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das schwarze Gummiband beförderte, packte er noch fünf Päckchen Zigaretten dazu.

      Erleichtert verließ er den Konsumtempel und schob seinen Einkaufswagen zielstrebig zu seinem BMW. Natürlich hatte er einen Einkaufswagen erwischt, dessen Räder klemmten und eierten. Nur mit Müh und Not gelang es ihm beim Abbiegen, den parkenden Jaguar nicht mit seinem lädierten Einkaufswagen zu rammen. Zu allem Überfluss setzte jetzt auch noch ein Nieselregen ein. Genervt öffnete er den Kofferraumdeckel seines Wagens und kaum hatte er seine Einkäufe verstaut, fiel ihm auch wieder ein, warum er überhaupt hergekommen war. Klopapier, er hatte kein eines Blatt Klopapier mehr.

      Zwei Stunden später lag er mit seiner Freundin auf dem Sofa. Sabine hatte Chips und Bier und nach dem Anruf von Siebels auch zwei Rollen Klopapier mitgebracht. Sabine Karlson arbeitete als Kriminalbeamtin bei der Sitte. Siebels hatte sie bei einem Mordfall, den er zu bearbeiten hatte, erst als Kollegin und später auch als Frau zu schätzen gelernt. Seit vier Monaten bildeten die beiden nun ein Paar und in letzter Zeit schmiedeten sie immer häufiger gemeinsame Zukunftspläne. In der Sportschau lief gerade das Spiel der Bayern. Sabine, deren Blut zur Hälfte deutsch und zur anderen Hälfte schwedisch war, war ein begeisterter Anhänger des FC Bayern München. Die Münchner blieben aber unter den Erwartungen und Siebels freute sich diebisch über jeden verlorenen Ball eines Münchner Spielers. Seine Freude wurde jäh unterbrochen, als sein Handy klingelte und er die Stimme von Staatsanwalt Jensen vernahm.

      »Guten Abend, Herr Siebels. Ich hoffe, Sie amüsieren sich nicht allzu gut. Ihr freies Wochenende ist nämlich ab sofort gestrichen. Es handelt sich um einen heiklen Fall, ich erwarte Sie schnellstmöglich in Königstein.«

      »In Königstein? Warum ich? Es gibt doch diensthabende Beamte, was soll das jetzt, Herr Jensen?« Siebels wanderte unter den neugierigen Blicken seiner Freundin im Wohnzimmer umher. Er schaute zu ihr und verdrehte seine Augen, während er mit dem Staatsanwalt diskutierte. Jensen war allgemein als Nervensäge verschrien. Siebels hoffte noch, dass es sich nur um einen kurzfristigen hysterischen Anfall des immer wieselflinken kleinen Staatsanwaltes handeln würde.

      »Wie ich bereits sagte, es ist ein sehr heikler Fall, am Telefon kann ich Ihnen nicht mehr dazu sagen. Ich benötige Sie, weil Sie der Beste sind. Und vorerst kein Wort zu niemandem, außer natürlich zu Ihrem Kollegen Herrn Krüger, den bringen Sie gleich mit.« Jensen beschrieb Siebels den Weg und nannte ihm die Adresse. Bevor Siebels noch einmal widersprechen konnte, hatte Jensen die Verbindung schon unterbrochen.

      »Ein sehr heikler Fall, weil Sie der Beste sind, Siebels«, äffte Siebels den eifrigen Staatsanwalt zornig nach, während er sich seine Schuhe anzog.

      »Ich erzähle dir dann später, wer die Tore für die Frankfurter geschossen hat«, versuchte Sabine ihn zu trösten. Die beiden umarmten sich zum Abschied, der gemeinsame Samstagabend wurde wie so oft durch die Arbeit unterbrochen. Wenn es nicht Steffen Siebels war, der Dienst hatte, dann musste Sabine Karlson bei Razzien im Frankfurter Rotlichtmilieu präsent sein.

      Auf dem Weg zu seinem BMW rief Siebels bei Till an. »Einen schönen Gruß von Jensen, unser freies Wochenende ist gestrichen. Warum? Weil wir die Besten sind, Kollege. Es ist nämlich ein heikler Fall, wie der Herr Staatsanwalt sich ausgedrückt hat. Ich bin in einer Viertelstunde bei dir. Und ich will kein Wort über das Spiel der Eintracht hören, das schaue ich mir später im Fernsehen an, bis gleich.«

      Erst jetzt fiel Siebels auf, dass der Spruch von Jensen, von wegen die Besten und so, auch etwas tiefgründiger gemeint gewesen sein könnte und nicht bloß ein dumm daher gesagter Spruch war. Siebels und Till waren zwar tatsächlich die Besten, wenn es um die Aufklärungsquote von Mordfällen ging. Aber das früher so überzeugende und selbstsichere Auftreten von Till hatte in letzter Zeit etwas gelitten. Das hing mit dem Fall zusammen, bei dem Siebels Sabine kennen gelernt hatte. Till hatte damals einem Verdächtigen beim Verhör schwer zugesetzt. Er war sich sicher gewesen, den Richtigen verhaftet zu haben, und wollte um jeden Preis ein Geständnis aus dem Verdächtigen herauspressen. Der Mann erhängte sich kurz nach dem Verhör in seiner Zelle, fast zur gleichen Zeit, als Siebels mit Hilfe von Till und Sabine den tatsächlichen Täter stellen konnte. Jensen machte Till später schwere Vorwürfe und Till war nicht mehr der Alte. Geplagt von Selbstzweifeln hatte er oft daran gedacht, den Dienst zu quittieren. Viele lange Gespräche mit Siebels und mit Sabine Karlson hatten ihn mittlerweile wieder Tritt fassen lassen. Wenn ihm Jensen jetzt wieder ausdrücklich sein Vertrauen aussprach, konnte das nur gut für ihn sein. Eigentlich war Jensen gar kein so schlechter Kerl, dachte sich Siebels. Wenn er nur nicht so eine nervige Art an den Tag legen würde.

      Die Bauarbeiten im neuen Frankfurter Stadtteil City West waren immer noch in vollem Gange. Die Straßenbahnschienen, die von dem neu entstandenen Stadtteil zu dem nächsten neu entstehenden Stadtteil Rebstockpark führten, waren mittlerweile vollständig verlegt. Till hatte sich in der City West eine Eigentumswohnung gekauft, nachdem er als frisch gebackener Polizeioberkommissar unter den Fittichen von Siebels sein Handwerk bei der Mordkommission erlernt und nebenbei eine kleine Erbschaft mit Hilfe seines Bruders und dem Börsenboom am Neuen Markt vervielfacht hatte. Seine Gold Wing, mit der er im Sommer über den heißen Großstadtasphalt schwebte, stand jetzt in einer angemieteten Garage. Er wartete bereits vor dem Haus, als Siebels um die Ecke bog.

      »Wochenende ade, Jensen springt im Karree«, begrüßte er Steffen Siebels, der sich eine Marlboro anzündete.

      »Die Adresse, die Jensen mir gegeben hat, ist in Königstein. Keine Ahnung, was er da von uns will.«

      »Lassen wir uns überraschen, wie geht’s Sabine?«

      »Die liegt jetzt gemütlich auf der Couch, trinkt mein Bier und guckt sich die Eintracht an. Und denk dran, ich will nichts hören. Wenn wir Glück haben, sind wir in zwei bis drei Stunden wieder zurück. Dann will ich ganz ungestört das Sportstudio sehen.«

      »Von mir erfährst du nix, auch nicht, wenn wir die ganze Nacht in Königstein verbringen, was ich befürchte, wenn Jensen uns persönlich das Wochenende vermiest.«

      »Mach mir bloß Mut. Wahrscheinlich erwartet uns eine prominente Leiche und Jensen hat wieder panische Angst vor einem Presserummel.«

      Königstein war das Pflaster der Reichen. Etliche Villen, bewohnt von der Elite der Frankfurter Bankenszene, von namhaften Chirurgen oder von alteingesessenen Unternehmern, schmückten das Bild des kleinen, aber feinen Ortes im Taunus, nur ein paar Autominuten von Frankfurt entfernt. Siebels kannte sich hier nicht sonderlich gut aus. Als er noch mit seiner Exfrau glücklich verheiratet gewesen war, hatten sie mit der kleinen Tochter oft einen Wochenendausflug in den Taunus unternommen. Damals waren sie regelmäßig durch Königstein gefahren, aber sie hatten nie die Hauptstraße verlassen, hatten sich nie um die Villen und deren Einwohner in Königstein gekümmert. Als Siebels das Ortsschild von Königstein passierte, entdeckte er ein älteres Paar, das seinen Dackel ausführte. Langsam steuerte Siebels auf die Leute zu.

      »Frag die beiden da doch mal, wie wir fahren müssen.«

      Till kurbelte das Seitenfenster herunter und fragte nach der Adresse, die Jensen genannt hatte. Die beiden Spaziergänger schauten neugierig in den Wagen. Der Mann schien skeptisch zu sein, als er die Gesichter von Siebels und Till erblickte.

      »Das ist die Adresse von Herrn Tetzloff. Sind Sie sicher, dass Sie da hin wollen?«

      »Ganz sicher«, entgegnete Till mit einem freundlichen Lächeln.

      Der Mann drehte sich zu seiner Frau, er schien unsicher zu sein, ob er den beiden Fremden den Weg beschreiben sollte. Seine Frau übernahm nun das Wort, sie beugte sich zum Fenster und fing mit gestikulierenden Handbewegungen an, den Weg zu beschreiben. Die beiden Beamten bedankten sich höflich, das Ehepaar folgte wieder dem an der Leine nach vorn drängenden Dackel. Die Beschreibung der älteren Dame erwies sich als sehr präzise, zehn Minuten später stand der BMW in einer ruhigen, dunklen Straße vor einem hohen Eisentor. Mit Efeu bewachsene Mauern umrahmten das Grundstück, dessen Einfahrt von einem mit aufwändigen Verzierungen geschmückten Eisentor verschlossen war. Jensen hatte nur die Adresse genannt, keinen Namen. Die Hausnummer war künstlerisch in das Tor eingearbeitet. Nr. 5. Kein Name, dafür waren geschmiedete Initialen in die andere Seite des Tores eingearbeitet.

      »S.

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