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werden sollte.“ Hier scheint sich eine interessante Perspektive zu eröffnen.

      Ferdinand Laeisz (1801–1878) war der Gründer der bis heute bestehenden Reederei. Diese Fotografie entstand 1867.

      Als er auf dringenden Wunsch seiner Mutter am 24. März 1824 in die Heimatstadt zurückkehrt, übernimmt er aber erst einmal pflichtgemäß den „kleinen Handel mit holländischen Waaren“ im elterlichen Laden in den Kleinen Mühren 105. Das Geschäft läuft allerdings in dieser Zeit mehr schlecht als recht, und so erinnert er sich an die Zylinderhüte, die vor allem in farbigen Varianten gerade schwer angesagt sind. Sie werden mit Velpel, einem pelzartig anmutenden Seidensamt, bespannt. Da Ferdinand Laeisz geschickte Hände hat, fällt es ihm nicht schwer, solche Zylinder herzustellen. Eine richtige Werkstatt hat er zunächst nicht, er produziert die Hüte in seinem Elternhaus. Das befindet sich in der zwischen Rödingsmarkt und Alsterfleet gelegenen Herrlichkeit. Heute ist die einst recht noble Straße von einem Parkhaus überbaut. „Ich ging mit aller Macht an die Arbeit, so dass ich im Laufe des ersten Jahres kaum zehn Sonntage unbeschäftigt war und mir auch nachts nur den nötigsten Schlaf gönnte. Ich arbeitete deshalb so anstrengend, weil man allgemein der Meinung war, dass es mit den seidenen Hüten als einem Artikel vorübergehender Mode bald wieder vorbei sein würde, und auch weil ich keinen Gehilfen finden konnte, welcher sich auf die Arbeit verstand“, schreibt Laeisz in seinen Erinnerungen. Aber er täuscht sich, denn die Zylinder verkaufen sich nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft so gut, dass die ortsansässigen Hutmacher die Stirn runzeln und sich überlegen, was man gegen diese neue Konkurrenz tun kann. Doch der junge Mann kennt die Spielregeln und nimmt den alteingesessenen Handwerkern buchstäblich den Wind aus den Segeln, indem er sich als Hutmacher offiziell anlernen lässt. Am 26. Mai 1826 legt er einer Kommission sein Meisterstück vor, an dem partout nichts auszusetzen ist. Außerdem heiratet er nur wenige Tage später Johanna Ulrike Catharina Kreutzburg, deren Vater ein Ältermann des Hamburger Hutmacheramtes ist – und zuvor gegen den späteren Schwiegersohn Klage geführt hat. Noch im selben Jahr erwirbt Ferdinand Laeisz das Hamburger Bürgerrecht. Nun kann niemand mehr etwas dagegen haben, dass er einen florierenden Handwerksbetrieb unterhält.

      Vater, Sohn und Enkel machten im Lauf des 19. Jahrhunderts aus einer kleinen Firma eine Reederei von Weltruf: Die von dem Hamburger Maler Ernst Eitner gestaltete „Ahnentafel“ zeigt Ferdinand Laeisz, Carl Laeisz und den früh verstorbenen Carl Ferdinand Laeisz.

      Der Hafen von Buenos Aires im 19. Jahrhundert. 1825 exportierte Laeisz erstmalig Zylinderhüte in die argentinische Hauptstadt.

      Hamburg ist in jenen Jahren noch dabei, sich von den Folgen der Napoleonischen Kriege und der „Franzosenzeit“ zu erholen, in der die Stadt von 1806 bis 1814 von Frankreich besetzt und sogar annektiert worden ist. Nachdem die Kontinentalsperre dem Handel extrem geschadet und viele hanseatische Firmen in den Ruin getrieben hat, geht es jetzt wieder bergauf. Zwar ist Deutschland noch immer zersplittert und der Handel wird durch zahlreiche Zollschranken unnötig erschwert, aber durch die Industrielle Revolution, die in England begonnen hat und nun auch den Kontinent nach und nach erfasst, steigt die Warenproduktion und damit auch der wirtschaftliche Druck, Handelsschranken nach und nach zu beseitigen. Mit dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein werden die Weichen in Richtung eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets gestellt, das freilich erst nach der Reichsgründung 1871 vollständig verwirklicht werden kann.

      In dieser von Veränderungen geprägten Zeit kann Ferdinand Laeisz mit der Produktion der farbigen Zylinderhüte gutes Geld verdienen. Zunächst verkauft er diese Luxusartikel vor allem an Hamburger und Bremer Geschäftsleute und Senatoren. Dann kommt er aufgrund des geschäftlichen Erfolgs auf eine neue interessante Idee: „Nachdem ich so viel verdient hatte, dass ich mich auf weiter ausschauende Unternehmungen einlassen konnte, machte ich den Versuch, ein eigenes Geschäft über See aufzusetzen“, erinnert er sich. Er plant nun, die Zylinder ins Ausland zu exportieren, und gibt 1825 eine Ladung davon einem befreundeten Kapitän mit, der mit seinem Schiff nach Buenos Aires fährt. Dort stoßen die Hüte aus Hamburg auf allergrößtes Interesse und sind unter den wohlhabenden Geschäftsleuten sozusagen der letzte Schrei. Der Transport erweist sich allerdings als schwierig, weil die Zylinder ziemlich sperrig sind und in sicherer Verpackung viel Platz beanspruchen. Damit verursachen sie auch hohe Frachtkosten. Mit einem entfernten Verwandten, einem gewissen Bonne, bespricht Ferdinand Laeisz dieses Problem. Man erörtert auch die Bezahlung, die sich mitunter als kompliziert erweist, da die Abnehmer oft nicht das nötige Bargeld zur Hand haben und stattdessen mit den Naturprodukten bezahlen wollen, die damals als Kolonialwaren bezeichnet werden. Aber was soll ein Hutfabrikant damit anfangen? Um an Geld zu kommen, muss er sie verkaufen und diesen Verkauf auch möglichst schnell professionalisieren. Also bietet es sich an, selbst Im- und Export-Kaufmann zu werden – damals ein Beruf mit Zukunft.

      Schließlich kommen Laeisz und Bonne überein, eine Firma in Buenos Aires zu gründen, die einerseits vor Ort produziert, aber auch Hüte – und bald außerdem andere Waren – aus Hamburger Produktion verkauft. Nachdem die Firma Laeisz & Bonne erfolgreich Fuß gefasst hat, expandiert Laeisz in Südamerika mit gleich mehreren Tochterfirmen. Bald gibt es Niederlassungen im brasilianischen Bahia, in Caracas, in Santiago de Chile, in Lima und auf Kuba. Nicht immer hat er mit seinen Partnern vor Ort Glück, so veruntreut der Geschäftsführer der Faktorei in Caracas in Venezuela das Firmengeld und nimmt sich anschließend das Leben. Trotzdem „war der Erfolg ein außerordentlich günstiger“, wie Laeisz zufrieden notiert, denn in Südamerika ist die Nachfrage nach Zylindern made in Hamburg enorm.

      Seinen Namen erhält der Hut aufgrund seines zylindrischen Kopfes, der sich über einer festen Krempe erhebt. Die markante Form stammt aus England, von wo aus der Zylinder sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Kontinentaleuropa verbreitet und bald als Symbol des gutsituierten Bürgers gilt. Da man sich in Südamerika gern an der europäischen Mode orientiert, ist dieser Hut dort sehr gefragt.

      Das erste Reiseziel der Brigg CARL ist Rio de Janeiro, hier auf einem Gemälde des brasilianischen Malers Alessandro Cicarelli aus dem Jahr 1844 (Ausschnitt). Zur Ladung gehören Zylinderhüte, die bei modebewussten Herren Mitte des 19. Jahrhunderts enorm begehrt sind.

      LAEISZ WAGT SICH AUFS MEER

      Die schwierigen Anfänge der Reederei

      Ende der 1820er-Jahre ist Ferdinand Laeisz das, was man heute als erfolgreichen Start-up-Unternehmer bezeichnen würde. Auch privat geht es ihm gut, am 27. April 1828 wird sein Sohn Carl Heinrich geboren, was sein „häusliches Glück dauernd begründet“. Es wird freilich sein einziges Kind bleiben. 1839 geht Ferdinand ein Wagnis ein, indem er der Lübecker Werft J. Meyer den Auftrag zum Bau eines eigenen Schiffs erteilt. Es soll eine Brigg sein, also ein Zweimaster, der mit 96 Commerzlasten vermessen wird, was etwa 220 Bruttoregistertonnen entspricht. Es ist ein ansehnliches Schiff, das auch seinen Preis hat. 42 000 Mark Banco kostet der Segler, der 1840 fertig ist. Sehr wahrscheinlich ist der damals zwölf Jahre alte Carl Laeisz stolz, denn das Schiff trägt seinen Namen. Nun kann sich Ferdinand Laeisz auch als Reeder fühlen, hat damit aber am Anfang anscheinend nicht sonderlich viel Glück. Von der Brigg CARL sind nur zwei Reisen bekannt, von der die erste nach Recife und nach Rio de Janeiro führt, während die zweite Guayaquil zum Ziel hat, den wichtigsten Hafen von Ecuador. Die Ladung besteht aus Stückgut und – natürlich – aus Zylindern mit farbigem Seidenbezug.

      Höchstwahrscheinlich hat die CARL auch noch weitere Reisen unternommen, nur sind deren Ziele nicht überliefert worden. Offenbar ist das Schiff für Laeisz nicht besonders profitabel. Und das dürfte zum Teil auch daran liegen, dass das Aufnehmen und Löschen von Ladung in dieser Zeit noch eine recht mühselige Angelegenheit ist, die von der Mannschaft mit Muskelkraft erledigt werden muss.

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