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Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma?. Julia Klein
Читать онлайн.Название Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma?
Год выпуска 0
isbn 9783828875524
Автор произведения Julia Klein
Жанр Социология
Серия Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Sozialwissenschaften
Издательство Bookwire
Den Autoren des Neuen Terrorismus werden in der Metadiskussion neben dem Wunsch nach wissenschaftlicher Erkenntnis auch weitere Absichten unterstellt, die sie dazu verleiten einen Paradigmenwechsel in der Terrorismusforschung zu unterstützen. Martha Crenshaw richtet hierbei Vorwürfe explizit in Richtung der wissenschaftlichen Gemeinde. Sie unterstellt einigen Autoren, vor allem aber Anfängern, eine absichtliche Eingrenzung des Untersuchungsbereichs. Die zeitliche Eingrenzung auf den Zeitraum nach 1990 und die Fokussierung auf die Religion als alleinige erklärende ideologische Variable sieht sie als Ausweg um sich nicht mit dem gesamten komplexen Phänomen des Terrorismus auseinander setzen zu müssen. Den Grund für politische Akteure auf das Bild des Neuen Terrorismus zurückzugreifen sieht sie ebenfalls im Bereich der Komplexitätsreduktion. Das Zurückgreifen auf einfache Metaphern und Analogien, wie sie häufig bei der Beschreibung des Neuen Terrorismus verwandt werden, erspare diesen Akteuren Zeit und Energie in einer komplexen Informationswelt.146
Der häufigste Vorwurf der den Autoren des Neuen Terrorismus jedoch gemacht wird, ist die politische Erwünschtheit des Paradigmenwechsels. Das Szenario des Neuen Terrorismus impliziert das Bild einer in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen Bedrohung, die nach entsprechenden Gegenmaßnahmen verlangt. Der Neue Terrorismus bietet ein präzises und bedrohliches Feindbild eines global agierenden, wahllosen und unverhandelbaren Terrorismus, der einen neuen globalen Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt. Der Zuschauer wird damit von der Notwendigkeit der Maßnahmen überzeugt, um die Legitimation für eine Ressourcenerhöhung der einzelnen Akteure zu erreichen. Es würden hierbei sogar direkte militärische Aktionen oder die Einschränkung von Freiheitsrechten legitimiert.147 Alexander Spencer sieht hierbei einen direkten Zusammenhang zwischen der Propagierung eines Neuen Terrorismus und den gewählten Terrorismusbekämpfungsstrategien und nennt die Besetzung des Iraks und die Ausweitung der Polizeibefugnisse auf eine Shoot-to-kill Strategie der Polizei in Großbritannien als Beispiele für Terrorismusbekämpfungsstrategien, die weder „democratically debated, publicly discussed, independently monitored or even necessary“148 sind.149
Die Vorwürfe an Autoren und politische Akteure, einen Paradigmenwechsel bewusst herbeigeführt zu haben, bleiben bei einigen Autoren nicht nur wage, sondern richten sich an konkrete Institutionen und Personen. Thomas Copeland listet zum Beispiel für die USA eine Reihe von Institutionen auf, denen er unterstellt durch die Etablierung des Paradigmas die eigenen Ressourcen zu erhöhen bzw. die eigene Existenz weiterhin zu rechtfertigen. Zu diesen Institutionen zählt er proaktive Institutionen wie die CIA und die NSA, reaktive Institutionen wie die Federal Emergency Management Agency oder das State Department’s Foreign Emergency Support Team, aber auch Institutionen, die sich mit einem hoch technologisierten Terrorismus auseinandersetzen wie die Air Force oder die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency).150 Den Vorwurf an Analysten und politische Akteure, ein Interesse an der Verbreitung des Forschungsparadigmas des Neuen Terrorismus zu haben, formuliert er im Jahr 2001 nach den Anschlägen des 11. September sehr deutlich: „Key proponents of the paradigm include the analysts at places like the Center for Strategy and International Studies and the RAND Corporation (home to Laqueur and Hoffman respectively), who influence both mid-level bureaucrats (at CIA, State, and DOD, whose job it is to defend against terrorism), and the policy makers who decide how to spend the government’s counter-terrorism money.“151
Ähnlich wie Thomas Copeland sehen Jonny Burnett und Dave Whyte die Schlüsselrolle in der Verbreitung des Forschungsparadigmas bei der RAND Corporation. Besonders den Autoren, die im Umfeld der RAND Corporation tätig sind, unterstellen sie auf Grund ihrer Abhängigkeit von der Institution in einen Konflikt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und erwünschten Ergebnissen geraten zu sein. Zu diesem „Nexus“ zählen sie vor allem die Autoren Bruce Hoffman, Brian Michael Jenkins, Magnus Ranstorp, Paul Wilkinson, das Center for Studies in Terrorism and Political Violence (CSTPV) der University of St. Andrews und die Zeitschriften „Terrorism and Political Violence“ und „Studies in Conflict and Terrorism“. Als kritisch an diesem engvernetzten Forschungspool sehen sie aber vor allem die teilweisen Überschneidungen von Personal der RAND Corporation und der ehemaligen US-Regierung unter Georg W. Bush.152 Auch die direkten und indirekten Beteiligungen an militärischen und geschäftlichen Aktivitäten im Irak während der Zeit der US-amerikanischen Besatzung lassen Jonny Burnett und Dave Whyte von einer „Embedded Expertise“ sprechen und feststellen, dass „… an effect of being embedded is that research cannot be regarded as objective scholarship in a traditional sense.“153
Nimmt man sich des Vorwurfs von Thomas Copeland, Jonny Burnett und Dave Whyte der politischen Verflechtung an und beleuchtet die Verbindungen der identifizierten Autoren des Diskurses zu wissenschaftlichen, politischen und militärischen Einrichtungen, fallen vor allem sechs Namen dabei auf: Bruce Hoffman, Brian Michael Jenkins, Paul Wilkinson, Steven Simon, Daniel Benjamin und Paul L. Bremer. Bruce Hoffman war von 2001 bis 2004 Direktor des RAND Büros in Washington D.C. und gleichzeitig Vizepräsident für außerbetriebliche Angelegenheiten als auch geschäftsführender Direktor des Center for Middle East Public Policy (CMEPP) im Jahr 2004.154 Brian Michael Jenkins ist aktuell noch Senior Adviser des Präsidenten der RAND Corporation nachdem er von 1972–1998 Vorsitzender des Political Science Department bei der RAND Corporation war.155 Auch Paul Wilkinson hatte unter anderem über das Center for the Study of Terrorism und Political Violence (CSTPV), welches er gemeinsam mit Bruce Hoffman 1994 an der University of St. Andrews gründete, Verbindungen zur RAND Corporation. Die University of St. Andrews und die RAND Corporation verband nicht nur die Personalie Bruce Hoffman, sondern auch die gemeinsame RAND-St. Andrews Database, die eine Vorgängerversion der Terrorism Incident Database war und ursprünglich von Brian Michael Jenkins im Jahr 1970 ins Leben gerufen wurde.156
Darüber hinaus müssen auch die identifizierten Autoren Steven Simon, Daniel Benjamin und Paul L. Bremer aufgrund Ihrer Lebensläufe nicht nur als Wissenschaftler und Journalisten sondern auch selbst als Teile des politischen Systems bewertet werden. Paul L. Bremer war unter Präsident Ronald Reagan bereits in wichtigen politischen Positionen tätig. Nach zwei Jahren als Executive Secretary des U.S. Department of State wurde er Botschafter in den Niederlanden, Sonderbotschafter für Counterterrorism and Coordination for Counterterrorism und Direktor des Bureau of Counterterrorism. Unter Präsident Bill Clinton wurde er dann noch zum Vorsitzenden der National Commission on Terrorism ernannt und führte schließlich im Jahr 2003 als oberster Verwalter die Übergangsverwaltung (Coalition Provisional Authority – CPA) im Irak an.157 Der Journalist Daniel Benjamin war von 2009 bis 2012 unter der Außenministerin Hillary Clinton Sonderbotschafter und Coordinator for Counterterrorism im U.S. Department of State nachdem er bereits in den neunziger Jahren unter Präsidenten Bill Clinton zuerst als Nationaler Sicherheitsberater und anschließend als Direktor für transnationale Bedrohungen im Sicherheitsrat der USA tätig war.158 Auch der Terrorismusexperte Steven Simon, der mit Daniel Benjamin zu den Autoren gehörte, die das Forschungsparadigma des Neuen Terrorismus immer wieder zu einem Thema Ihrer (auch gemeinsamen) Veröffentlichungen machten, blickt auf eine lange Karriere in der US-amerikanischen Politik zurück. Er war viele Jahre im U.S. Department of State tätig und bereits in den neunziger Jahren Direktor für globale Angelegenheiten und anschließend Senior Direktor für transnationale