ТОП просматриваемых книг сайта:
Lebensläufe. Monika Bormeth
Читать онлайн.Название Lebensläufe
Год выпуска 0
isbn 9783947171378
Автор произведения Monika Bormeth
Жанр Философия
Издательство Bookwire
„Ich hatte immer einen Hang zum Schönen“, erinnert sich Helga Hemala-Fischer. Als Kind ist sie, ein Buch unter den Arm geklemmt, gerne in den gegenüberliegenden Wald gelaufen und zum Lesen auf den höchsten Baum geklettert. „Das habe ich unzählige Male getan.“ Auch war sie bereits im frühen Alter sehr tierlieb. Zeit ihres Lebens hat sie danach Hunde als Haustiere gehalten.
Dass sie einen künstlerischen Beruf ergreifen könnte, wäre ihr in diesem Alter nicht in den Sinn gekommen, obgleich Theater und Musik einen hohen Stellenwert bei der Mutter hatten. Viel hat sie mit ihren Kindern gesungen, ganze Schulhefte waren mit Liedtexten von Opern, Operetten und Schlagern beschrieben. Es huscht ein Lächeln über Helgas Gesicht und mitten im Gespräch fängt sie an zu singen.
Sah sie als Kind eine Bühnenaufführung – das muss noch in Bielitz gewesen sein – verblüffte Helga die Erwachsenen nicht selten mit der Gabe, im Nachhinein markante Passagen wiedergeben zu können. Bei einem ihrer Theaterbesuche, es war „Die gold’ne Meisterin“ von Edmund Eysler, verzückte sie die Zuschauer, als sie während der Pause das eben gehörte Lied „Portschunkula, Portschunkula, wie schön bist du bei Nacht…“ schmetterte. Scheu vor den Blicken anderer hatte die sonst ruhige Helga dabei nicht, im Gegenteil. Der „Sonnenschein“, wie sie damals von vielen Bekannten genannt wurde, empfand Freude daran, die Leute zu unterhalten.
Während die Schwester ein Instrument lernen durfte, blieb Helga dies verwehrt. Sie träumte von einem Akkordeon, musste aber zu jedem Weihnachtsfest den schuldbewussten Blick der Mutter ertragen, wenn diese der Tochter sagte: „Helgele, das Christkindl hatte wieder kein Geld gehabt.“
1950 übersiedelte die Familie von Sekirn nach Klagenfurt in die Getreidegasse 11. Arbeitsam hat Helga Hemala-Fischer ihre Eltern in Erinnerung. Sie sieht heute noch den Vater vor sich, wie er am Boden knieend mit Rasierklingen das Parkett abzog, um das Zimmer so schön wie möglich zu gestalten.
Helga Hemala-Fischer klappt eine Spieldose auf. Sie ist alt, aber der Klang rein: Der Kaiserwalzer. Dieses Stück sollte noch viel Bedeutung haben. Es war nach dem Umzug nach Klagenfurt, als zum 40. Geburtstag ihres Vaters ein Fest ausgerichtet wurde. Die Mutter lieh in einem Musikgeschäft Plattenspieler und Schallplatten aus und bastelte für Helga ein Tutu aus Krepppapier. Von Ballett hatte das Mädchen damals noch keine Ahnung, konnte lediglich das tun, was ihr ihr Gefühl zur Musik eingab. Als sich die Kleine zu den Takten des Kaiserwalzers zu bewegen begann, staunten die Gäste. Mehr noch. Eine Freundin der Mutter war fest überzeugt: „Die muss ins Ballett.“ Dieser Frau hat sie ihr ganzes Berufsleben zu verdanken, ist Helga Hemala-Fischer heute überzeugt.
Der steinige Weg zur Leichtigkeit
Der Anfang war hart. Als die Mutter mit ihrer bereits elfjährigen Tochter in der renommierten Klagenfurter Kunsttanzschule von Tanzmeisterin Trude Haslinger vorstellig wurde, war diese keineswegs so angetan wie die Gäste bei der Geburtstagsfeier. „Wie alt bist du? Elf? Viel zu alt“, lautete ihr Urteil, das Helga die Tränen in die Augen trieb. Als die Ballettmeisterin das sah, fragte sie: „Ja sag mal, was machst du mit den Armen, wenn du tanzt?“ Das war Helgas Chance. Mit ihren Armbewegungen wusste sie die gestrenge Ballettmeisterin zu überzeugen. Fortan stellte sich Helga jede Trainingsstunde an der Ballettstange hinter das beste Mädchen, um von diesem zu lernen, übte jede freie Minute und besah sich mit noch größerer Aufmerksamkeit alles, was sich ästhetisch zu bewegen vermochte. Denn das war das Credo von Tante Trude, wie die Mädchen ihre Ballettmeisterin liebevoll nannten: Sich die Natur ansehen und die Ästhetik der Bewegungen für sich adaptieren. Beispielsweise die von Schmetterlingen, Bienen und Blättern. „Alles tanzt“, sagt Helga Hemala-Fischer. Und in der Stimme schwingt Melodie mit.
Nach der Hauptschule besuchte die junge Helga eine Handelsschule, auf der sie sich das Rüstzeug für einen kaufmännischen Beruf aneignen sollte – das war der Wunsch des Vaters. Die Freizeit gehörte dem Ballett. Sie war 15 Jahre alt, als das Stadttheater Klagenfurt mit „Wiener Blut“ die erste Operette im Spielplan hatte. Ausgerechnet für den Kaiserwalzer suchte das Theater junge Tänzerinnen zur Verstärkung. Ballettmeisterin Liselotte Mracek, zuständige Choreographin, sah sich an der Kunsttanzschule Haslinger nach geeignetem Nachwuchs um. Nur sechs Mädchen wurden gebraucht. Helga Hemala war dabei. Was sie gemacht hätte, wenn die Wahl nicht auf sie gefallen wäre? Sie weiß es nicht. Heute wäre ihr Leben vielleicht ein völlig anderes.
Als 13-Jährige war Helga Hemala stolze Ballettschülerin der renommierten Klagenfurter Kunsttanzschule von Trude Haslinger.
Die Operette, die am 24. September 1955 Premiere feierte, war ein Erfolg. Und noch etwas anderes war bedeutend. Helga stand zum ersten Mal Adi Fischer gegenüber. Er war zehn Jahre älter, kam vom Grazer Opernhaus, war Schauspieler und wurde in Klagenfurt als Operettenbuffo verpflichtet. Sie sah in ihm den Mann ihres Lebens. Ein bildschöner, junger Mann – und ein verheirateter Familienvater mit einem kleinen Sohn, wie sie später erfuhr.
„Der 16. Geburtstag war mein schönster Geburtstag“: Adi Fischer war damals bereits in das Leben der jungen Helga getreten. Die beiden waren noch kein Paar, waren sich aber dennoch vertraut.
Obgleich Helga immer wieder ins Theater fuhr und instinktiv die Begegnung mit Adi Fischer suchte, hegte sie keinerlei weitere Absicht. Ihre Schwärmerei war die rührende Zuneigung eines unschuldigen Mädchens, das nicht im Traum daran dachte, sich in eine Ehe einmischen zu wollen. „Ich wollte immer alles, was gut für ihn und seine Familie war.“ Zwar erwiderte Adi Fischer nicht umgehend Helgas Zuneigung, jedoch hat er ihr „viel Herz“ entgegengebracht, wie sie heute sagt. „Der erste Händedruck – 14 Tage nicht Händewaschen, habe ich mir vorgenommen.“ Sie lacht.
Es war wie eine Belohnung in doppelter Hinsicht, dass Helga Hemala nach „Wiener Blut“ ein weiteres Mal als Elevin am Theater mitwirken durfte. Professor Fritz Klingenbeck, Intendant des Klagenfurter Theaters, engagierte sie für die Operette „Der Opernball“ von Richard Heuberger, deren zweiter Akt mit einem Can Can endete, bei dem die Tänzerinnen in die Arme eines Bühnenpartners fielen. Gespannt warteten die Mädchen darauf, wem es zukommen würde, sie aufzufangen. Für Helga Hemala, die wegen der Handelsschule nicht bei jeder Probe dabei sein konnte, war es eine besondere Überraschung. Sie glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen, als sie Choreographin Lilo Mracek sagen hörte: „Bei dir kommt der Adi Fischer.“ Für Helga Hemala war das wie Weihnachten und Ostern zusammen.
Während die Bühne immer mehr zu ihrem Lebensmittelpunkt wurde, neigte sich die zweijährige Handelsschule dem Ende entgegen. Zeitgleich ergab sich die Möglichkeit, eine Reifeprüfung im Fach Ballett abzulegen. Trude Haslinger gab den Anstoß dazu und bereitete ihre Mädchen intensiv darauf vor, lehrte sie nicht nur die Praxis, sondern gab ihnen auch das nötige Rüstzeug in Sachen Tanzgeschichte. Helga Hemala war begeistert und reiste mit acht Mitstreiterinnen in die Universitätsstadt Graz zur Prüfung. Schon bei der Ankunft wurde Helga fast schwindelig, als sie eine Tänzerin beim Spitzentanz beobachtete und dabei merkte, wie viel es noch zu lernen galt.
„Wir hatten unter anderem einen Walzer einstudiert. Als die Musik erklang, habe ich alles um mich herum vergessen. Meine Arme sangen und meine Beine tanzten.“ Neun Mädchen aus Klagenfurt und neun aus Graz nahmen an der Reifeprüfung teil, nur fünf bestanden. Helga war dabei! Wieder waren es insbesondere ihre Armbewegungen, die überzeugten, wie sie später erfuhr.
Die Klagenfurter Choreographin Mracek fragte Helga daraufhin, ob sie nicht Tänzerin werden wolle. Eduard Hemala, der seine Tochter gerne in einem soliden, kaufmännischen Beruf gesehen hätte, war nicht begeistert. Erst die Tatsache, dass das Theater seinem Helgele sogar die volle Tänzerinnengage – nicht die Gage einer Elevin –