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von einer Beziehung hatte wie sie und in den sie sich verlieben würde. Dabei entstand in ihr das zarte Gefühl der Hoffnung auf eine Beziehung in der diese Punkte Platz finden würden. Sie ärgerte sich über dieses Gefühl, obwohl es ihr so gut tat, denn sie fand es unpassend so schnell nach ihrer Trennung schon wieder solche Gefühle zu haben.

      Es war schon zehn und sie musste nun schleunigst in die Praxis. Schnell schluckte sie die letzten Bissen ihres Müslis herunter, suchte ihre Sachen zusammen und hastete aus der Türe. Sie kam gerade rechtzeitig für ihren ersten Klienten. Ein kleiner Junge, von dem man sich kaum vorstellen konnte, dass er so heftige Reaktionen gegen die Schule zeigen könnte wie es die Eltern und besonders die Lehrer von ihm berichteten.

      Der Vormittag ging schnell dahin und als sie um 13 Uhr für 15 Minuten zwischen zwei Patienten Zeit hatte, kam Bekka, ihre Sprechstundenhilfe und sagte, ihre zwei Patienten für den Nachmittag hätten abgesagt. Das passte ihr gut, noch zwei Patienten und dann frei, das war perfekt. Sie beschloss wandern zu gehen und um halb vier verließ sie die Praxis und fuhr zu einem ihrer Lieblingsorte in dieser Gegend. Ein kleines Örtchen in den Bergen, hoch über dem Meer, von dem ein kleiner Wanderweg entlang der Küste bis auf einen der Gipfel führte. Das war der richtige Zeitpunkt für so eine kleine Wanderung, um etwas mehr Abstand zu gestern zu bekommen und zu verarbeiten. Das konnte sie immer besonders gut beim Wandern und schon das Öffnen der Autotüre wehte den zarte Frühlingswind in ihr Gesicht und ließ sie in eine andere Welt tauchen. Sie entspannte sich mit jedem Schritt mehr und atmete tief den Duft nach Frühlingsblüten ein. Besonders die Stellen mit viel wildem Thymian dufteten so herrlich. Ihr Blick ging in die Ferne über das Meer bis zum Horizont und sie ließ ihre Gedanken treiben. Auf dem Gipfel entdeckte sie einen Kasten, der ihr bisher noch nie aufgefallen war. Er war am Gipfelkreuz befestigt und aus Metall, rötlich lackiert. Neugierig öffnete sie ihn und beförderte ein kleines Buch ans Tageslicht. Sie schlug die erste Seite auf und las ‚Gipfelbuch - ich freue mich über Nachrichten‘. Was für eine schöne Idee, dachte Laura und blätterte weiter. Schon einige Einträge waren darin und sie las einige der kurzen Notizen:

      „Habe mich in dieser Landschaft wieder gefunden.

      Danke liebe Natur,

      Martin.“

      „Warum hat er mich mit den Kindern für so ein junges Ding verlassen, so ein Mistkerl!

       L.“

      „Geiles Leben, geile Aussicht. Paul“

      Schnell blätterte sie weiter, kramte einen Stift aus ihrer Handtasche, die sie in ihrem kleinen Wanderrucksack verstaut hatte, hervor und schrieb:

      „Ich gelobe mehr Ehrlichkeit in der Liebe und beginne ab jetzt ein neues, erfülltes Leben. L.“

      Sehr pathetisch, dachte sie, aber es war so aus ihr herausgeschossen, dass es sich trotzdem richtig anfühlte. Sie genoss noch ein paar Augenblicke die Aussicht und ging dann langsam wieder bergab in Richtung des kleinen Dörfchens, dass sie so liebte und in dem es wunderbares Essen gab. Im Cécilia hatte der Koch gewechselt und sie war neugierig auf die neue Speisekarte. Sie entschied sich für Rucola Salat auf Ziegenkäse mit Honigdressing. Dazu gab es, wie immer, leckere kleine frisch aufgebackene Brötchen oder Krustinos, wie sie es hier nannten. Als sie bestellt hatte, befreite sie sich von der Handy-Auszeit und setzte den Flugmodus wieder zurück. Sofort kamen einige Nachrichten, darunter eine Sprachnachricht von Bekka. Verwundert wählte sie die Nachricht aus. Hatte sie an etwas nicht gedacht? Es waren doch keine Patienten mehr erwartet gewesen. Gespannt hörte sie auf Bekkas Stimme: „Hey Laura, hier steht ein junger Mann für dich. Er äh - wie heißt du nochmal?“

      Sie hörte wie die beiden kurz redeten.

      „Er will gerne irgendetwas wegen deinem Auto mit dir besprechen und heißt Johannes, kennst du den? Wenn du noch in der Nähe bist, ruf doch bitte kurz zurück. Fünf Minuten kann ich ihn noch ablenken, wenn du dich dann nicht gemeldet hast, müsst ihr euch halt irgendwie anders in Verbindungen setzen. Ciao Bekka.“

      Ach Bekka, das gute Organisationstalent dachte sie. Doof, das sie nicht an Johannes gedacht hatte. Ach nein, ihr viel ein, dass alles gut war, da er ja weder gesagt hatte wann genau, noch wie er sie kontaktieren würde. Entspannt lehnte sie sich zurück und genoss die Abendsonne auf ihrem Gesicht.

      Nachdem Johannes noch kurz mit Bekka über die tolle Lage der Praxis gesprochen hatte und Laura weder zurückgerufen noch aufgetaucht war, ging er wieder hinaus und machte sich in Gedanken versunken auf den Nachhauseweg.

      4

      Die folgenden Tage war Johannes extrem eingespannt. Verifikationstests von gleich fünf Lebensmittelgruppen liefen parallel. Außerdem hatte er versprochen die Einleitung seiner Doktorarbeit fertig zu schreiben. Denn Prof. Kingston und er wollten auf der Konferenz im Oktober zur Lebensmittelsicherheit in Vancouver einen Überblicksvortrag zur Lebensmittelherkunftsanalyse geben. Doch vorher mussten sie ihre Ideen in einem Review Paper publizieren, sonst war die Gefahr, dass ihnen jemand zuvor kam, zu groß. Dafür war die Zeit jedoch wirklich knapp bemessen und deshalb verbrachte er die folgenden Tage von morgens halb acht bis abends um neun in der Uni vor Schreibtisch und Laborgeräten. Zuhause schrieb er dann noch weiter, korrigierte oder formatierte die Einleitung. Wenn er dann ins Bett fiel dachte er mit Sehnsucht daran, dass er Laura endlich wieder sehen wollte. Und dies spornte ihn dazu an am nächsten Morgen weiter diszipliniert zu arbeiten, denn erst wenn die Einleitung zur Korrektur abgegeben war konnte er wieder so entspannt sein, dass er sich traute Laura zu begegnen. So war Laura das erste und letzte an das er in diesen Tagen dachte.

      Und nachdem er fast anderthalb Wochen auf diese Art gelebt, oder besser gesagt gearbeitet hatte, konnte er Samstagabend endlich auf senden drücken und die erste Rohfassung der Einleitung an Prof. Kingston schicken. Er sah auf die Uhr. Die Zeiger zeigten zehn vor elf. Es war dunkel draußen und regnete. Trotzdem hatte er das dringende Bedürfnis mal wieder etwas frische Luft zu schnappen und sich zu bewegen. Gleichzeitig hätte er am liebsten sofort Laura angerufen und sich mit ihr getroffen. Doch war er weder in einem besonders guten Zustand dafür, noch hatte er ihre private Nummer. Ihm wurde klar, dass er wohl oder übel noch bis Montag warten musste bevor er sie überhaupt im Büro erreichen konnte. Diese Klarheit zerrte nun noch zusätzlich an seinem abgearbeiteten Zustand.

      Vor dem Haus angekommen, atmete er tief die regenfrische Luft ein und beschloss zum Strandhaus der Familie zu fahren, dort zu übernachten und den Sonntag über am Strand zu regenerieren.

      Und überhaupt, selbst wenn er Lauras private Handynummer gehabt hätte, es wäre sicher keine besonders gute Idee, sie jetzt aus heiterem Himmel anzurufen oder eine SMS zu schreiben. Er wischte die Gedanken fort und überlegte stattdessen, was er für den Strandtag brauchen würde. Er packte schnell seine sieben Sachen zusammen und fuhr, alle Fenster weit geöffnet durch die ruhige Nacht zum Strandhaus. Im gemütlich weichen Bett fiel er alsbald in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

      Als er wieder erwachte, war es schon hell draußen und die Sonne strahlte eine milde morgendliche Wärme über den Sand. Er hörte die zarten Wellen, die sachte am Strand aufliefen, auf den nassen Sand fielen und schließlich leise wieder ins Meer zurück glitten. Er öffnete das Fenster und genoss die frische Luft, die zu ihm herein strömte. Tellergeklapper ließ ihn aufhorchen. Schnell streifte er sich einen Pullover über und ging die Wendeltreppe ins Wohnzimmer hinunter.

      „Mama“, sagte er ganz erstaunt.

      „Guten Morgen Johannes. Na wieder unter den Lebenden?“, begrüßte Margarethe ihn mit ihrer typischen Mischung aus trockenem Humor und liebender Wärme für ihre Kinder. „Ja, hab endlich den Entwurf meiner Einleitung fertig.“

      „Dann setz dich, ich mache dir ein Rührei.“

      „Oh wie toll“, antwortete er und setzte sich an den langen hellen Holztisch. Der Wind wehte leicht zu ihnen herein und er erzählte seiner Mama von den Laboruntersuchungen und dem neuesten Klatsch und Tratsch aus der Uni. Dann erkundigte er sich, wie es ihr ging und was ihre Schüler machten. Ganz begeistert erzählte sie wie sie Fortschritte machten und fragte, ob er nicht Lust hätte in zweieinhalb Wochen zum nächsten Schülervorspiel zu kommen. „Klar, gerne“, sagte er und

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