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Vollmilchschokolade und Todesrosen. Franziska Dalinger
Читать онлайн.Название Vollmilchschokolade und Todesrosen
Год выпуска 0
isbn 9783862567416
Автор произведения Franziska Dalinger
Издательство Bookwire
Es fühlt sich gut an. Nicht mehr unsichtbar zu sein, sondern ... dazuzugehören. Das Leben ist viel aufregender, viel bunter. Mit Mandy befreundet zu sein bedeutet, dass ich auf einmal ganz viele Freunde habe. Dass Leute mit mir reden, die mich vorher nicht einmal wahrgenommen haben.
Denn Mandy ist bei allen beliebt, sogar bei den Lehrern. Sie hat so ein Lächeln, dass niemand ihr böse sein kann. Kein Lehrer würde glauben, dass sie ständig mogelt und nie ohne Taschenrechner oder Zettel oder Notizen auf den Armen in eine Klassenarbeit geht. Mandy ist immer tipptopp vorbereitet. Und wenn sie doch einmal bei irgendetwas erwischt wird, ist sie so charmant, dass sie jeden um den kleinen Finger wickelt. Seit sie bei uns in der Klasse ist, habe ich mir gewünscht, ihre Freundin zu sein, denn Mandy ist nicht nur bei uns, sondern sogar in der ganzen Schule angesagt. Sie ist natürlich sofort Klassensprecherin geworden und macht bei allen möglichen Schulprojekten mit. Irgendwie schafft sie es, überall dabei zu sein.
Als ich mein Rad aufschließe, sehe ich Gina und Rosi zum Bus gehen, drei Meter hintereinander. Die beiden sind ebenfalls in unserer Klasse, aber sie könnten genauso auf dem Mars leben. So fremd sind sie mir. Außerirdische. Ich weiß, wie das ist, wenn man sich fühlt, als käme man von einem anderen Planeten. Auf keinen Fall will ich dorthin zurück. Oh Mann, die zwei haben keine Ahnung, wie es ist, Freundinnen zu haben. Sie könnten ja wenigstens miteinander reden. Aber nicht einmal das bringen sie fertig.
Ich imitiere Ginas Gang, während ich mein Rad in Richtung Straße schiebe. Leicht nach vorne gebückt, die Schultern hochgezogen wie bei einer Schildkröte, den Blick fest auf den Boden gerichtet.
»Das ist Gina!« Mandy lacht.
Dann runzele ich die Stirn, so wie Rosi es immer macht, und verziehe missbilligend den Mund. Die anderen schütten sich aus vor Lachen.
»Rosi, wie sie leibt und lebt. Oh Messie! Wie machst du das bloß?«
Keine Ahnung. Da kommen ein paar Gänse und ich wackele ein bisschen mit dem Hintern und Mandy lacht wieder. Ich kann ziemlich gut Leute nachmachen.
Lisa-Marie, unsere Klassen-Obergans, wirft uns einen angewiderten Blick zu und stakst weiter in Richtung Bushaltestelle. Mandy weint fast vor Lachen.
»Mach noch mal so ein Gesicht, wie eben«, sagt sie und nimmt mich mit ihrem Handy auf. »Guck mal.« Sie zeigt mir, wie ich herumhampele. »Man sieht sofort, wer das sein soll. Wie machst du das bloß?«, fragt sie schon wieder, und innerlich werde ich ganz rot vor Glück. Äußerlich bleibe ich cool.
»Ganz einfach«, sage ich. »Lisa-Marie, die geht ... so. Und Sarah ... so. Und das ist ... na, kommst du drauf?«
Ich stell mein Fahrrad ab, denn jetzt brauch ich beide Hände, um damit in der Luft herumzuwedeln, als wollte ich mich festhalten, falls ich abstürze.
Mandy prustet los. »Nee ... die Dogge?«
Frau Doggermann ist unsere Biologielehrerin. Die immer sehr viel Platz für ihre Hände und Ellenbogen braucht; es ist lebensgefährlich, zu nahe neben ihr zu stehen.
»So, jetzt muss ich los«, meint Mandy, als an der Bushaltestelle der Wagen ihrer Mutter hält. Mandy wird immer abgeholt. Ich dagegen muss strampeln. Wo bleibt Steffi? Normalerweise fahren wir zusammen, da sie nicht weit von mir wohnt. Seit ich Mandys Freundin bin, bin ich natürlich auch Steffis Freundin und muss daher selten alleine fahren, so wie früher.
Drei Sorten Mädchen gibt es in unserer Klasse. Die Unsichtbaren. Die Gänse. Und Mandys Clique. Es hat für mich nie einen Zweifel gegeben, zu welcher Gruppe ich gehören wollte. Ich würde bestimmt nicht bei den beiden schüchternen Ausgestoßenen sitzen. Früher blieb mir ja nichts anderes übrig. Da saß ich bei ihnen und schämte mich zu Tode. Zwischen Gina, der Intelligenzbestie, die wie eine typische Streberin aussieht, mit altmodischen Klamotten und einer dicken Brille, und der runden Rosi, die mit den Pickeln und der Zahnspange, und die ist nicht mal in der Schule gut. Keine Ahnung, ob die überhaupt irgendwas kann. Interessiert mich auch nicht. Und an der größten Clique, die allesamt Topmodel werden wollen und auf hohen Schuhen durch die Flure staksen, habe ich ebenfalls kein Interesse. Abgesehen davon, dass ich bei ihnen auch nicht so gut ankomme. Wenn man nicht genau dieselben Klamotten trägt wie sie, hat man bei denen nichts zu suchen.
Mandy ist da anders. Sie kann sich über das lustig machen, was man anhat, klar. Aber im nächsten Moment ist das wieder völlig unwichtig und da zählt nur, dass man witzig ist oder ganz gut singen kann. Wer man als Mensch ist. Und ich kann witzig sein, echt, aber das merkt man nur, wenn ich mich traue, nicht unsichtbar zu sein. In Mandys Nähe kann ich das. Da sage ich manchmal einfach so, was mir gerade einfällt, und wundere mich, wenn alle lachen. Als ich noch nicht Mandys Freundin war, hätten sie nicht gelacht, sondern mich nur angestarrt, nach dem Motto: Was will die denn? Aber jetzt, zum ersten Mal in meinem Leben, kann ich einfach sein, wer ich bin.
Mein zweiter Traum ist ... mein zweiter Traum geht gerade an uns vorbei zum Bus.
»Hey, Tom!«, ruft Mandy.
Er wirft ihr kurz einen Blick zu, ohne mich überhaupt wahrzunehmen.
»Hi, Mandy«, sagt er.
Nur wenn ich seine Stimme höre, bekomme ich wackelige Knie.
Tom ist einfach ... Tom.
»He, wie läuft’s?«, fragt sie und macht dabei ein Gesicht, als wären sie die besten Freunde.
Ich könnte jetzt eifersüchtig sein, aber ich weiß, dass zwischen ihnen nichts ist. Nicht mehr.
Die beiden sind früher ein Paar gewesen, aber es hat nicht lange gehalten. Zum Glück, finde ich. Wenn Mandy hinter Tom her wäre, hätte ich überhaupt keine Chance. So aber kann ich weiterträumen: davon, Tom zu küssen.
Tom, den coolsten, den bestaussehenden Jungen der ganzen Stadt. Für mich jedenfalls. Ich habe schon etwa hundertzwölf Gedichte über ihn geschrieben, die er niemals zu Gesicht bekommen wird. Er geht aufs Gymnasium und ist schon achtzehn, eigentlich gar kein Junge mehr. Er wirkt ganz schön erwachsen. Tom mit den unglaublich schönen blauen Augen und den schwarzen Haaren. Eine seltene Kombination, die ich unwiderstehlich finde. Bei uns in der Albert-Schweitzer-Realschule, wo er bis zur zehnten Klasse war, haben ihn sämtliche Mädchen angehimmelt, und es gab einen Tränenausbruch von den Ausmaßen eines Tsunami, als er aufs Gymnasium gewechselt ist. Die Lehrer dagegen waren erleichtert, denn sie fanden ihn zu vorlaut und frech.
Tom hat so eine Art, Mädchen anzuschauen, dass alle dahinschmelzen. Ich bilde mir jedenfalls ein, dass es den anderen genauso geht wie mir. Ich bekomme wackelige Knie, wenn ich ihn nur von weitem auf dem Schulhof sehe. Wenn er mich anlächeln würde, wäre ich im siebten Himmel. Aber er weiß nicht einmal, dass es mich gibt. Doch ich habe vor, das zu ändern. Schon bald. Vielleicht bin ich früher jemand gewesen, der nur träumt und weiß, dass das Wunder nie eintrifft. Mittlerweile bin ich ganz gut darin, die Dinge zu bekommen, die ich will.
Ich werde schon einen Weg finden, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Jetzt, wo ich Mandys Freundin bin, scheint alles möglich. Vielleicht kann sie mir sogar ein paar Tipps geben, was Tom angeht. Bisher hab ich mich noch nicht getraut, sie zu fragen.
Das Leben kann so spannend sein, wenn man ein paar Träume hat und bereit ist, dafür einiges zu riskieren.
»Starr ihm nicht so hinterher, Messie«, befiehlt Mandy. »Müsstest du nicht längst zu Hause sein?«
Sie hat recht. Wie immer. Nur dass sie sich von Tom getrennt hat, ist in meinen Augen ein Fehler. Wie kann man so jemanden gehen lassen?
Aber eigentlich ist es beruhigend, dass selbst jemand wie Mandy Fehler macht. Beruhigender als Lavendelschokolade.
Ich hasse dich. Hasse, hasse, hasse dich.
Dachtest wohl, ich merke nichts. Vermutlich ist es dir aber einfach egal.
Du tust so, als würdest