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auch immer, in seiner Domäne aufgetaucht waren. Nachdem nun alle saßen und immer noch kein Wort gefallen war, außer der herzlichen Begrüßung zwischen Charly, Siebels und Till, ergriff Jensen wieder das Wort.

      »Meine Herren, wie ich bereits sagte, handelt es sich um einen sehr heiklen Fall. Wir befinden uns hier übrigens bei Herrn Sebastian Tetzloff.«

      Sebastian Tetzloff, jetzt klingelte es bei Siebels. Tetzloff war Unternehmer, einer der erfolgreichsten und einflussreichsten in Deutschland. Und einer der Reichsten. Sein Name stand oft in der Zeitung, er gab zu sämtlichen politischen Entscheidungen seinen Senf ab und die Journalisten verbreiteten seine Meinung euphorisch im ganzen Land und darüber hinaus. Sebastian Tetzloff war in der Wirtschaft eine Lichtgestalt wie Franz Beckenbauer im Fußball. Was er in die Hand nahm, war zu Erfolg verdammt. Siebels überkam ein mulmiges Gefühl. Wenn Jensen sie mehr oder weniger inkognito hierher bestellt hatte, dann war wirklich etwas Heikles passiert. Till schaute fragend in die Runde, er schien mit dem Namen Tetzloff nicht allzu viel in Verbindung zu bringen. Jensen half ihm auf die Sprünge.

      »Wie Sie ja sicherlich wissen, ist Herr Tetzloff eine bedeutende Persönlichkeit im öffentlichen Leben. Ihm gehören mehrere Unternehmen, Tausende von Arbeitnehmern im In- und Ausland verdienen bei Herrn Tetzloff ihre Brötchen. Herr Tetzloff ist ein weltweit anerkannter und geschätzter Manager, sein Rat wird nicht nur von deutschen Politikern gern eingeholt, auch in London, Paris und Tokio ist er ein gern gesehener Gast.« Jensen unterbrach sich für einen Moment, wartete, ob Tetzloff seiner Lobeshymne noch etwas zuzufügen hatte. Doch Tetzloff schwieg, starrte auf seine Füße und schien im Geist weit weg zu sein.

      »Selbst im Weißen Haus in Washington ist Herr Tetzloff das ein oder andere Mal um seinen Rat gefragt worden, da verrate ich doch nicht zu viel, Herr Tetzloff ?«

      Tetzloff schaute nun endlich zu dem schnell sprechenden Jensen. »Kommen Sie bitte zum Punkt, Herr Staatsanwalt. Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt.« Es schien ihm Mühe zu bereiten, seinen Zorn auf den plappernden Staatsanwalt zu unterdrücken. Siebels konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

      »Natürlich, Herr Tetzloff. Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte meinen Beamten nur den Ernst der Lage klarmachen.«

      »Dann machen Sie das jetzt bitte.«

      Jensen wurde erst rot, dann weiß im Gesicht. Schließlich wollte er mit seinen Ausführungen neu beginnen, stotterte aber zunächst. Er griff zu dem Whiskyglas, das auf dem Tisch stand, nahm einen Schluck, hüstelte verräterisch gekünstelt und machte einen neuen Anfang, der aber von Tetzloff sofort wieder unterbrochen wurde.

      »Entschuldigung, darf ich Ihnen auch etwas anbieten? Einen Whisky oder einen Kaffee vielleicht?«

      Siebels und Till waren sich einig, nur ein Glas Wasser.

      Jensen war heilfroh über die kleine Pause und sortierte sich neu. »Wie Sie vielleicht aus der Presse vor etwa zwei Jahren erfahren haben, ist Herr Tetzloff verheiratet.«

      Siebels erinnerte sich. Die Zeitungen hatten die Tetzloffsche Hochzeit zum gesellschaftlichen Ereignis schlechthin hochgejubelt. Seine Frau Simone war der Öffentlichkeit bereits als Fotomodell bekannt gewesen. Eine Schönheit ohnegleichen, doch sie war bereits Ende zwanzig und hatte den Höhepunkt ihrer Karriere schon hinter sich gehabt, als sie dem zwanzig Jahre älteren Multimillionär Tetzloff das Ja-Wort gegeben hatte.

      »Frau Tetzloff ist heute Vormittag zu einem Einkaufsbummel ins Main-Taunus-Zentrum gefahren«, fuhr Jensen fort. »Dort telefonierte sie mit ihrem Mann und die beiden verabredeten sich für 13:30 Uhr in einem chinesischen Restaurant in Kronberg. Als Frau Tetzloff eine Stunde nach dem verabredeten Termin immer noch nicht aufgetaucht war und auch auf Anrufe auf ihr Handy nicht reagierte, schickte Herr Tetzloff seinen Chauffeur ins Main-Taunus-Zentrum. Herr Bogner, so heißt der Chauffeur, fand nach einigem Suchen den Wagen von Frau Tetzloff auf dem Parkplatz. Einen dunkelgrünen Jaguar. An der Windschutzscheibe steckte ein Briefumschlag hinter dem Scheibenwischer, adressiert an Herrn Tetzloff. Herr Tetzloff fand dann schließlich diese Nachricht in dem Umschlag vor.« Jensen überreichte Siebels ein Stück Papier, eine halbe DIN-A-4 Seite.

      Darauf stand nur ein Wort. ENTFÜHRT. Die Buchstaben waren in Blockschrift mit einem dünnen Filzschreiber geschrieben worden. Siebels reichte den Zettel an Till weiter.

      »Wurden der Umschlag und das Papier spurentechnisch untersucht?«

      »Das habe ich gemacht. Mit Hilfe einer jungen Laborantin, mehr oder weniger inoffiziell«, schaltete sich Charly in das Gespräch ein. Charly war der Spurensicherung zugeordnet. »Nichts, was uns weiterbringen würde. Keine Fingerabdrücke, das Papier ist handelsüblich, der Filzschreiber auch. Davon gehen tagtäglich große Mengen über die Ladentheken.«

      »Warum war die Untersuchung inoffiziell?«, wollte Siebels wissen.

      Jensen hüstelte wieder. »Herr Tetzloff ist mit dem Polizeipräsidenten befreundet und hat ihn sofort angerufen und ihm die Sachlage geschildert. Wie Sie wissen, hat die Polizei einiges Aufsehen erregt bei dem letzten Entführungsfall in Frankfurt. Der Polizeipräsident will jetzt von Anfang an jedweden Fehler vermeiden. Und da es bisher außer diesem Zettel überhaupt keine Informationen gibt, wollen wir zunächst sehr behutsam vorgehen. So hat sich der Präsident ausgedrückt. Das heißt vor allem, dass die Presse so lange wie möglich außen vor bleibt. Also keine offiziellen Ermittlungen, kein Polizeifunk in dieser Sache. Nur Sie drei, der Präsident und ich sind eingeweiht. Jedenfalls so lange, bis wir mehr über die Umstände erfahren.«

      Tetzloff wandte sich an Siebels. »Herr Jensen hat mir versichert, dass Sie und ihr Kollege die besten Männer sind, die die Kriminalpolizei aufzubieten hat. Ich nehme an, dass Sie einige Fragen an mich haben, wollen wir anfangen?«

      »Darf ich rauchen?«

      Tetzloff drückte gerade seine Zigarette im Aschenbecher aus und schob ihn Siebels hin.

      Nachdenklich blies der dann den Rauch aus seiner Lunge. »Wann genau haben Sie mit Ihrer Frau telefoniert?«

      »Das war gegen 11:30 Uhr.«

      »Könnte es sein, dass ihre Frau zu diesem Zeitpunkt schon in den Händen des oder der Entführer war? Klang ihre Stimme normal, hörten Sie Hintergrundgeräusche?«

      Tetzloff streckte seine Beine aus, kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Nein, sie hat sich ganz normal angehört, sie befand sich gerade in einer Lebensmittelabteilung. Es gab Hintergrundgeräusche, Durchsagen von Sonderangeboten, Hackfleisch und Bananen, soweit ich verstehen konnte.«

      »Sie sind sehr wohlhabend, Sie sind eine bekannte Persönlichkeit, haben Sie Maßnahmen zu Ihrem persönlichen Schutz und dem Ihrer Frau getroffen?«

      »Wir haben keine Bodyguards, wenn Sie das meinen. Das Haus und das Grundstück sind mit den modernsten Alarmanlagen ausgestattet. Mein Chauffeur ist in gewisser Weise auch eine Art Bodyguard, ehemaliges Mitglied beim Bundesgrenzschutz, sehr zuverlässig. Er hat einen Waffenschein und kann mit Waffen auch umgehen. Aber er hat in meinen Diensten nie davon Gebrauch machen müssen.«

      »Gab es in letzter Zeit irgendwelche Hinweise, dass Sie oder Ihre Frau beobachtet werden? Ist Ihnen irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen? Leute in der Nähe des Hauses, die Sie vorher noch nie gesehen haben? Telefonanrufe, bei denen sich niemand gemeldet hat?«

      »Nein, nichts dergleichen. Auch meine Frau hat keinerlei Andeutungen in diese Richtung gemacht.«

      »Sie haben auch keinen Verdacht? Oder Feinde, denen Sie eine Entführung zutrauen würden?«

      »Nicht im privaten Bereich. Da gibt es vielleicht Feinde, Neider, Besserwisser, welche, die einmal von sich behaupteten, Freunde zu sein, aber doch keine waren. Aber eine Entführung? Das glaube ich nicht.«

      »Und im geschäftlichen Bereich?«

      »Ich bin in vielen Bereichen geschäftlich tätig. Eine Entführung ist im Geschäftsleben vielleicht in Südamerika eine Option, nicht aber in Mitteleuropa. Allerdings habe ich doch einen Verdacht, wenn auch nur einen sehr vagen. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich in den letzten Jahren die Firma Business-Soft zum Weltmarktführer

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