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in allerneuester Zeit P, Joh. Chrysostomus Baur in der von ihm verfaßten Allgemeinen Einleitung zu des hl. Johannes Chrysostomus ausgewählten Schriften in vorliegender Bibliothek der Kirchenväter: „Die berühmteste und verbreitetste aller Abhandlungen sind die sechs Bücher De Sacerdotio, die in gewählter literarischer Form wohl das Schönste enthalten, was bis dahin über die Würde und Erhabenheit des Priestertums geschrieben worden war11. Außer bei diesen und anderen katholischen und protestantischen Theologen lesen wir in W. v. Christ’s Geschichte der griechischen Literatur: „Diese Schrift gelangte zu besonders hohem Ruhme”12. Von französischen Kritikern bezeichnet sie E. Martin13 als „le plus estimé et certainement le plus beau de ses ouvrages. … Nulle part peut-être tont d’élevation ne fut unie à tant de charme et de grâce“. A. Cognet14 schreibt: „Nemini dubium est, quin hic Chrysostomi dialogus ceteris ejusdem operibus multo praestet tum argumenti majestate, quo nihil amplius ac dignius est, tum dicendi arte, qua tam feliciter usus est auctor, ut nusquam alias sese excellentiorem praestiterit. Non enim alium nomines librum, quo res ad sacerdotium pertinentes tanta pietate tantaque eloquentia disserantur, ut Chrysostomus, quemadmodum Nazianzenum exemplar ante oculos habuit, ita et ipse postea eadem scribentibus auctor exstiterit ac magister”15. Und um auch aus England — von anderen Ländern zu schweigen16 — ein Zeugnis anzuführen, so bekennt J. Hughes17, daß zwei Ursachen ihn zu einer Sonderausgabe der Schrift bewogen hätten, einmal weil in diesem goldenen Büchlein die wahre und echte Würde des christlichen Priestertums in unübertrefflicher Weise auseinander gesetzt werde, sodann weil er gerade diese Lektüre für das beste Mittel halte, um die Jünglinge zum Studium der altehrwürdigen Kirchenväter anzueifern und anzuleiten18.

      II.

      Zu Beginn seiner Ausführungen gibt Chrysostomus selbst uns eingehenden Aufschluß über die nähere Veranlassung zur Abfassung der Schrift. Er schildert zuvörderst in den zartesten Farben den innigen Freundschaftsbund, den er mit seinem unzertrennlichen Jugend- und Studienfreunde Basilius geschlossen hatte. Insbesondere hatten beide sich gegenseitig gelobt, jederzeit bei allen ihren Handlungen nach gemeinsamem Entschlusse vorzugehen, jedesmal den gleichen Weg einzuschlagen. Da geschah es nun, erzählt Chrysostomus weiter, daß beide, obwohl noch jung an Jahren, bei der Erledigung einzelner, offenbar syrischer19 Bischofssitze von den Wählern als Bischöfe in Aussicht genommen und auch direkt als solche begehrt wurden. Basilius, in der Meinung, in welcher er von seinem Freunde Johannes noch bestärkt worden war, derselbe werde auch in dieser hochwichtigen Lebensfrage auf jeden Fall „eines Sinnes und eines Handelns" mit ihm sein oder vielmehr er sei ihm mit Annahme der Bischofswürde bereits vorangegangen, ließ sich nach einigem Widerstreben zum Bischöfe weihen. Johannes Chrysostomus hingegen, der, von Mißtrauen gegen sich selbst erfüllt, sich einer so hohen Ehre nicht für würdig erachtete, hatte vor Basilius seine wahren und eigentlichen Absichten verschleiert, sich unter Anwendung einer gewissen List vor den Wählern versteckt und sich durch schleunigste Flucht der Erhebung auf einen bischöflichen Stuhl entzogen. Über dieses Verhalten des Freundes war nun Basilius nachträglich ganz untröstlich. Völlig niedergeschlagen suchte er ihn auf und mit von Tränen erstickter Stimme machte er ihm in der rührendsten Weise bittere Vorwürfe, daß er ihn selbst und ihre Wähler durch List und Verstellung getäuscht habe. Daran knüpft sich die Selbstverteidigung des Chrysostomus, die ihrer äußeren Form nach eine Rechtfertigung des ganzen Verhaltens dem Freunde gegenüber sein soll und in den beiden Momenten gipfelt, einmal daß im vorliegenden Falle die angewandte List nicht verwerflich, sondern erlaubt, sogar geboten gewesen sei, weil dadurch ein so durchaus tüchtiger und nach jeder Richtung hin geeigneter Mann wie Basilius für das Bischofsamt gewonnen worden, sodann daß er selbst mit vollem Recht, ja notwendigerweise sich der in Aussicht stehenden Bischofsweihe durch die Flucht entzogen habe, weil ihm die erforderlichen Eigenschaften hierzu fehlen würden. Art und Zweck der Verteidigung bieten Chrysostomus dabei die erwünschte Gelegenheit, seine tiefe Auffassung über die Bedeutung, Aufgabe und Verantwortlichkeit des Priester-, bzw. Bischofsamtes eingehend zu entwickeln. Und so bilden seine Erörterungen, die in der Form eines Dialogs sich abspielen, allerdings verhältnismäßig nur wenig von Fragen, Einwendungen und Zugeständnissen des Basilius unterbrochen, ihrem inneren Kerne und ihrem eigentlichen Hauptinhalte nach eine überaus herrliche und treffliche Schilderung der Erhabenheit, Würde und Bürde des Priestertums. In ihnen besitzen wir die allenthalben als bekannteste und berühmteste gepriesene Schrift des hl. Kirchenvaters, seine sechs Bücher über das Priestertum.

      Es drängt sich uns nun zunächst die Frage auf, in welchem Zeitpunkte seines Lebens seitens des Chrysostomus die Niederschrift der angedeuteten Episode und der daran sich anschließenden persönlichen und theologischen Auseinandersetzungen mit Basilius erfolgt sein mochte, d. h. wann literarisch die sechs Bücher über das Priestertum entstanden sind. Wurden dieselben in unmittelbarem Zusammenhange mit den geschilderten Ereignissen, deren genaue Zeitbestimmung ebenfalls Schwierigkeiten macht, oder erst zu einem späteren Zeitpunkte verfaßt?

      In neuerer Zeit wurden sogar manche Stimmen laut, welche überhaupt die Geschichtlichkeit des Untergrundes, von dem Chrysostomus ausgeht, der vorgeführten Geschehnisse und Umstände, in welche der ganze Dialog so lebenswarm gewissermaßen eingebettet ist, zu leugnen geneigt sind, vielmehr eher der Annahme einer schriftstellerischen Fiktion das Wort reden.

      Als erster hat eine dergestalt formulierte Hypothese im Gegensatze zu der bis dahin immer und überall festgehaltenen Historizität aufgestellt K.W.F. Hasselbach20 im Vorwort zu seiner 1820 erschienenen deutschen Übersetzung der sechs Bücher vom Priestertum. Ihm schlossen sich an P. G. Lomler21, H. Jakoby22, J. Volk23, S. Colombo24, die beiden letzteren in ausführlicher, die Auffassung Hasselbachs beträchtlich modifizierender Begründung. Während Hasselbachs, bzw. Volks Hypothese ausdrücklich A. Neander25, A. Cognet26 und J. A. Nairn27 entgegentraten, hat der Benediktinerpater Chrys. Baur28in seiner dankenswerten Chrysostomus-Bibliographie zugestanden, daß die Idee, an eine literarische Fiktion zu denken, etwas Verführerisches an sich habe und ohne Zweifel verdiene, näher in Betracht gezogen zu werden, gleichwie auch O. Bardenhewer im Unterschiede von früheren Auflagen seiner Patrologie in neuester Zeit eine „Nachprüfung“29 der ganzen Frage für notwendig hält, da „die Voraussetzung, daß die das Zwiegespräch motivierenden Umstände wirkliche Geschehnisse darstellen, nicht unbestritten” sei30. Dezidierter sprechen sich die Herausgeber der fünften Auflage von W. Christ’s Geschichte der griechischen Literatur, O. Stählin und W. Schmid, unter Berufung auf S. Colombo dahin aus, daß „die ganze Erzählung wahrscheinlich nur literarische Fiktion ist“31. G. Ficker hält sogar den Beweis hierfür durch S. Colombo für erbracht, so „daß die darin erzählten Fakten nicht für die Lebensgeschichte des Chrysostomus verwandt werden dürfen32. Auch des P. Chrys. Baur Standpunkt lautet neuestens in seiner Allgemeinen Einleitung zu des hl. Chrysostomus ausgewählten Schriften in vorliegender Bibliothek der Kirchenväter bestimmter und dezidierter dahin, daß „die Geschichtlichkeit der angeblichen Veranlassung zum De Sacerdotio sich schwer wird aufrechterhalten lassen”33.

      III.

      In der Tat, werden die einzelnen Momente der Situation, auf welcher die Schrift sich aufbaut, etwas genauer unter die kritische Lupe genommen, so begegnen uns auf Schritt und Tritt Schwierigkeiten, die vom Standpunkte berechtigter Kritik mehr als gewöhnliche Bedenken auslösen.

      Zunächst ist es bis jetzt nicht einmal gelungen, die Persönlichkeit des Basilius,den Chrysostomus mit nicht zu überbietenden innigen und warmen Worten seinen besten und vertrautesten Freund nennt, unzweifelhaft historisch sicherzustellen und zu identifizieren. Zwar wurden hierzu nicht wenige Versuche gemacht und verschiedene Hypothesen aufgestellt.

      Der griechische Kirchenhistoriker Sokrates, der um die Mitte des fünften Jahrhunderts schrieb, will, daß Chrysostomus mit Basilius dem Großen, dem späteren Bischöfe von Cäsarea, „vertrauten Umgang gepflogen habe“34. Fast allgemein nimmt man an, daß hierin auch ein Hinweis auf den in „De sacerdotio” genannten Barnims enthalten sein sollte, welche Schrift, wie aus einer weiteren Bemerkung des Sokrates hervorgeht, diesem bekannt war. Unter anderen hat

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