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      Gegen 12:30 Uhr kamen sowohl eine Dame mit dem Mittagessen als auch der nicht so sprachfreudige junge Mann in das Krankenzimmer. „Blutabnahme“, erläuterte der Mann meiner Mutter und machte sich am Zugang an ihrem rechten Arm zu schaffen. Leider schien er damit wieder Probleme zu haben. Er schaffte es zwar Blut zu entnehmen, dabei rutschte aber offenbar der Zugang heraus, was einen erheblichen unkontrollierten Blutaustritt zur Folge hatte. Der junge Assistenzarzt, als solchen hatte ich ihn mittlerweile durch einen Blick auf sein Schild an der linken Brusttasche identifiziert, verließ eilig das Zimmer, um kurz darauf mit Verbandsmaterial und einer Schwester im Schlepptau zurückzukehren. Nachdem sie in gemeinsamer Anstrengung die Blutung gestoppt hatten, wechselte die Schwester die Bettwäsche. Während dessen erkaltete natürlich das Mittagessen, das die junge Dame vorhin wortlos auf dem Nachttisch abgestellt hatte. Meine Mutter, die allerdings schon seit längerem über wenig Appetit verfügte, pickte noch etwas lustlos in dem Essen herum, bevor es kurz darauf auch schon wieder abgeholt wurde. Den Joghurt und den Keks, letzteren für mich, rettete ich noch in den Nachmittag.

      Kurz nach 13:00 Uhr kam meine Frau Sarah vorbei. Sie hatte für mich vom Mittagsbuffet ihrer Arbeitsstätte einige Muffins mitgebracht, die ich gierig hinunterschlang. Das Frühstück war bei dem plötzlichen Aufbruch am Morgen natürlich ausgefallen, ein Mittagessen für die Besucher war nicht vorgesehen und in die Cafeteria hatte ich mich nicht getraut, da ich es nicht riskieren wollte, den Arzt und somit die Gelegenheit zu einem aufklärenden Gespräch zu verpassen. Kurz nachdem Sarah wieder zur Arbeit gefahren war, öffnete sich die Tür und eine junge Frau, die sich als für die Station zuständige Assistenzärztin vorstellte, kam in das Zimmer. Nun, es war mittlerweile 14:00 Uhr, erfuhren wir Näheres.

      Bei ihrem Sturz war meiner Mutter ein Knochenstück am linken Ellbogen abgesprungen, was noch als Splitter im verletzten Gewebe steckte. Dieses Knochenstück wolle man operativ wieder am Knochen befestigen, was noch am gleichen Tag geschehen sollte. Die Ärztin erläuterte die für die Operation vorgesehene Methodik anhand eines vierseitigen Dokumentes, dessen Kopie meine Mutter als Bestätigung für die erhaltene Aufklärung unterschreiben musste. Die OP sollte nicht unter Vollnarkose durchgeführt werden. Das war für Marianne anfänglich belastend, jedoch konnten die Ärztin und ich sie schließlich beruhigen und überzeugen, dass sie keine Schmerzen haben würde und auch nicht würde zuschauen müssen. Vor der OP und dafür war die bereits verabreichte Infusion vorgesehen, müsse aber noch das Blut meiner Mutter „verdickt“ werden, damit sie, als Marcumarpatientin, bei der OP nicht zu stark blutete. Die bereits zur Überprüfung erfolgte Blutabnahme habe aber nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt, sodass man sowohl eine weitere Infusion verabreichen, als auch eine weitere Blutabnahme durchführen müsse. Nur hatte meine Mutter seit der Blutabnahme am Mittag ja keinen Zugang mehr. Als ich die Ärztin darauf aufmerksam machte, verließ sie den Raum und kam kurz darauf mit den für den Zugang nötigen Utensilien zurück. Doch trotz offensichtlich geschickter Handhabung des Werkzeuges schaffte sie es nicht, einen neuen Zugang zu legen. Das war offenbar in Anbetracht der physiologischen Voraussetzungen bei meiner Mutter ein Problem. Die Ärztin, Frau Dr. Maternus, holte noch den jungen Assistenzarzt zu Hilfe, ob zum Assistieren oder ihm zu demonstrieren, was er mit der Zerstörung des ersten Zugangs für Probleme verursacht hatte, bleibt dahingestellt. Das Ergebnis: Mangels Zugangs wurde Marianne das gerinnungsfördernde Mittel letztlich per Injektion verabreicht. Der Assistenzarzt brachte daher zur Blutentnahme am späteren Nachmittag sowohl Verbandsmaterial als auch eine Schwester vorsichtshalber gleich mit.

      Der Nachmittag verging mit Kuchen, den ich noch in der Cafeteria besorgt hatte und einem seitens einer Schwester unterstützten Toilettengang mit Warten, bis um ca. 15:30 Uhr der stellvertretende Chefarzt der Chirurgie, Dr. Hansen, vorbeikam. Er erkundigte sich nach dem Befinden meiner Mutter und erläuterte uns noch einmal, dass der erste Test in Bezug auf die Gerinnungsfähigkeit nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hatte, weshalb man nochmals verdicken und testen musste. Während man beim ersten Versuch einen Schnelltest direkt im Hause gemacht hatte, hatte man die zweite Probe in das Labor des Krankenhauses von Bochum gebracht, wo man bessere Analysemöglichkeiten hätte. Auf dieses Ergebnis würde man nun warten. Ich nutzte die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass meine Mutter Parkinson-Patientin war und mit Dr. Kloos eigentlich eine stationäre Aufnahme für das Ende der Woche auf der Neurologie verabredet war. Dr. Hansen bejahte meinen Vorschlag, die Neurologen so bald als möglich mit hinzuziehen und versprach, sich darum zu kümmern.

      Um 17:30 Uhr sollte es dann losgehen. Der junge Assistenzarzt und ein Pfleger kamen herein, um meine Mutter abzuholen. Erschreckt stellte er fest, besser er erinnerte sich, dass meine Mutter ja keinen Zugang mehr hatte. Er bat den Pfleger Frau Dr. Maternus hinzuzuholen. Die Ärzte berieten sich kurz, kamen zu dem Ergebnis vor Ort nichts mehr unternehmen zu wollen und verließen mit dem Hinweis, dass die Anästhesisten in Bezug auf den Zugang mehr Erfahrung und Möglichkeiten haben sollten, den Raum. Der Pfleger schob das Bett meiner Mutter Richtung Operationssaal und ich ging in ihre Wohnung, um während der OP noch einige Dinge zu regeln bzw. zu holen.

      Nach gut 90 Minuten war ich zurück im Krankenhaus. Marianne war noch nicht wieder auf dem Zimmer. Sie war offenbar noch im OP. Aber ich brauchte nicht lange zu warten. Kaum hatte ich die restlichen Sachen in den Spind geräumt und wollte anfangen zu lesen, als man sie in das Zimmer zurückbrachte. Sie schlief. Ich erkundigte mich im Stationsstützpunkt nach dem Verlauf der OP und bekam mitgeteilt, dass es keine besonderen Instruktionen gab. Das wertete die Schwester als Indiz, dass alles planmäßig verlaufen wäre. Genaueres könne ich morgen von den Ärzten erfahren. „Wann wäre denn ein geeigneter Zeitpunkt oder eine Sprechstunde?“, fragte ich.

      Eine Sprechstunde gäbe es nicht und wann die Ärzte auf der Station sein würden, könne sie auch nicht sagen. „Wann ist denn die Visite?“, fragte ich schließlich. „Üblicherweise zwischen 7:00 und 8:00 Uhr, das Zimmer Ihrer Mutter ist am Ende des Ganges, also bei ihr eher gegen 8:00 Uhr.“ Ich bat die Schwester, meine Mutter von mir zu grüßen und ihr mitzuteilen, dass ich sie nicht habe wecken wollen und deshalb nach Hause gefahren wäre. Es war gegen 20:30 Uhr, das hieß nach ca. 13 Stunden verließ ich das Krankenhaus, um in gut 10 Stunden wieder vor Ort zu sein.

      Donnerstagmorgens, noch vor 7:00 Uhr war ich wieder im Krankenhaus. Zu früh? Wahrscheinlich ja, aber ich wollte meine Chance auf keinen Fall verpassen. Meine Mutter sah ziemlich mitgenommen aus. Meine Frage, ob sie Schmerzen hätte, konnte sie offenbar gar nicht beantworten. Ich holte mir einen Kaffee und wartete, mich mit einem Buch ablenkend, auf die Visite. Schon kurze Zeit später, es war gerade 7:20 Uhr, kam die Visite.

      Die OP war planmäßig verlaufen. In ca. fünf Tagen, also zum Beginn der nächsten Woche würden die Drähte mittels derer das abgebrochene Knochenstück wieder fixiert wurde, entfernt. Danach könne meine Mutter entlassen werden. Ich wies darauf hin, dass ich, bevor meine Mutter nach Hause zurückkehrt, gewisse Vorkehrungen treffen müsste, da sie wegen ihrer Parkinson-Symptome nicht allein leben könne. Dafür würde ich mindestens fünf Tage benötigen. „Bezüglich des neurologischen Zustandes kann ich nichts sagen“, sagte Dr. Hansen, und bemerkte anschließend, dass er die Neurologie kontaktiert hätte und sich ein Kollege meine Mutter ja zeitnah ansehen würde.

      Ich blieb noch zum Frühstück und versuchte Marianne zu motivieren, wenigstens ein wenig zu essen. Mit mäßigem Erfolg. Frustriert verließ ich das Krankenhaus und fuhr nach Hause, um für die Zeit nach ihrer Rückkehr eine Pflegekraft zu organisieren. Per Mail sandte ich eine Anfrage an Frau Kolinek, die Inhaberin einer Vermittlungsagentur für polnische 24-Stunden-Pflegekräfte. Den Kontakt zu und den Kontrakt mit Frau Kolinek hatte ich bereits im letzten Jahr gemacht, als Marianne bereits einmal entsprechende Unterstützung benötigte. Natürlich auch dazu später mehr. Ich schilderte Frau Kolinek die Verfassung meiner Mutter und informierte sie auch über die unklaren Rahmenbedingungen bzgl. der Dringlichkeit beziehungsweise des Startzeitpunktes für den Beginn der Pflege. Frau Kolinek sagte zu, mir baldmöglichst einige Vorschläge für infrage kommende Pflegerinnen zu machen.

      Kurze Zeit später klingelte mein Telefon. Meine Mutter war am Apparat. Es schien ihr besser zu gehen, jedenfalls warf sie mir energisch vor, ihr keine geeignete Kleidung in das Krankenhaus gebracht zu haben. Meine Entgegnung ich hätte doch etliche T-Shirts, Pullover, Unterwäsche etc. im Schrank deponiert, konterte sie mit dem Satz: „Da ist nichts.“

      Und

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