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besser kriejen können!“

      Tante Marie ließ sich wirklich überreden, neue Gardinen anzuschaffen, und zum Erstaunen der Nachbarschaft und besonders der Straßenjungen erschien eines Tages ein genial, aber auch ein wenig verhungert aussehendes Individuum, das mit einem gewaltigen Pinsel die Wände zwischen den Kellerfenstern und die Tür mit einer schönen, hellbraunen Farbe bemalte. Und dann wurden Zettel angemacht: „Frisch gestrichen“.

      „Wat is denn bei Puhlmanns los“, sagten die Leute, „die Olle will wohl ihre Sparjroschens loswerden?“

      Und nachdem der schöne hellbraune Anstrich getrocknet und der Malkünstler einige Tage unsichtbar geblieben war, sah ihn die Nachbarschaft eines Morgens wieder, wie er geheimnisvolle Arabesken auf die glänzenden Flächen zeichnete und dabei Weißbier trank.

      Als die Kinder aus der Schule kamen, waren sie nicht schlecht verwundert, daß aus den Arabesken Buchstaben geworden waren. „Alle Sorten verschiedene Biere“ lasen sie und erzählten es zu Hause Vater und Mutter. Und diese Sensation dauerte fort. „Weiß- und Bayrisch-Bier, echter Nordhäuser Korn“ stand am nächsten Tage neben der Kellertür; der Höhepunkt der allgemeinen Verwunderung aber war erreicht, als der geniale Künstler auf einen Stuhl stieg, seinen Malstock über dem Kellereingang anlegte und mit einem kolossalen Aufwand von blauer Farbe die Inschrift anbrachte:

      „Zur unterirdischen Tante“

      „Die missen jeerbt haben“, war die öffentliche Meinung, denn anders konnte sich die Ackerstraße diesen großartigen Aufschwung dieser bisher ganz unbeachteten Kellerwirtschaft nicht erklären. Und als am nächsten Sonnabend ein Stuhl mit einer weißen Schürze vor dem Kellereingang aufgehängt wurde und dieses weithin sichtbare Zeichen verkündete, daß es heute bei der unterirdischen Tante frische Blut- und Leberwurst gäbe, besah sich die Nachbarschaft auch das Lokal von innen.

      Der Eindruck war günstig. Die Tante hatte statt des alten roten Wolltuches eine Art weißer Haube auf dem Hinterkopf, hielt sich aber trotz dieses Schmuckes etwas zurück. Hinter dem Schanktisch stand Anna, das gelbe Haar zu einem riesigen Knoten oben auf dem Kopf getürmt und von unzähligen starken Nadeln zusammengehalten. Die dicken roten Arme waren von den Ellenbogen ab frei und verkrochen sich nur ab und zu in dem Latz der weißen Schürze.

      Wilhelm reichte ihr zu. Trotz seiner blütensauberen Hemdärmel und der neuen blauen Schürze machte er mehr den Eindruck eines angenommenen Hausknechtes. Und die Gäste hielten ihn auch zumeist dafür, nur die Stammkundschaft wußte, daß er der Sohn des „ollen Lemke“ sei, der „da draußen bei Schöneberg“ die bekannte Gastwirtschaft „Zur Märzweiße“ hatte. Von den zarten Banden, die zwischen Anna und Wilhelm herrschten, merkte man nichts. Sie kommandierte ihm nur: „Willem, det Wassa in’n Kessel is nicht mehr heeß, du mußt nei uffsetzen, aba ’n bisken dalli!“ - „Willem, hol’ man imma schon neue Pullen, du siehst doch, det det nich mehr langt!“

      Und während sie einschenkte, die dampfenden Würste auf die Teller legte, Sülze zerschnitt und die „selbst eingemachten Rollmöpse“ aus dem Fäßchen nahm, spekulierte sie: „Die Jäste kieken noch zu sehr in die Winkel, nächsten Sonnabend laß ick ’n Leierkasten oder eenen mit ’ne Zieharmonika kommen!“

      Als der größte Ansturm vorüber, nahm Wilhelm Annas Platz hinter dem Schanktisch ein, sie selbst ging zu den Gästen, mischte sich in das Gespräch und erkundigte sich, ob das Essen geschmeckt habe und das Bier gut sei. Gewiß, ja, zu klagen hatte keiner, im Gegenteil. Aber trotzdem gab es einige spekulante Köpfe, die ihr andeuteten, was sie noch alles tun könne, um dem Lokal die „richtige Fasson“ zu geben. Die Wand nach dem Logiszimmer müsse sie durchbrechen lassen und dort ein Billard aufstellen, es wäre auch gut, wenn sie einen „rejulären Mittagstisch“ einrichtete und abends „länger uff“ hielte.

      „Ja ja, eens nach’s andre, man bloß nich drängeln“, jetzt müsse sie doch erst mal an die Hochzeit denken. Das gab Anlaß zu allerlei Andeutungen, die sie jedoch so parierte, daß sie die Lacher nachher auf ihrer Seite hatte.

      Besuch in Schöneberg

      Tante Marie hatte sich schließlich überreden lassen und die alten Lemkes in Schöneberg aufgesucht, um ihnen mitzuteilen, daß der Hochzeitstag festgesetzt sei, und zu fragen, ob die Eltern denn nicht auch an dem Glück ihres Sohnes teilnehmen wollten.

      Einen ganzen Tag fast war Tante Marie fortgeblieben, nun kam sie in der Abendstunde müde, verstaubt und mit einem Strauß verwelkter Feldblumen nach der Ackerstraße zurück und verlangte erst eine Tasse Kaffee, ehe sie erzählen wollte. Aber wenn sie der Kaffee auch wieder munterer machte, so war doch nicht viel aus ihr herauszubringen. „Der Olle is jrob jewesen“, sagte sie, „nehmen Se’s ma nich ibel, Willem, aber zu dem bringt mich keen Deibel mehr ’raus, und wenn ick ’n junget Meechen wär’ und Ihnen heiraten sollte, for den Schwiegervata bedanke ick mir! Ihre Frau Mutter hat jeweent, aba der Olle hat se jleich so anjeschnauzt, det se’n Schlucken jekriejt hat. ‚Wat’n for’n Sohn?‘ hat er immer jefragt, ‚Se sind woll mit’n Kopp wo jejen jeloofen, liebe Frau, ick hab’ keen’ Sohn nich, und wünschen Se sonst noch wat?‘ Na, ick hab’n ja Bescheed jestochen, denn uff de Schnauze bin ick ja ooch nich jrade jefallen, aber et hätte doch ooch allens anders sein können, nich wahr?“

      „Mutta hat jeweent?“ fragte Wilhelm, der nichts anderes gehört zu haben schien.

      „Wat nutzt uns det“, sagte Anna ärgerlich, „dafor koof ick ma nischt, aba nu wissen wir wenigstens, wat los is, nu kann ja die Heiraterei losjehen!“

      „Ach, und scheen is draußen jeweesen“, sagte Tante Marie, „da trillern de Lerchen, und det blieht und jrient uff die Wiesen. Und denn der scheene, jroße Jarten mit den Nußbaum und die Hühna!“

      „Ja, die kennten wir nu ruppen, for die Hochzeitsgäste, na, wat nich is, is nich! Und wennstet etwa bereust, Willem, denn sag’s frei ’raus, ick will dir nich unjlicklich machen.“

      „Ihre Mutta hat mir ja sehr jut jefallen“, sagte Tante Marie, und die hätte Sie gewiß nach ’n Jruß bestellt, aba der Olle stand imma neben und paßte wie so’n Schießhund uff. Na, ick hab’ ihm ja ooch jesagt, jlicklich wird ihn seen hartet Herz nich machen!“

      „Janz jewiß nich“, sagte Anna, „so wie ick ihn kenne, tut er ab ooch bloß so, er spielt sich jerne n’ bisken als Witerich uff. Du kannst ibazeicht sind, Willem, wennste jetz kämst und mir sitzen lassen wolltest, wirde er dir erst recht forn Dussel halten!“

      Wilhelm äußerte sich dahin, daß es auf jeden Fall etwas schwierig sein dürfte, die Zufriedenheit seines Vaters zu erringen: „Ick weeß nich, woran et liejt, er hat ma von kleenuff forn Dussel jehalten, aber eejentlich, so demlich bin ick doch nich?“

      „Nu laß man dein’n Jeisteszustand“, sagte Anna, „die Hauptsache is det Herz, nich wahr, Tante?“

      Aber Tante Marie war in ein ganz trübseliges Fahrwasser mit ihren Gedanken geraten: „Des Vaters Sejen baut die Kinder Häuser, aba der Mutta Fluch reißet sie nieda“, sagte sie feierlich.

      „Det paßt janich hierher“, meinte Anna, „höchstens umjekehrt, und denn stimmt’s ooch noch nich. Bis jetzt hat uns noch keen Mensch wat jebaut!“

      Tante Marie hielt das für eine Anspielung: „Ja, ja, wenn ick man schon in’n Sarch läje, denn könntet ihr ja mit den Kram machen, wat ihr wolltet!“

      Ach, is det scheen hier“, sagte Anna, „Tante, dir derf man wahaftich nich ’rauslassen, dir is die freie Natur nich jut bekommen, abr ick hab’ ma jleich so wat jedacht, als ma heite morjen die Spinne über die Beene jeloofen is. Meenswejen, setzt eich alle hin und weent eich aus, denn seid ihr’s los, ick kann nich, ick bin nich im jeringsten jerihrt!“

      Sie ging hinaus in den Schankraum, um die Gäste, die schon ungeduldig waren, zu bedienen. Gewiß, es wäre schöner gewesen, wenn sie da draußen, in dem großen Weißbiergarten, Wirtin hätte sein können, aber wenn es nun einmal nicht war, konnte sie es doch nicht erzwingen. Und schließlich war sie auch so zufrieden, denn sie merkte ja, daß sie eine glückliche

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