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zu heißen, natürlich dröhnend laut. Zur Begrüßung klatschten wir uns ab, klopften uns mit großer Geste gegenseitig auf die Schultern und umarmten uns. Mir gefielen diese Rituale, auch wenn diese Körperlichkeit unter Männern neu für mich war.

      Ich war fasziniert von dem Biotop, in dem ich mich bewegte, umgeben von erfolgreichen Schauspielern und Musikern, von Journalisten und Schriftstellern, Plattenproduzenten und Sportlern, von Intellektuellen und Pseudointellektuellen, Unternehmern und Ganoven. In unserem Kreis gab es einen Schriftsteller, der Krimis schrieb, und den Chefredakteur einer Tageszeitung. Oder Bentley-Boris, der ein großes Vermögen verwaltete, besagte Autos sammelte und gerne und viel trank. Ein sehr zurückhaltender, liebenswürdiger Mann, immer geschmackvoll gekleidet, der meist abseits stand, das Geschehen aufmerksam beobachtete und treffsicher kommentierte. Frauen gegenüber war er sehr zuvorkommend, ein wirklicher Kavalier. Im Suff verlor er allerdings schon mal den Überblick. Einmal brachte er es fertig, im Vollrausch einen seiner Bentleys zu verlegen: An einem Wochenende hatte er sich in Monte Carlo so besoffen, dass er vergaß, dass er mit seinem Wagen dorthin gefahren war, den Bentley in einer Tiefgarage stehen ließ und nach Köln zurückflog. Dort suchte er tagelang seinen Wagen und meldete ihn schließlich als gestohlen. Seinen Irrtum bemerkte er erst Wochen später, als er eine saftige Rechnung des Tiefgaragenbetreibers aus Monte Carlo bekam.

      Da wir für Stimmung und Umsatz sorgten, waren wir in den Clubs und Diskotheken hofierte Stammgäste. Nie musste ich in einer Schlange stehen, die Türsteher begrüßten uns mit Handschlag und lotsten uns am wartenden Fußvolk vorbei. Die Getränke gingen sogar hin und wieder aufs Haus. Das Koks, das ich zunächst nur sporadisch an den Wochenenden nahm, leider nicht. Kokain war in den Clubs und Diskotheken, in denen ich die Nächte verbrachte, allgegenwärtig. Im Nijinsky gab es eine Art lebenden Kokskiosk, Stefan, der Dealer, eine Institution im Kölner Nachtleben. Graumeliert und mit adrettem Sakko stand er Abend für Abend am Tresen, immer an derselben Stelle. Er sah aus wie ein Versicherungsvertreter oder Geschäftsmann. Seine Geschäfte tätigte er zu meiner Überraschung wie selbstverständlich am Tresen. Nur Anfänger, lernte ich bald, wickelten ihre Drogenkäufe in dunklen Ecken vor der Tür der Diskothek ab.

      Im Alten Wartesaal trank ich mit Tom, dem zukünftigen Fernsehkomiker, Joey Kelly und einem erfolgreichen Gastronom Whisky an der Bar, wir stellten den Frauen nach, und der eine oder andere verschwand zwischendurch auf ein Näschen Koks auf die Toilette. Joey, der Ausdauersportler, nahm keine Drogen, hielt sich auch mit Alkohol eher zurück und verschwand in der Regel nicht weit nach Mitternacht. Wenn die Diskothek in den frühen Morgenstunden schloss, feierten wir anderen in der nahegelegenen Wohnung des Gastronomen weiter, lümmelten auf dem Sofa oder im Pool und redeten uns die Köpfe heiß. Wenn ich nach Hause ging, stach die Morgensonne in meine Augen. Was für ein Leben! Die anderen, die Langweiler, gingen zur Arbeit. Ich, die extrem coole Sau, kam nach Hause, aufgedreht und beseelt.

      So ein Leben hatte ich mir immer gewünscht. »Lieber den Jahren mehr Leben geben als dem Leben mehr Jahre«, wusste schon Curd Jürgens. So sah ich das auch – ich wollte so viel Aufregung, so viel Genuss und Stimulation in die Tage und Nächte pressen wie eben möglich. Grenzen überschreiten, in jeder Hinsicht, umgeben von schillernden, aufregenden Menschen. Ich war im Epizentrum des prallen Lebens angekommen, es waren meine »Stillen Tage in Clichy«.

      In dem Film »From Dusk Till Dawn« gibt es eine Szene, in der die beiden Hauptdarsteller eine Bar betreten, das »Titty Twister«. Dort tanzen halbnackte Frauen lasziv auf den Tischen, und verwegene Kerle in Lederjacken schütten grölend den Alkohol in sich hinein oder lecken ihn von den Frauenbäuchen. »Das könnte meine Stammkneipe werden«, sagt eine der beiden Hauptfiguren bei diesem Anblick. Als ich den Film sah, verstand ich genau, was er meinte. Jetzt fühlte es sich an, als lebte ich im »Titty Twister«. Zur Ruhe kam ich kaum, wieso auch?

      In meinem Leben spielten Sex und Erotik eine große Rolle. Genau genommen war ich ja sexuell eher ein Spätentwickler, mit Anfang dreißig hatte ich einiges nachzuholen. Obwohl ich mich meist in einer festen Beziehung befand, hatte ich zusätzlich regelmäßig Affären und One-Night-Stands. Ich war Filmemacher mit illustrem Freundeskreis und einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein, bei den Frauen kam ich gut an.

      Wie ein Spätpubertierender führte ich eine gedankliche Strichliste mit meinen Eroberungen, war stolz auf jede neue Kerbe in meinem imaginären Colt. An dem Tag, an dem ich zum ersten Mal mit zwei verschiedenen Frauen hintereinander Sex hatte, war die Kerbe besonders tief. Ich träumte von einer perfekten Woche – das bedeutete, an sieben aufeinanderfolgenden Tagen Sex mit sieben verschiedenen Frauen zu haben. An manchen Wochen kam ich diesem Ziel sehr nahe, ganz erreicht habe ich es nie.

      Zudem hatte ich jetzt endlich die Gelegenheit, all die aufregenden Sexszenen, die mich in den Büchern von Anäis Nin oder Harold Robbins so fasziniert und erregt hatten, einem Realitätstest zu unterziehen. Ich hatte zum Beispiel gelesen, es sei die ultimative Stimulation, sich vor der Penetration Kokain auf die Eichel zu streuen. Das erwies sich als maßlos übertrieben. In meiner Nase, erkannte ich schnell, war das Kokain definitiv besser aufgehoben. Aber von solchen Rückschlägen ließ ich mich nicht entmutigen, es gab noch so viel zu entdecken, so viele Körper und Praktiken zu erforschen!

      Das Kokain stachelte meine sexuelle Gier zusätzlich an. Nicht immer schaffte ich es mit meiner jeweiligen Eroberung bis in meine Wohnung. Es kam vor, dass wir auf dem Nachhauseweg auf einer Motorhaube oder in einer Baustelle übereinander herfielen. Ich war ein Getriebener in Sachen Sex.

      Bald begannen meine rauschenden Wochenenden, sich immer wieder auch in die Woche auszudehnen. Hin und wieder gab es Momente, in denen ich mich fragte, ob dieses Leben nicht auch Nachteile hatte: wenn ich nach durchgemachter Nacht bei hellem Sonnenschein in dem Café unter meiner Wohnung saß, halbkomatös, sensorisch überfordert vom geschäftigen Treiben auf der Straße und gequält vom Sonnenlicht, das trotz meiner Ray Ban schmerzhaft in mein Hirn stach, während die anderen wach und vergnügt zu Mittag aßen, sich unterhielten oder Hand in Hand an den Schaufenstern vorüberschlenderten.

      Aber diese Zweifel verflogen schnell. Nach wenigen Stunden Schlaf und einem langen Spaziergang war ich wieder einsatzfähig und in der Lage, mich voller Elan meinen Filmprojekten zu widmen oder Sport zu treiben. Lange Regenerationsphasen benötigte ich nicht, ich war jung und sportlich, außerdem fleißig und erfolgreich. Sicher, ich trank viel und nahm Drogen, aber ich war kein Versager und Verlierer, meine Karriere nahm im Gleichschritt mit meinem Alkohol- und Drogenkonsum Fahrt auf. Das Gleiche galt für die meisten meiner Freunde und Saufkumpane. Wir waren Gewinner; erfolgreich, lebendig, umschwärmt und hatten einfach eine Unmenge Spaß.

      Mit Dieter teilte ich neben der Begeisterung für Frauen und Alkohol ein Faible für die Kölner Halbwelt. Seit meiner Jugend war mein Kopf angefüllt mit den romantisierten Bildern von aufrichtigen Gaunern, die es mit dem Gesetz nicht so genau nahmen, sich über hohle gesellschaftliche Konventionen erhoben und sich einem eigenen Ehrenkodex, eigenen moralischen Grundsätzen verpflichtet fühlten. Ganze Kerle, die der stumpfsinnigen Spießerexistenz den Rücken gekehrt hatten und in ihrer eigenen, schillernden und aufregenden Welt lebten. Ihnen fühlte ich mich verbunden, auch wenn ich mein Geld auf legale Weise verdiente. Vor allem das Rotlichtmilieu, die Welt der Zuhälter und Huren, zog mich an. Ein Gegenuniversum, geprägt von allgegenwärtigem Sex, klaren Regeln und lässigen Sprüchen, bevölkert von allzeit verfügbaren Frauen und dem, was ich unter echten Männern verstand.

      Ich traf Typen wie den Automaten-Franz, dessen Name eigentlich schon alles sagte, was man über ihn wissen musste; oder den breiten Paul, ein Freund von Dieter, Türsteher und Gelegenheitszuhälter, dessen Nachnamen ich nie erfuhr. Ein glatzköpfiger Hüne, der brutal und gnadenlos zuschlug, wenn es nötig war, auf mich aber immer einen eher gutmütigen Eindruck machte und meistens gute Laune verbreitete. Einer, auf den man sich verlassen konnte, wenn es Ärger gab. Aber eben auch jemand, der selbst den Ärger anzog.

      Eines Morgens rief er mich voller Panik im Kokswahn an. »Du musst mich hier rausholen«, sagte er mit aufgeregter, aber gedämpfter Stimme. »Paul, was ist los?«, fragte ich. Er behauptete, seine Wohnung – die im zehnten Stock eines Hochhauses lag – sei von einem Sondereinsatzkommando der Polizei umstellt, seit 24 Stunden bewege er sich nur auf dem Bauch kriechend durch die Räume. Wenn die Beamten ihn durch das Fenster sähen, würden sie

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