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an denen alle Mitglieder ihrer Arbeitsgruppen teilnehmen und Probleme vorbringen können. Jedoch sollen auch die Probleme aus Sicht des Unternehmens diskutiert werden (Holling & Müller, 1995). Heute würde man sagen, dass Likert schon eine frühe Form der »Qualitätszirkel« (siehe vorne Lean Produktion), die erst in den 1970 Jahren in der Automobilindustrie eingesetzt wurden, etablierte (Kirchler et al., 2004). Die Motivation der Mitarbeiter/innen speist sich aus den Mitentscheidungsmöglichkeiten und der Identifikation mit den Zielen der eigenen Arbeitsgruppe und der Organisation (Kirchler et al., 2004). Monetäre Anreize treten in den Hintergrund. Belohnungen werden auf Gruppenebene ausgezahlt, um mögliches Konkurrenzverhalten zwischen Gruppenmitglieder zu vermeiden.

      Likert (1961) beschreibt die Teamfähigkeit der Mitarbeiter/innen einer Organisation als Grundvoraussetzung seiner Organisationstheorie (Kirchler et al., 2004). Likerts partizipative Theorie emanzipiert die Mitarbeiter/innen von rein ausführenden Maschinen zu mitentscheidenden Individuen. Die Theorie ist noch immer in Lehrbüchern zu finden, da sie aufzeigt, wie überlappende Arbeitsgruppen die Kommunikation im Unternehmen fördern können (Kirchler et al., 2004). Die Gruppenstruktur bietet nach Likert die Voraussetzungen für eine effiziente Verwirklichung der organisationalen Ziele, da Spannungen und Konflikte konstruktiv gelöst werden können (Holling & Müller, 1995).

      Es war für Likert die Überzeugung leitend, dass das partizipative Linking Pin-System konfliktfrei verläuft und wenig Reibungsverluste entstehen. Er betrachtete die Prozesse innerhalb von Organisationen zudem als geschlossene Systeme. Faktoren der Umwelt (im Sinne einer offenen Systemperspektive) und Anpassungserfordernisse an eine sich verändernde Umwelt wurden von ihm nicht adressiert.

      Die Idee der partizipativen Gruppensysteme findet sich heute noch in der Form von abteilungsübergreifenden Projektgruppen und bei der Einbeziehung der Stakeholder (Anspruchsgruppen) z. B. bei einer organisationalen Veränderung (image Kap. 2) und sog. Stakeholder-Dialogveranstaltungen.

      Organisationen als sozio-technische Systeme

      Wir befinden uns nun im England der späten 1940er Jahre. Der Krieg hat seine Zerstörungen hinterlassen und viele europäische Länder beschäftigen sich mit dem Wiederaufbau wichtiger Industrien.

      Wie bei den Hawthorne-Werken hatte der zweite Weltkrieg auch hier Einfluss auf die Produktion, im Vergleich zu England waren die USA allerdings von keinen Zerstörungen betroffen, da sich der zweite Weltkrieg (wie auch der erste) nicht auf dem Boden der USA abspielte. Likert hatte daher z. B. weniger den Wiederaufbau im Blick als die unerwünschten Konsequenzen des tayloristischen Arbeitssystems.

      In dem Ansatz Taylors dominierte in den früher 1910er Jahren das technische System die Organisation, in den Forschungen in den Hawthorne-Werken dominiert das soziale System der Organisation und ihre Effizienz. In den Arbeiten von Emery (1959) und Trist (1981) zeigt sich nun die Wichtigkeit des Zusammenspiels von sozialem und technischem System.

      Das sozio-technische Systemkonzept entstand während verschiedener Feldstudien des Tavistock Institutes in der britischen Kohleförderung (Trist, 1981).

      Die Forschung des Tavistock Institutes entstand in der Nachkriegsphase und der des Wiederaufbaus der Industrie. Kohle war die Hauptenergiequelle und vieles hing davon ab, dass Kohle in großem Maße und möglichst preiswert abgebaut wurde (Fox, 1995).

      Der Wiederaufbau der Industrie und Kohleförderung stieg jedoch in seiner Produktivität nicht durch mehr Mechanisierung an. Mitarbeiter/innen wanderten in großer Zahl in andere, moderne Fabriken ab. Unter denen, die in der Kohleförderung blieben, war der Absentismus (image Kap. 6, image Kap. 7) bei 20 % (Trist, 1981; Fox, 1995). Konflikte mit den Gewerkschaften waren an der Tagesordnung, obwohl sich die Arbeitsbedingungen prinzipiell verbesserten. Man verstand nicht, warum die Produktivität mit der Investition in mehr Technik nicht anstieg.

      Die Tavistock-Mitarbeiter wurden als Berater engagiert, nachdem eine technische Innovation, der sog. »long wall method of coalgetting« nicht zu der erhofften Produktivitätssteigerung führte, sondern zu geringerer Arbeitsmotivation, Fehlzeiten, Arbeitsunfällen und Fluktuation (Kirchler et al., 2004). Trist und Branford (1951) zeigten bei ihren Untersuchungen dabei vor allem auf, dass die negativen Konsequenzen auf die arbeitsbezogene Einstellung der Mitarbeiter nicht auf die technische Innovation zurückzuführen waren, sondern auf die Änderung des sozialen Systems. Das neue System der »long wall method of coal getting« zerstörte bisherige Gruppenarbeitssysteme, die bisher dazu beigetragen hatten, dass sich die Gruppen gegenseitig vertrauten, was im Bergbau aufgrund der Einsturzgefahr eine wichtige Bedingung für das Arbeiten unter Tage ist. So zeigte sich in den Untersuchungen beispielweise, dass die nachfolgenden Schichten zunächst zu ihrem Arbeitsbeginn alle Sicherheitsvorkehrungen kontrollierten, da sie der vorausgehenden Schicht nicht mehr trauten und befürchteten, dass diese, um ihren Lohn zu maximieren, ohne Rücksicht auf die nachfolgenden Schichten den Bergwerksstollen nicht gewissenhaft genug absicherte (Kirchler et al., 2004).

      Das National Coal Board (Nationale Kohlevereinigung) hatte das Tavistock Institut daher um eine vergleichende Untersuchung einer produktiven und einer deutlich weniger produktiven Mine gebeten. Am Tavistock Institut waren zu der Zeit (1949) sechs postgraduierte Mitarbeiter angestellt, die aus der Industrie kamen. Von diesen hatten drei Mitarbeiter einen Gewerkschaftshintergrund und einer (Ken Bramford) war Minenarbeiter gewesen. Nach ersten Erfahrungen am Institut wurden die sechs Mitarbeiter ermutigt, sich in ihre früheren Unternehmen zu begeben und anschließend jede Veränderung zu berichten, die ihnen auffiele. Ken Bramford kam von Haighmoor, seinem früheren Arbeitgeber, zurück und berichtet über eine Zeche, in der er innovative Arbeitspraktiken gesehen habe. Dadurch, dass Bramford dort bekannt war, willigte das Management einer Untersuchung dieser Arbeitsweise ein (Trist, 1981).

      Bei den Vorort-Begehungen und Untersuchungen berichteten die Mitarbeiter im Bergwerk, dass sie sich, um die neuen technischen Möglichkeiten optimal zu nutzen, eine Arbeitsorganisation zu eigen gemacht hätten, die in der vorindustriellen Zeit üblich war – nämlich die Arbeit in kleinen Gruppen (im Handwerksbetrieb), die einen ganzen Arbeitszyklus autonom abarbeiten. Sie hatten einen Weg gefunden, auch bei einer höheren Ebene der Mechanisierung, Gruppenkohäsion und Selbstregulation wiederzubeleben. Eine der ersten Veröffentlichungen der Tavistock-Gruppe hieß dann auch »The loss, rediscovery and transformation of a work tradition« (Trist et al., 1963).

      Dieses neue Paradigma führte zu einer neuen Art, wie Organisationen und vor allem auch Veränderungen und Einführungen neuer Technologien betrachtet wurden (Trist, 1981). Ingenieure folgten zu der damaligen Zeit dem technologischen Imperativ und machten die Arbeitsorganisation von dem abhängig, was die Technik erforderte. Das war eine von allen akzeptierte und unreflektierte Regel. Die »people costs« durch diese Vorgehensweise wurden nicht in Betracht gezogen. Diesen »people costs« könnte mit den sozioökonomischen Bedingungen (Entlohnung) oder eine Verbesserung der Human Relations (wahrscheinlich im Sinne der Kuchenparties wie oben beschrieben) begegnet werden. Die Mitarbeiter des Tavistock Institutes empfanden aber die getrennte Betrachtung des technischen und des sozialen Systems nach der Begegnung mit dem innovativen System im Haighmoor als nicht mehr angemessen.

      In der sozio-technischen Betrachtung werden ein altes und ein neues Paradigma unterschieden. Zum alten Pradigma gehören u. a. ein technologischer Imperativ, die Vorstellung des Menschen als Verlängerung der Maschine, der Mensch als austauschbares Maschinenteil, eine hohe Aufgabenteilung, die einfach und enggefasste Fertigkeiten erfordern, und die externe Kontrolle durch Führungskräfte.

      Das neue Paradigma postuliert dagegen eine gemeinsame Optimierung (joint optimization) des sozio-technischen Systems, sieht den Menschen komplimentär zur Maschine sowie als Resource, die entwickelt werden soll, und sucht nach der optimalen Aufgabenzusammenlegung,

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