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Resi Trautners Lebensroman. Anny von Panhuys
Читать онлайн.Название Resi Trautners Lebensroman
Год выпуска 0
isbn 9788711570319
Автор произведения Anny von Panhuys
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er bedachte nicht mehr, dass er Erna Faber kaum kannte, er bedachte nicht mehr, dass er doch eigentlich viel zu alt für ihre frische Jugend war, er gehorchte nur dem seligen Augenblick, in dem er sich jung fühlte und glücklich und masslos verliebt.
Diese blütenjunge, zarte Schönheit trug ihm ihr Herz, ihre ganze sieghafte, blonde Knospenschönheit auf den Händen entgegen, wie hätte er da widerstehen können?
Seine Arme umschlangen das zierliche Persönchen, seine Lippen suchten und fanden den rosigen Mund.
Frau Doris, die eben wiederkehrte, verharrte wie erstarrt im Türrahmen. Ja, träumte sie denn? Wahrheit konnte es doch nicht sein, was ihre Augen sahen.
„Erna!“ rief sie erschrocken, und ihre Stimme schlug über. Da löste sich das Mädchen in holdester Verwirrung aus den Armen des Mannes und eilte auf die Mutter zu.
„Wir haben uns lieb, Mutti, und haben das sehr rasch erkannt. Nicht wahr, du bist nicht böse, du Liebe, Gute?“
Schmeichelnd und rührend sanft klang das Bitten.
Martin Ernstmann empfand mit fast heiligem Schauer, welch ein glückseliger Mann er doch war, dass dieses süsse, unschuldsvolle Wesen sich ihm zu eigen geben wollte. Er trat einen Schritt vor.
„Verehrte Frau Faber, es ist wohl an mir, um Vergebung zu bitten, weil ich mich hinreissen liess —“ seine Augen leuchteten dabei jung und froh, „aber,“ er wies auf Erna, „so viel Lieblichkeit gegenüber ruhig zu bleiben, dazu wollte die Beherrschung nicht langen. Ich liebte Ihr Kind vom ersten Sehen, und Erna geht es mit mir ebenso, ziehen Sie das in Betracht und seien Sie milde.“
Frau Doris hatte, nachdem die erste Ueberraschung vorüber, blitzgeschwind alle Für und Wider überlegt. Alles in allem bedeutete Professor Ernstmann eine glänzende Partie für Erna, nur der Altersunterschied zwischen den beiden stimmte nachdenklich. „Wollen uns setzen und uns ruhig besprechen,“ sagte sie, Erna sanft von sich fortschiebend.
Erna dachte: Um des Himmels willen, keine langen und langweiligen Auseinandersetzungen mehr, das Eisen schmieden, solange es warm ist. Mit weicher, geschmeidiger Bewegung eilte sie von der Mutter auf den Mann zu, und sich an ihn klammernd, bat sie: „Es gibt keine Gründe, uns zu trennen, bleibe standhaft, ich sterbe, wenn ich dich verlieren müsste.“
Der sonst so kühle, ernste Gelehrte war wie benommen. Ernas Worte stiegen ihm zu Kopf gleich starkem Wein, er hätte in diesem Augenblick einer ganzen Welt Trotz geboten, Erna zu erringen.
Aber so schwer ward es ihm gar nicht gemacht, Frau Doris’ Einwand, die Bekanntschaft sei zu kurz, Erna sei noch viel zu jung zum Heiraten, und man müsse vielleicht auch den Unterschied der Jahre bedenken, schlug er mit frohem Lächeln zurück. Erna liebte ihn, das gab ihm jede Sicherheit für eine glückliche Ehe.
Frau Doris liess sich schnell überzeugen, ihr strahlendes Gesicht bewies, wie froh sie über das Ereignis war. Sie sonnte sich schon in dem Gedanken, wie sehr man sie um den berühmten Schwiegersohn beneiden würde.
Sie liess ihren Mann telephonisch „in höchster wichtiger Angelegenheit“ bitten, nach Hause zu kommen, und Oberingenieur Faber kam sofort. Stutzte sehr bei der Neuigkeit, sagte kopfschüttelnd: „Resi hätte eigentlich besser für Sie gepasst,“ gab aber sofort seine Zustimmung. Was hätte er auch gegen Frau und Tochter ausgerichtet?
„Resi hätte besser für Sie gepasst!“ Diese Bemerkung trug ihm später eine Extra-Gardinenpredigt von seiten seiner Frau ein.
Er verteidigte sich. „Ich kann mir nicht helfen, ich bin nun mal der Meinung. Resi ist ein Charakter, hat mehr Bildungsinteresse wie Erna, kurz, ich kann mir sie als Frau Professor ganz gut vorstellen, während mir das blonde Quecksilber in der Rolle ganz unmöglich erscheint. Ich wünsche natürlich von Herzen, dass alles gut klappt, kann dir aber nicht verhehlen, liebe Doris, dass ich nicht daran glaube. Ernas Liebe zu dem Professor steht auf keinen festen Füssen und ist nichts anderes, als eine bunte Einbildungsseifenblase.“
Frau Doris sagte beleidigt, dass Männer im allgemeinen von der Tiefe eines Frauengemüts keine Ahnung hätten und er im besonderen schon gar keine Ahnung hätte, dass sie als Mutter bessere seelische Fühlung mit ihrem einzigen Kinde habe. Da schwieg Gustav Faber. Wenn seine Frau von ihrem „einzigen Kinde“ sprach, war es am besten, man streckte die Waffen.
Resi war einkaufen gewesen, und so erfuhr sie die Neuigkeit erst bei Tisch.
Ahnungslos betrat sie das Wohnzimmer und wunderte sich über das seltsam verhaltene Siegeslächeln Ernas. Was hatte denn die Schwester, hatte der schwache Vater vielleicht wieder ein teures Kleidungsstück bewilligt? Ein Mantel mit Marderpelz war ja Ernas Ziel der Sehnsucht.
Aber auch die Mutter lächelte so seltsam stolz und zufrieden, und der Vater sah ernst und nachdenklich aus. Irgend etwas hatten die drei, irgend etwas, davon sie nichts wusste, und es schien sich doch um mehr als ein Kleidungsstück zu handeln.
Sie blickte auf die Uhr. „Essen wir heute später?“ fragte sie die Mutter.
Frau Doris lächelte. „Jawohl, Resi, wir essen ein wenig später, wir erwarten Professor Ernstmann zu Tisch. Er ist nur schnell zu seinem Vater, um auch ihn zu bitten, heute mittag unser Gast zu sein.“
Resi wollte sagen: Heute mittag waren doch gar keine Tischgäste vorgesehen! Aber sie schwieg, eine Ahnung stieg in ihr auf, eine Ahnung, was sich hinter Ernas siegesbewusstem Lächeln barg.
„Geh, hilf dem Mädchen bei der Nachspeise,“ sagte Frau Doris, und Resi ging in die Küche und half, wie sie oft tat. Aber ihre Hände waren ungeschickt wie nie. Sollte ihre Ahnung Wahrheit sein, sollte Erna es gewagt haben, den hochgeachteten, berühmten Mann zum Spiel ihrer Laune zu benützen? Das konnte und durfte doch nicht sein. Er würde ja unglücklich, über alles unglücklich an der Seite der oberflächlichen, eitlen Erna werden. Du lieber, guter Gott, nur das nicht, nur das nicht! betete sie innerlich.
Martin Ernstmann war im Eilmarsch in das väterliche Heim zurückgekehrt. Tolle, jugendliche Begeisterung war in ihm ob des Glückes, das ihm geworden. Klein und gering dünkte ihm plötzlich all seine Wissenschaft gegenüber dem rosigen blonden Mädelchen, das er nun seine Braut nannte.
Der alte Doktor blickte fragend, erstaunt. „Junge, wie siehst du aus, hast du den Stein der Weisen entdeckt, das Geheimnis des Perpetuum mobile?“
Der Professor setzte sich dem Vater in dessen behaglichem Arbeitszimmer gegenüber. Plötzliche Verlegenheit sprang ihn an. Es dünkte ihm schwer, seinem alten Herrn von seiner Liebe zu einer Sechzehnjährigen zu sprechen. Jedenfalls war es gar nicht so leicht, wie er es sich noch vorhin vorgestellt hatte. Trotz aller Unabhängigkeit vom Vater hatte er plötzlich ein befangenes Gefühl.
„Nun, rede doch, Martin, wirst Loch keinen Studentenstreich einzugestehen haben?“ lächelte der Doktor.
Der Professor druckste noch sekundenlang herum, ehe er endlich kühn hinwarf: „Ich habe mich soeben mit der Tochter von Herrn Faber verlobt und hoffe, dass auch du dich darüber freust, lieber Vater.“
Der alte Herr sprang von seinem Armstuhl auf. „Donnerwetter, das nenne ich Eilpost, aber nicht wahr, du meinst, Dolores, die schöne, dunkeläugige Dolores?“
Martin Ernstmann lächelte. „Vater, wer sieht denn Resi, wenn die goldblonde Erna in der Nähe ist? Natürlich meine ich Erna, die rechte Tochter des Hauses. Ich habe sie lieb, Vater, unendlich lieb, und denke nur, dem schönen, zarten Mädelchen geht es ebenso, Erna trug mir ihr jungjunges Herz auf offenen Händen entgegen.“ Er strahlte. „Du siehst, Vater, die Liebe auf den ersten Blick ist kein Märchen.“
Der alte Herr hatte sich still wieder in seinen Stuhl zurückgesetzt.
„Ich hätte es mir doch beinahe denken können, nachdem du mir gestern von dem Backfisch vorgeschwärmt. Ach, Martin, Martin, abraten kann ich dir nicht, du würdest ja doch nicht auf mich hören, höchstens würde unser gutes gegenseitiges Verhältnis getrübt, aber das eine ist gewiss: Ihr beide passt nicht zusammen,