du nicht von deinem Schwager? Nun, ich muß sagen, daß er anscheinend so überzeugend sein kann, daß Michelle ihm auf den Leim gekrochen ist, und das mißfällt mir gründlich.«

      »Ich bin auch nicht begeistert, aber wir müssen ihm doch eine Chance geben und dieser Ehe auch.«

      »Wenn du auf mich hören willst, dann sage ich, daß diese Ehe schon kaputt ist, wenn es überhaupt je eine Ehe war.«

      Er seufzte. »Rätsel, dein Name ist Weib! Aber glücklich sieht sie wirklich nicht aus.«

      Eine glückliche werdende Mutter ist sie auch nicht, dachte Mona, aber sie machte sich noch andere Gedanken.

      »Du hast es geschafft, Mona, jetzt mache ich mir auch Sorgen«, sagte Philipp, nachdem sie bemerkt hatte, daß Michelle anscheinend ernsthafte gesundheitliche Störungen hätte.

      *

      Michelle fühlte sich schwach und elend. Sie wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber sie überlegte, ob sie nicht lieber verreisen sollte, damit die anderen es nicht bemerkten. Sie wollte auch lästigen Fragen ausweichen. Sie wollte nicht über Carlos reden und gar nicht an ihn

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