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er schon zuvor viel gesehen und Großmutter war oft mit ihm oder wegen ihrer Konzerte gereist. Außerdem wollte sich Großmutter wieder mehr der Jugend- Musikförderung widmen und auch ihr eigenes Musizieren aktiver betreiben.

      Nachdem sie als Fagottistin in und nach ihrem Studium viele Preise und Auszeichnungen gewonnen hatte, bekam sie die Möglichkeit in einem renommierten Orchester, dem hiesigen Philharmonie Orchester, zu spielen. In ihrem Vertrag handelte sie aus, dass sie bei Stücken, in welchen dem Fagott eine Nebenrolle zukam, nur zu den Haupt- und Generalproben erscheinen durfte, weshalb sie mit Großvater auch viel auf Dienstreisen gehen konnte. Nun unterstützte sie talentierte Fagottisten mit einer Organisation, die sie selbst aus Spendengeldern, vornehmlich aus Großvaters Firmen gegründet hatte. Und weil sie sich in der Musik weiterbilden wollte, hatte sie schon vor vielen Jahren wieder mit dem Klavier spielen angefangen und konnte daher nun oft junge Fagottisten mit der Orchesterversion begleiten, was ihr riesige Freude bereitete.

      Großvater ging in dieser Zeit in den Garten, um sich seinem Gärtner- Hobby zu widmen. Bis vor fünf Jahren hatte ihm das auch genügt. Doch dann hatte er aus seinem Umfeld, in welchem er schon seit langem philosophisch aktiv war, Anregungen erhalten, die er mit diesen Freunden gemeinsam in einer kleinen ganzheitlichen Biologisch Dynamischen Landwirtschaft umsetzten wollte. Und in diesem Zusammenhang waren sie auch neulich gemeinsam in dem Vortrag gewesen, der Johannes so hatte aufhorchen lassen. Es war um einige ganzheitliche Betrachtungen des Lebens in Bezug auf die menschliche, Gesundheit, aber auch der Natur gegangen. Und welche Ansätze in der Landwirtschaft helfen konnten, die Gesundheit auf allen Ebenen zu erhalten und sogar zu fördern.

      Wie von selbst fuhr er in die Auffahrt zum Familienanwesen hinauf und wurde dadurch aus seinen Gedanken gerissen. Und wieder bemerkte er den Unwillen in sich aufkommen, zu diesem Geburtstagsfest seiner Tante erscheinen zu müssen. Doch er hatte es Mama und Papa versprochen und nur weil die Schwester seines Vaters nicht so mit Geld umging, wie er es für angemessen hielt - sie war die einzige, die in der Familie eine Luxusmotorjacht unterhielt - war sie im Grunde doch eine nette und liebenswerte Person. Doch irgendwie hatte er manchmal das Gefühl der Pubertät noch immer nicht so ganz entwachsen zu sein. Darum hatte er als Geschenk für sie auch das Buch ‚Leben im Jetzt’ von Eckhart Tolle besorgt, um ihr die Gedanken der Befreiung von materiellen Gütern etwas näher zu bringen. Naja, er mochte sie ja, aber solche kleinen Sticheleien konnte er sich einfach nicht verkneifen. Er parkte hinter dem Mini seiner Schwester, sie war also auch gerade angekommen. Dann ging erst mal um das Haus herum, in der Hoffnung, Großvater im Garten anzutreffen. Bis zum offiziellen Beginn hatte er noch eine viertel Stunde und die wollte er gerne draußen verbringen.

      Er lehnte sich an das Steingeländer und ließ seinen Blick über das Meer und die schöne Bucht gleiten und schließlich in die Ferne und freute sich auf das morgige Wiedersehen mit Laura. Lina, seine Schwester, stupste ihn von der Seite an, grinste und fragte, ob er noch wichtige Chemierätsel löse. Heute nicht mehr, antwortete er und freute sich, sie zu sehen. Großvater tauchte auf und sie gingen gemeinsam noch einige Stellen im Garten besichtigen, die Großvater erst kürzlich umgestaltet hatte.

      Die Geburtstagsparty startete mit den üblichen Reden und Toasten und wurde dann noch ganz nett. Er war eben doch ein Familienmensch. Besonders genoss er die Nähe seiner Eltern und Schwester, als sie für eine kurze Weile eine schön zusammengestellte Couch- Garnitur in Beschlag nahmen. Sie plauderten viel über ihren gemeinsamen Segelturn im letzten Jahr. Plötzlich kündigte Johannes Vater Thomas an, er wolle dieses Jahr wieder 10 Tage mit allen segeln gehen und fragte mit bittendem Blick, ob sie sich dafür Zeit nehmen würden. Lina verhandelte sofort, dass ihr Freund Mario auch mitkommen durfte. Und Johannes wollte wissen, wann die Reise stattfinden solle. Thomas, wie immer sehr beschäftigt, hatte es geschafft, sich 10 Tage um Pfingsten herum frei zu nehmen. Er sagte, er wolle diesmal durch die Ägäis oder um die kanarischen Inseln segeln und fragte, was ihnen lieber sei. Lina antwortete: „Ganz klar Bermudas!“, und Johannes fragte, was Margarethe, seine Mutter, dazu denke? Die plädierte zu seiner Überraschung für die Kanaren, denn Thomas und sie waren bevor ihre Kinder geboren waren viel in der Ägäis gesegelt und sie wollte gerne neues entdecken. Johannes war es egal und Lina im Prinzip auch. Damit war die Sache fast schon entschieden und weil sich nun andere Gäste zu ihnen gesellten war das Thema für diesen Abend beendet.

      Johannes quatschte noch mit seiner Lieblingscousine Vanni und vielen weiteren Gästen, überreichte Tante Yvonne ihr Buch-Geschenk und verabschiedete sich gegen 23 Uhr, mit der Begründung, dass er am nächsten Morgen ja früh raus müsse.

      3

      Am nächsten Morgen schwirrten Johannes Gedanken permanent zu Laura. Er fragte sich, wie sie wohl in so jungen Jahren zum Thema der Sterbebegleitung gekommen war. Es beeindruckte ihn sehr, auch wenn er sich für das Thema Schulverweigerung mehr interessierte. Noch mehr jedoch hielten ihn jedoch die Gedanken daran gefangen, wie er Laura dazu bringen konnte sich mit ihm zu treffen. Viele Ideen gingen ihm durch den Kopf, aber keine davon schien ihm wirklich geeignet. Und eigentlich sollte er sich gerade auf die Planung seiner Experimente für die nächste Phase seiner Doktorarbeit konzentrieren.

      Nach dem Master in Chemie hatte er letztes Jahr mit einer Promotion bei Professor Dr. Kingston begonnen und versuchte hierbei mit stabiler Isotopenanalytik den Herkunftsnachweis von verschiedenen Lebensmitteln so kostengünstig wie möglich zu machen. Nachdem er die gängigsten Lebensmittel in ca. 30 Kategorien eingeteilt hatte, testete er nun typische Lebensmittel jeder Gruppe und entwickelte möglichst schnelle und kostengünstige Methoden mit den benötigten Nachweisgrenzen. In der nächsten Phase waren weitere Verifikationstests geplant.

      Wie sollte er sie nur dazu bringen etwas mit ihm zu unternehmen? „Gar nicht“, sagte eine Stimme in ihm. Und in dem Moment fiel ihm wieder ein, was ihn seine Beziehung mit Tessa gelehrt hatte, nämlich dass wirkliche Liebe am besten aus völliger Freiheit entsteht. Und auch, dass er nur noch auf diese wirkliche Art eine Beziehung führen wollte.

      Ihm wurde klar, dass er dafür seine Wünsche und Sehnsüchte etwas in den Hintergrund treten lassen musste, um auch in sich selber zu prüfen, ob der zarte Liebeskeim der in ihm entstanden war, weiter wachsen würde. Diese Gedanken fühlten sich für ihn ganz richtig an und er entschloss sich, Laura einfach vorzuschlagen, irgendwann mal etwas mit ihm zu unternehmen. Wenn sie ihn dann auch interessant finden würde und überhaupt offen wäre für ihn, könnte sich auch etwas entwickeln. Er wusste ja nicht einmal, ob sie vergeben, verheiratet und vielleicht sogar Mutter war. Aber wie auch immer sich das verhielt, dieser freilassende Weg gefiel ihm gut. Die Erleichterung, die er dadurch in sich verspürte, ließ seine Konzentration wieder zunehmen und er konnte sich wieder ganz der Planung seiner Experimente zuwenden. Als er das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es schon Mittag geworden. Nachdem er mit einigen Kollegen aus der Arbeitsgruppe zu Mittag gegessen hatte, plante und organisierte er noch zwei weitere Stunden lang. Dann fuhr er mit seinem Fahrrad zu der Adresse auf Lauras Visitenkarte.

      Auf dem Weg viel ihm auf, dass er noch gar nicht über die Schadensregulierung nachgedacht hatte. Sollte er ihr anbieten, dass jeder auf eigene Kosten den Schaden an seinem Auto reparieren würde? Oder würde sie alles über ihre Versicherung abwickeln wollen? Dann würde ihre Versicherung auch seinen Reparaturkosten übernehmen. Schon bog er in die Straße ein, in der Lauras Praxis sein musste. Die Hausnummer 42 war es, ein schönes Holzhaus in moderner Bauweise, vermutlich ein Nullenergiehaus dachte er. Die Lage war gut gewählt. Am Hang, mit Blick über die Stadt und auf das Meer in der Ferne. Hier ließen sich sicher gute Gespräche führen, mit dem Blick auf die schöne Bucht und das unendliche Meer. Es war 16 Uhr. Johannes drückte auf die Klingel, über der das Praxisschild mit dem Logo, welches auch auf Lauras Visitenkarte war, hing.

      Als Laura an diesem Morgen erwachte, musste sie sich erst innerlich sortieren. Und nachdem der Schmerz der Trennung wieder kurz in ihr aufgetaucht war, wich er wie von selbst dem warmen Licht der Ehrlichkeit, mit dem sie den gestrigen Tag beendet hatte. Und ihr Blick fiel auf die Liste mit den Punkten, die ihr wichtig waren in einer Beziehung und das warme Gefühl verstärkte sich. Zu Oberst standen Liebe und Ehrlichkeit, gefolgt von Punkten wie gemeinsame Ideale, gegenseitige Unterstützung und Toleranz.

      Nachdem sie gestern verstanden hatte, dass sie sich bei Julian sehr viel vorgemacht

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