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worden waren, sodass er über das Geld nicht frei verfügen konnte.)

      Nachdem sich Kirschky die Klagen seines jüngeren Verwandten angehört hatte, unternahm er einen Versuch, das zerbrochene Porzellan durch ein Versöhnungsritual zu kitten. Gemeinsam mit Lelliewah suchte er dessen Kontrahenten Meusebach auf und redete auch diesem ins Gewissen. Anschließend ließ er den beiden je ein »Glaslin mit Wein« einschenken und forderte sie auf, »es soll ir einer dem andern umb Fridlebens willen einen [Trinkspruch] bringen.« Auch dieser Versuch der Konfliktlösung zeigte keinen Erfolg: »Es hette aber kheyner den Anfang machen wollen.« Vielmehr habe »jeder das Glaslin ausgedrunckhen, von sich gesezt und were alsbald Lelif [Friedrich von Lelliewah] zur Stuben hinaus gangen.« Meusebach sei noch bei ihm geblieben und habe ihm von verschiedenen Angelegenheiten seiner Verwandtschaft erzählt, ehe auch er die Runde verlassen habe.

      Kurz nach dieser Szene wandte sich Lelliewah vertraulich an den Jägermeister von Meerrettich und weitere umstehende Gäste und erklärte, »weyl er«, also Meusebach, »ja ine nit bezahl, so wolle er ime eine Maultaschen geben.« (Den Anwesenden war sicherlich klar, dass er seinem Schuldner kein schwäbisches Traditionsgericht servieren wollte, sondern eine schallende Ohrfeige ankündigte.)

      Die Gelegenheit zum Schlagabtausch bot sich kurze Zeit später. Der ahnungslose Liebmann von Meusebach hatte sich mittlerweile einer anderen Gruppe von Edelmännern zugesellt und ihnen gesagt, »die Zeit wer ihm lang«, ob denn niemand der Herren Lust habe, ein wenig mit ihm auszureiten. Da die anderen verneinten, verließ er das Schloss allein. Allerdings bemerkten die Zurückgelassenen, dass Friedrich von Lelliewah gleich darauf ebenfalls seinen Abschied nahm. Diejenigen unter ihnen, die um Lelliewahs Drohung mit der Maultasche wussten, befürchteten das Schlimmste und eilten den Streithähnen hinterher. Der Hofjunker Hans Reinhard Kröll erinnerte sich später, dass er von Weitem gesehen habe, »daß Lelif dem Maißbach starckh uf dem Fueß nachgevolgt und ehe er sie erreicht, ime bey dem Rahtthaus ein Maulschellen geben.« Der Schlag muss gesessen haben. Laut Jägermeister Heinrich von Meerrettich war die Ohrfeige so heftig, »daß das Bluett hernach gevolgt« sei. Meusebach sei bei alledem still geblieben, habe kein Wort gesagt, sondern sein Quartier im Haus des Forstknechts Conz Mayer aufgesucht, um seinen Degen zu holen. Jetzt ging es nicht mehr um neun Batzen. Jetzt ging es um die Ehre.

      Duelle stellten in der Frühen Neuzeit eine adäquate Form der Konfliktlösung unter Adeligen aller Ränge dar. Es gehörte zum Selbstverständnis dieses gehobenen Gesellschaftsstandes, sich keinem fremden Richterspruch zu unterstellen, sondern sich nötigenfalls selbst Recht und Genugtuung zu verschaffen. Die Anlässe eines Duells wirken aus moderner Sicht oftmals unbedeutend und nichtig. Dabei muss aber dem Ehrbegriff der Zeit Rechnung getragen werden. Wenn Liebmann von Meusebach 1610 zum Degen griff, so ging es ihm nicht um seine geringe Spielschuld, sondern um die Demütigung, die er durch die Ohrfeige eines etwa gleichrangigen Kontrahenten erfahren hatte. Wer seine angegriffene Ehre nicht verteidigte, drohte, ihrer verlustig zu gehen. Eine Ehrverletzung, zumal wenn sie ungesühnt blieb, betraf nicht allein die jeweils betroffene Person, sondern konnte sich auf ihre gesamte Familie auswirken. Friedrich von Lelliewah hatte demnach nicht nur Liebmann von Meusebach, sondern die Gesamtheit der Herren von Meusebach geohrfeigt und gedemütigt. Welcher der beiden Männer im vorangegangenen Streit um die Spielschulden im Recht war, war dabei von untergeordneter Bedeutung.

      Auch Mitglieder des gräflichen Hauses Hohenlohe waren gelegentlich an Duellen beteiligt. So geriet im Jahr 1541 Graf Philipp von Hohenlohe mit Graf Poppo von Henneberg, beide Domherren zu Würzburg, in einen Streit, bei dem es vordergründig lediglich um einen auf der Jagd erlegten Hasen, tatsächlich aber um Fragen des Vorrangs und der Ehre ging. Im Schwertkampf erlitt Graf Philipp eine Kopfwunde, an der er einige Tage später verstarb. Graf Poppo floh zunächst aus Würzburg und behauptete, sein Gegner sei nicht durch den Schwertstreich, sondern die Unfähigkeit der örtlichen Ärzte ums Leben gekommen. Später verglich er sich mit dem Haus Hohenlohe und entrichtete eine Summe von 2.100 Gulden zugunsten des Spitals in Öhringen.

      Zu einem Beinahe-Duell zwischen zwei Grafen von Hohenlohe kam es 1642 in Ohrdruf, weil Graf Johann Friedrich von Hohenlohe auf eine stille Trauerzeit für seinen jüngst verstorbenen Vater bestand, wohingegen sein Vetter Graf Joachim Albrecht nicht auf seinen Musikgenuss in Schloss und Kirche verzichten wollte. Erst ein veritables Donnerwetter des Kurfürsten von Sachsen und ein Verweis auf die hohenlohische Erbeinigung, quasi die Verfassung des Grafenhauses, brachte Johann Friedrich zur Raison. Anders erging es seinem jüngeren Bruder Graf Philipp Maximilian Johann von Hohenlohe. Der Offizier starb 1658 im niederländischen Weert nach einem Pistolenduell.

      Im Übrigen ist zu bemerken, dass sich in der Frühen Neuzeit nicht nur Mitglieder des Adels, sondern auch bürgerliche Personen duellierten, um ihre Ehre zu verteidigen. Während der Waffengang unter Blaublütigen als Methode der Konfliktlösung anerkannt oder zumindest toleriert war, mussten Bürgerliche mit empfindlichen Strafen rechnen. Von ihnen wurde erwartet, dass sie ihre Streitigkeiten vor Gericht vortrugen und sich dem Urteilsspruch ihrer Herrschaft beugten.

      Der Showdown in Waldenburg fand am Nachmittag des 4. Oktobers 1610 statt. Liebmann von Meusebach forderte seinen Kontrahenten Friedrich von Lelliewah förmlich heraus, indem er ihm dreimalig erklärte, »wan er ein redlicher Gselle [sei], solle er ime erscheynen.« Lelliewah nahm die Herausforderung an. Die Duellanten gingen vor das Stadttor und zogen ihre Degen. Die ersten vier oder fünf Anläufe konnte der jeweilige Konterpart parieren. Als Liebmann seinen Degen erhob, um einen weiteren Streich zu führen, kam ihm Friedrich von Lelliewah zuvor. Blitzschnell stach er zu und traf den rechten Arm des Gegners so heftig, dass eine blutende Wunde zurückblieb. Damit war das kurze Gefecht entschieden. Liebmann von Meusebach wurde am Ort des Geschehens verarztet und in die nahe Torstube geführt. Alle Augenzeugen bestätigten, dass es ein fairer und redlicher Kampf gewesen sei.

      Liebmann von Meusebach verbrachte die letzten Tage seines Lebens in seinem Quartier in Conz Mayers Haus, wo sich der örtliche Barbier nach Kräften um seinen Patienten bemühte. Das mehrtägige Krankenlager lässt vermuten, dass Meusebach weniger am akuten Blutverlust, sondern eher an einer Entzündung seiner offenen Wunde litt. Der Hausherr und ein Musiker, der in den Quellen als »Bastle der Baßgeiger« bezeichnet wird, halfen bei der Pflege des Sterbenden. Vielleicht ließ sich Meusebach aus einem der religiösen, gut-lutherischen Bücher vorlesen, die später in seinem Gepäck gefunden wurden. Außer einem Katechismus und einem Psalter besaß er einen »Habermann«. Gemeint ist vermutlich das 1565 erstmals erschienene »Christliche Gebett für alle Not und Stende der gantzen Christenheit« des Theologen Johann Habermann – seinerzeit ein Bestseller der geistlichen Literatur. Kein Wunder! Das Büchlein enthält Gebete für alle Lebenslagen: Ein Gebet »wider deß Teuffels Anfechtung«, eines »zur Zeitt deß Donners und Ungewitters«, eines »wider den Türcken«, das »Gebeth für ein Weib das nicht Kinder hat«, das »Gebet wenn die Eltern Kinder zur Schul thun«, »Armer Leut Gebet für ihr Viehlein« … Und natürlich enthält es auch Gebete, die den Sterbenden auf seiner letzten Reise begleiten sollen:

      »[…] Ich bitt durchs bitter Leyden dein,

      Du wöllst mir Sünder gnädig sein,

      Wenn ich nun komm in Sterbens Noth

      Und ringen werde mit dem Todt.

      Wenn mir vergeht all mein Gesicht

      Und meine Ohren hören nicht,

      Wenn meine Zunge nicht mehr spricht

      Und mir vor Angst mein Herz zerbricht.

      Wenn mein Verstand sich nichts versinnt

      Und mir all menschlich Hülff zerrint,

      So komm O HERR Christ mit behend

      Zu Hülff an meinem letzten End.

      Und führ mich aus dem Jammerthal,

      Verkürz mir auch des Todtes Qual,

      Die bösen Geister von mir treib,

      Mit Deinem Geist stets bey mir bleib. […]«

      Liebmann von Meusebach starb zwei Tage nach seiner Verwundung und nachdem er das heilige Abendmahl empfangen hatte am 6. November 1610. Sein Leichnam

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