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ihrem durch Sümpfe geschützten Gebiet und durch ihre unwiderstehliche Tapferkeit unabhängig zu halten gewusst. Ihre nachbarlichen Fehden, die sich zunächst gegen die Oldenburger Grafen richteten, deren Vögte sich allerlei Übergriffe erlaubten, verliefen zu ihren Gunsten. In den Kämpfen zwischen den Staufern und Welfen nahmen sie bald auf dieser, bald auf jener Seite teil, ohne je eine andere Politik zu verfolgen als die Bewahrung ihrer Selbstständigkeit. Vielleicht hätte das Geschick der Landschaft sich anders gestaltet, wenn die bereits mächtig aufblühende Stadt Bremen sich mit den Stedinger Bauern verbündet hätte; aber daran wurde auf beiden Seiten nicht gedacht. Nur auf sich selbst gestellt waren die Stedinger, als Gerhard II. es unternahm, die Freien zu unterwerfen, einzig einige Ministeriale, deren Burgen an der Grenze der Marsch lagen, wie die von Hörspe und die von Bardenfleth, auch einige, die auf der hohen Geest wohnten, schlossen sich ihnen an. Am Weihnachtsabend 1229 fand die große Schlacht statt, in der der Führer des erzbischöflichen Heeres, Gerhards eigener Bruder, erschlagen wurde. Kurz vorher war sein anderer Bruder, Bischof Otto von Münster, auf dem Moore von Coevorden von Friesen besiegt und getötet, ein Bruder Dietrich, Propst von Deventer, gefangengenommen; so war der Erzbischof auch durch die Blutrache zum Führer im Kampfe des Adels gegen die Bauern berufen. Nachdem die Kraft der freiheitsstolzen Stedinger sich so verhängnisvoll offenbart hatte, griff der Erzbischof zu einem unedlen Mittel, dessen Wirksamkeit sich aus dem Taumel erklärt, in den die Menschen durch geschickt verwendete Schlagwörter versetzt werden können. Wer einen Feind hatte, bemühte sich, seit die Ausrottung der Häresie als eine dringende Aufgabe von Staat und Kirche erklärt worden war, den Feind zu verketzern; dann gelang es, ihn zu vereinsamen, nicht nur nachbarliche, sondern auch staatliche und kirchliche Hilfe zu seiner Vernichtung aufzubieten. Bereits wurde im Bistum Münster das Kreuz gegen friesische Bauern gepredigt; nun ließ Gerhard II. auf einer Diözesan-Synode in Bremen die Stedinger für Ketzer erklären, was er damit begründete, dass sie die Sakramente verachteten, die Lehre der Kirche für Tand erklärten, dass sie Kirchen und Klöster durch Raub und Brand verwüsteten, dass sie mit des Herren Leib abscheulicher verführen, als der Mund aussprechen dürfe, dass sie von bösen Geistern Auskunft begehrten, wächserne Bilder bereiteten und sich von wahrsagenden Frauen Rat holten. Es waren zum Teil die gleichen Anschuldigungen, die schon zu Bonifazius’ Zeit erhoben waren und noch erhoben werden könnten. Dass allerlei Aberglaube bei den Stedingern wie überall auf dem Lande im Schwange war, ließ sich so wenig leugnen, wie dass sie im Kampfe um die Unabhängigkeit Klöster zerstört hatten. Kirchen gab es in diesen, vor der Ansiedlung der Sachsen und Friesen kaum bebauten Gegenden allerdings wenige, und es ist möglich, dass die Stedinger an diesen wenigen genug hatten. Entweihung der Hostie war ein Vorwurf, der gegen alle Ketzer wie auch gegen Juden gern erhoben wurde und den man zu beweisen sich nicht verpflichtet fühlte, wie denn überhaupt die Beschuldigungen ohne Untersuchung als erwiesen galten. Worauf es eigentlich ankam, sieht man aus dem Satz, den der Erzbischof mit Beziehung auf eine Stelle aus dem Buch Samuel aufstellte:
Nolle obediere scelus est idolatriae – Ungehorsam ist gleich Götzendienst. Ein abgefeimter Satz, der jeden Versuch des Freien, seine Freiheit zu erhalten, des Unterdrückten, sich zu wehren, für das ruchloseste Verbrechen erklärte, das die Zeit kannte. Papst Gregor sah wohl, wie mangelhaft begründet die Anklagen des Erzbischofs gegen die Stedinger waren und beeilte sich nicht, das Urteil der Synode zu bestätigen; aber im folgenden Jahre erließ er doch die gewünschte Verfluchungsbulle, und auf dem Reichstage zu Ravenna im Jahre 1232 wurden von Papst und Kaiser zusammen die neuen, scharfen und grausamen Ketzergesetze ausgegeben, die so viel Unruhe in Deutschland veranlassten. Kaiser Friedrich beauftragte einen Dominikaner in Bremen, der Ketzerei nachzuspüren, verhängte über die Stedinger die Acht, nachdem er sie zusammen mit den Friesen erst fünf Jahre vorher wegen ihrer Taten im Heiligen Lande belobt hatte, und mahnte die Stadt Bremen, bei der Verfolgung mitzuwirken. Als der Erzbischof seiner Stadt den dritten Teil von dem zu erobernden Hab und Gut der Stedinger als Belohnung versprach, gelang es ihm, sie auf seine Seite zu bringen. Am 19. Oktober 1232 forderte der Papst durch die Bulle
Intenta fallaciis sathanae zum Kreuzzuge gegen die Stedinger auf.
Die Stedinger waren entschlossen, alle Kraft und das Leben an die Verteidigung ihrer Freiheit zu setzen und taten es ruhmvoll. Zwei Kreuzheere besiegten sie, den Grafen von Oldenburg, der eins anführte, erschlugen sie. Die Gegner vermehrten ihre Anstrengungen, der Papst versprach in einer neuen Bulle denen, die das Kreuz nehmen würden, vollen Ablass. Weit und breit wurde geworben und gehetzt, als wäre das Reich, als wäre die Christenheit in Gefahr. Vergeblich machte sich der unglückliche junge König Heinrich, Kaiser Friedrichs Sohn, zum Anwalt der Verketzerten, er beschleunigte dadurch nur seinen eigenen Sturz. Dem dritten Kreuzheer, das ins Feld zog, glückte die Vollstreckung des Urteils; es waren daran beteiligt Graf Heinrich von Oldenburg, Graf Ludwig von Ravensberg, Graf Florentin von Holland, Graf Otto von Geldern, Herzog Heinrich der Jüngere von Brabant, Wilhelm von Jülich und Dietrich von Cleve. Der Adel musste viel aufwenden, um des kleinen Bauernvolkes Herr zu werden. Von denen, die die unglückliche Schlacht bei Altenesch überlebten, verließen viele das Land; Familien mit dem Namen Stedinger erschienen in verschiedenen Städten, auch in Lübeck und Hamburg. Die Güter der Stedinger wurden verteilt, ihre Freiheiten vernichtet. So unüberwindlich war der Unabhängigkeitssinn des Stammes, dass sie sich immer wieder, wenn auch ohne Aussicht und ohne Glück, erhoben; immerhin gelang es den Nieder-Stedingern gegenüber den Grafen von Oldenburg eine gewisse Selbstständigkeit zu bewahren.
Länger, nämlich bis ins sechzehnte Jahrhundert, erhielten sich die Friesen und die Dithmarscher frei.
Die vokalreiche, wohlklingende Sprache der Friesen, die, wie es scheint, mehr Ähnlichkeit mit dem Englischen als mit deutschen Dialekten hatte, verschwand schon im sechzehnten Jahrhundert. Eala frya Fresena – Heil, freier Friese, mit diesen Worten sollen die Friesen sich begrüßt haben. Die Freiheit gehörte zu ihnen, wie das Meer und die Marschen zu ihnen gehörten, sie hatten in ihr ein Element mehr als andere Menschen. Rechtlich führten sie ihre Freiheiten auf Karl den Großen zurück, und die Kaiser haben ihre Reichsunmittelbarkeit anerkannt. Es gibt eine Überlieferung, wonach Friesen, die Barbarossa nach Italien begleiteten, ihm bei einer Verschwörung in Rom das Leben gerettet hätten. Als er sie zum Dank alle zu Rittern schlagen wollte, hätten sie das abgelehnt, indem sie sagten: »Wir halten uns höher
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