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presste sich die Hände auf ihre zierlichen Ohrmuscheln. Alles an ihr war zierlich und elegant, selbst die Schuppen auf ihren Schultern. Gary am Nachbartisch blieb ungerührt über den Guardian gebeugt, und Marigold neben ihm hörte über Kopfhörer ihre eigene Musik.

      Franny breitete die dünnen Arme aus: „Ich liebe es einfach hier. Ich liebe Europa!“, und Megan rümpfte die Nase: „Ihr Amerikaner macht immer so ein Bohei darum. Was soll eigentlich so toll daran sein?“.

      „Ganz einfach“, sagte Cecilia, während sie ihren Toast mit Messer und Gabel in kleine akkurate Vierecke teilte. „Europa ist der Inbegriff von Kultur. Nirgendwo sonst gibt es so viel Schönheit und so viel Esprit auf so kleinem Raum.“

      „Oh ja - und so viel Grausamkeit und Schmerz und Schande“. Megan legte ihr Sandwich aus der Hand, presste sich zwei Fingerkuppen auf die Oberlippe und schickte den rechten Arm in die Luft. Franny zuckte zusammen, musste dann aber lachen, und auch Garys Mundwinkel hoben sich, obwohl sein Blick auf der Zeitung haften blieb. Mata zog den Kopf ein.

      Cecilia wies mit dem Kinn auf sie, und Megan gab ihr einen freundlichen Klaps: „Nimm es nicht persönlich. Selbst wir Engländer sind mit unserer beschissenen Appeasement-Politik nicht ganz unschuldig daran, dass es so weit kommen konnte.“

      Jetzt sah Gary zu ihnen herüber und schlug energisch seine Zeitung zu: „Also wirklich, Megan! Du kannst doch nicht behaupten, dass England Mitschuld trägt an den Verbrechen des Nationalsozialismus. Chamberlain hatte gehofft, auf diese Weise einen Krieg zu verhindern. Natürlich war das idiotisch, aber trotzdem haben die Deutschen das ganze Grauen schön alleine verbrochen.“ Er stand auf und kramte eine zerknitterte 5-Pfund-Note aus seiner Hosentasche, die er vor Marigold auf den Tisch warf. Sie zog sich verdutzt die Kopfhörer aus den Ohren.

      „Zahl Du bitte für mich mit, ich hab´s eilig. Wir haben gerade verdammt viel Arbeit mit dem neuen Katalog“. Er stapfte ohne ein weiteres Wort die Stufen hinauf zum Gehweg, und sie sahen dabei zu, wie seine ausgebeulte Flanellhose mit den Turnschuhen über die Pfützen sprang.

      Marigold nahm den Geldschein an sich und verkabelte sich wieder. Cecilia fixierte Megan, die abwehrend die Hände hob: „Was? - Ich habe nichts gemacht!“.

      Eine zarte Falte erschien auf Cecilias Stirn.

      „Er hat ja recht“, warf Mata leise ein.

      „Recht oder nicht recht - Gary ist ein selbstgefälliger Mistkerl. Und du, Megan, bist zwar meine beste Freundin, aber trotzdem ein Trampel. Warum hälst Du nicht einfach mal den Mund?“

      Megan kippelte mit ihrem Stuhl nach hinten. „Du bist ganz schön hart mit mir. Fast wie Kruppstahl.“ Sie grinste.

      Cecilia zog scharf die Luft ein und Mata blickte zu Franny, die still mit dem Strohhalm in ihrer Seven-Up-Dose rührte. Jetzt machten die Stuhlbeine unter Megan ein verdächtiges Geräusch, und sie ließ sich wieder nach vorne fallen: „Also gut, es tut mir leid. Zufrieden?“ Sie fuhr sich über die Borsten auf ihrem Kopf. „Hat wenigstens jemand ´ne Fluppe für mich?“.

      An Freitag trat Cecilia an Matas Schreibtisch und erklärte, dass sie mit Megan und Franny vor dem Wochenende immer auf einen Drink gehen würde, in einen Pub an der Great Windmill Street… Oh ja, Mata hatte Lust, sie zu begleiten, und so traten sie diesmal gemeinsam in den milden Augustabend hinaus. Über den Dächern lag hellviolettes Licht, und im Park gegenüber spielte jemand auf einem Dudelsack. Megan kaufte bei dem Zeitschriftenhändler am Ende der Straße den Evening Standard und eine Rolle Pfefferminz, und dann wandten sie sich mit ihren Bonbons im Mund Richtung Oxford Street, um kurz darauf in die belebten Straßen Sohos einzutauchen. Mata ließ sich für einen Moment hinter die anderen zurückfallen, schob den Ärmel ihres Pullovers hoch und zwickte sich vor Glück.

      II

      Die Abende waren kühler geworden, aber Megan trug immer noch keine Strumpfhose zu ihrem Strickmini. Und auch der Pub war noch nicht sehr besucht, als sie mit Franny und Mata eintrat, und sie fanden problemlos drei Plätze an der Bar. Tom nickte ihnen von der anderen Seite her zu und stellte die Zutaten für ihre Bloody Mary bereit. Megan redete fast ununterbrochen und klatschte sich mit den Händen auf die Gänsehaut, die ihre Oberschenkel überzog, wenn sie einen ihrer Witze besonders gelungen fand: „Was glaubt ihr, was der alte Sack da drüben in seiner hässlichen Tasche hat? – Die Windeln für die Kleine da neben ihm!“.

      Franny hörte schon jetzt nicht mehr auf zu kichern, und Mata warf ihr einen besorgten Blick zu. Sie vertrug nicht viel Alkohol und war ihnen neulich sogar hier vom Barhocker gerutscht.

      „Da kommt ja unser Sloane Ranger!“, rief Megan jetzt. Sie gab Tom ein Zeichen, dann zog sie ihre Freundin zu sich heran und blies ihr liebevoll die Schuppen von den Schultern.

      „Tut mir leid, die Verspätung.“ Cecilia löste das Seidentuch von ihrem Hals und steckte es in die Tasche ihres Trenchcoats.

      „Was war denn noch?“. Franny wollte ihren Hocker zur Verfügung stellen, aber Cecilia wischte Angebot und Frage mit einer Handbewegung fort: „Nichts, ich bin nur nicht fertig geworden. Erzähl mir lieber, was bei Euch heute los war. Spiders Bellen war ja bis in den zweiten Stock zu hören.“

      Franny lief rot an. „Sie hat erfahren, dass Rosalind ein Kind erwartet. Es war schlimm. Und furchtbar peinlich!“.

      „Kann ich mir denken. Peinlich allerdings auch für Rosalind. Sie hat ihre Schwangerschaft ja wohl deshalb offiziell verschwiegen, weil sie noch in der Probezeit ist.“

      „Und wenn schon! Schließlich ist sie mit dem Baby ganz auf sich allein gestellt. Mir zumindest tut sie furchtbar leid.“

      „Mir tut sie auch leid“, warf Mata ein. „Aber ganz korrekt war ihr Verhalten natürlich trotzdem nicht.“

      „Korrekt – was heißt das schon! Ich glaube, ihr versteht ihre Situation nicht ganz.“ Frannys Stimme zitterte.

      Cecilia nahm die Bloody Mary entgegen, die Megan ihr reichte. „Also, ich denke schon, das ich das tue. Aber ich finde trotzdem nicht, dass so etwas zu einer Lüge berech - “

      „Rosalind hat nicht gelogen! Sie hat etwas verschwiegen. Das ist ein Unterschied“. Franny nahm ihren Strohhalm zwischen Daumen und Zeigefinger und saugte lange daran.

      Megan nahm ihr das Glas weg. „Hör auf damit! So knallt das doch noch viel mehr!“.

      Franny wandte sich ab, und trotzdem sahen sie, dass ihr eine Träne über die Wange lief. Sie presste sich die Hände vor die Augen.

      „Verdammt, tut mir leid.“ Megan zog eine Zigarette aus ihrer Schachtel und steckte sie sich an. „Im Übrigen finde ich, dass du Recht hast: Es gibt Situationen, in denen man darauf sch… - pfeifen muss, was richtig ist und was falsch. Natürlich war Rosalind nicht ehrlich, denn etwas bewusst zu verschweigen kommt ja einer Lüge gleich. Aber damit hat sie doch wohl nur für das kleine Wesen sorgen wollen, das bald schutzlos hinter ihr her tapsen wird. Und geht es nicht genau darum im Leben diejenigen zu schützen, die man liebt – ganz egal wie?“.

      Das waren große Worte für Megan, und so betrachtete sie jetzt auch erst einmal ihre abgekauten Fingernägel. Sie alle schwiegen eine Weile inmitten des Stimmengewirrs. Die Bar war inzwischen so belagert, dass der Alte mit seinem Wickelkind dicht neben Mata stand. Dann hielt Megan vier der Nägel hoch, in Richtung Tom. „Ich denke, wir brauchen noch etwas zu trinken – und habe eine geniale Idee: Jede von uns erzählt eine eigene peinliche Geschichte!“.

      Cecilias abwehrende Handbewegung ließ ihre goldenen Armreifen klirren, aber Mata wollte keine Spielverderberin sein: „Ach komm, das ist doch vielleicht ganz lustig…“.

      Es klirrte noch einmal, als Cecilia ihre Arme verschränkte: „Lustig? – dann bitte sehr: Fang Du an“.

      Megan griff das begeistert auf: „Warte, dein Drink ist gleich fertig, den wirst du brauchen. Denn versuch nicht, uns mit Harmlosigkeiten abzuspeisen. Ein bisschen wehtun muss es schon!“.

      Der erste Schluck ihrer zweiten Bloody Mary stieg Mata direkt ins Hirn. Wie

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