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      Lise Gast

      Hundsviech, geliebtes

      Heiterer Roman

      Saga

      Hundsviech, geliebtes

      © 1979 Lise Gast

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711509579

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      1

      »Kuppeln, Momme, kuppeln! Du kannst doch nicht schalten, ohne zu kuppeln!« Coronas Stimme klang verzweifelt, obwohl sie sich Mühe gab, freundlich zu bleiben. »Kupplung treten, und dann langsam kommen lassen.«

      »Tu ich doch. Denkst du, ich weiß nicht – also ein Säugling bin ich nun doch nicht mehr«, grollte Momme. Dieser Name war abgeleitet von ›mom‹, der amerikanischen Kurzform für Mutter. Corona hatte ihn, wie alle Geschwister, sofort übernommen, als eins von ihnen aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurückgekommen war. Momme hatte sich gegen ›mom‹ gewehrt, den Namen mit e am Ende aber sofort akzeptiert, da er in einem Gedicht vorkam, das sie seit ihrer Kindheit liebte. Es war zwar ein Jungenname und stammte von der Waterkant, aber das störte sie nicht.

      »Nein, aber –«

      »Aber ich hab den Führerschein seit –«

      »Seit Olims Zeiten, ich weiß. Immerhin bist du dreißig Jahre lang nicht gefahren, und der Verkehr –«

      »Was hat denn Kuppeln mit Verkehr zu tun?« Wupp, der Wagen machte einen Satz vorwärts. Corona faßte den Bügel vorn am Armaturenbrett und hielt sich daran fest.

      »Langsam kommen lassen, hab ich gesagt. Sachte, mit Gefühl. Und gleichzeitig Gas geben, aber wenig –«

      »Ich finde, daß ich sehr gut fahre.« Momme hatte sich jetzt zurückgelehnt und streckte nicht mehr das Kinn vor, wie es verkrampfte Anfänger zu tun pflegen. Sie ließ den Wagen genüßlich laufen, viel zu schnell, fand Corona.

      »Nimm Gas weg. Schnell fahren ist noch nicht gut fahren«, stöhnte sie. Momme gehorchte.

      »Na schön. Jetzt nuckelt er wieder –«

      »Dann mußt du eben zurückschalten.« Corona brach ab. Es ist schon ein Kreuz mit alten Müttern, die einfach nicht alt werden. Jahrzehntelang daran gewöhnt, alles besser zu können, erwiesen sie sich als miserable Schülerinnen. Dabei war es Coronas Idee gewesen, Momme wieder zum Autofahren zu bringen.

      Früher hatte Momme einen Wagen besessen, sehr viel früher. Nach dem Tod ihres Mannes konnte sie sich mit der schäbigen Rente und dem klitzekleinen Nebenverdienst kein Auto mehr erlauben und war ohne Murren aufs Fahrrad umgestiegen. Es war auch so gegangen. Nun, da die Kinder groß waren, hätte es wohl wieder zu einem Wagen gereicht, wenn sie an anderem sehr sparte. Momme konnte sparen, das wußte Corona. Aber sie konnte verständlicherweise nicht mehr fahren, und so fühlte Corona sich verpflichtet, ihr Nach- oder besser Vorhilfestunden zu geben, ehe sie sie auf den Moloch Verkehr losließ. Die größeren Geschwister, vier an der Zahl, sollten sowieso noch nicht wissen, was sie da angezettelt hatte.

      »Na, fahre ich nicht wunderbar?« fragte Momme in die Grübeleien der Tochter hinein.

      »Sehr schön. Vergiß nicht den Blinker, wenn du jetzt abbiegst – ja, hier müssen wir abbiegen.«

      »Warum denn schon?« fragte Momme, der es gefiel, den Wagen geradeaus laufen zu lassen. Corona hob die Augenbrauen.

      »Weil wir heim müssen. Übrigens – einen Rote-Kreuz-Kursus solltest du auch noch machen, sozusagen als neu ausgebildeter Fahrer, das gehört heute dazu«, sagte Corona, als sie die Stadt wieder erreicht hatten. Momme lachte.

      »Meinst du? Hab ich nicht genug erste Hilfe geleistet in meinem Leben, bei euch vielen? Was habt ihr alles gehabt, Schlüsselbeinbrüche, Löcher im Kopf, Arm- und Beinbrüche, Schnittwunden an den Füßen, wenn ihr in Scherben getreten wart, Gehirnerschütterungen, ich weiß nicht mehr, wie viele. Jeden Tag etwas. Na, das vielleicht nicht, aber doch keine Woche ohne etwas.«

      »Trotzdem. Ich mach jedes Vierteljahr einen solchen Kurs mit, das schadet nie. Es werden ja immer neue Techniken entwickelt, z. B. beim Mund-zu-Mund-Beatmen, oder –« Corona kam direkt in Feuer, »das alles ist überhaupt hochinteressant, und sehr wichtig, für jeden. Man kann da nicht genug lernen.«

      »Gut, mach ich«, versprach Momme. »Und Kuppeln tu ich jetzt auch, jedenfalls beim Autofahren. Sonst liegt es mir nicht – sag selbst, hab ich je gekuppelt? Wie andere Mütter das tun? Nie. Deshalb war ich vielleicht erst etwas zaghaft dabei –«, sie lachte, während sie, stolz nach rechts und links blinzelnd, ins Städtchen einfuhr. Sah auch jeder, daß sie am Steuer saß? Ein wenig hatte es sie immer gewurmt, wenn andere Frauen chauffierten und sie nicht.

      Momme wohnte im Hinterhof eines Hauses, das einstmals in einem Garten gelegen hatte. Der diente jetzt leider als Lagerhof für eine Baufirma, die im Nebenhaus ihr Büro betrieb. Steine lagen da aufgeschichtet; Betonröhren und Platten. Momme ließ den Wagen auf der Straße stehen, die sehr schmal war. Corona fand das nicht richtig.

      »Kannst du nicht wenigstens so viel von deinem ehemaligen Garten Eden zurückverlangen, daß der Wagen Platz hat?«

      »Sicherlich. Ich versuch es. Vorläufig hab ich ja noch keinen eigenen.«

      Das stimmte. Sie waren mit dem der Tochter gefahren. Trotzdem ärgerte sich Corona. Mommes Art, Ja zu sagen und keinerlei Konsequenzen daraus zu ziehen, brachte sie auf. So war sie immer gewesen, die Alte, auch heute noch.

      »Du mußt den Fußboden richten lassen –«, man trat im Flur schon durch die Dielenbretter. »Jaja, mach ich.« Nichts geschah. »Du brauchst eine Putzfrau. Dazu wird es wohl reichen!« – »Jaja.« Auf die nach Monaten neu gestellte Frage hin erinnerte sich Momme an ihr Jawort von damals nicht mehr. »Ach so, richtig. Aber es gibt ja keine. Niemand will dem anderen den Dreck wegräumen.«

      Nicht, daß die kleine, ziemlich unpraktische Wohnung verwahrlost gewesen wäre. Aber Corona ärgerte sich, wenn sie Momme an den Fenstern turnen sah, um die Scheiben zu putzen, oder wenn sie die Treppe fegte. »Kehrwoche«, dumme Sitte, in anderen Gegenden half man sich anders. Und ging auch nicht unter dabei.

      Corona setzte eben an, dieses Problem neuerlich zur Sprache zu bringen, als sie durch einen Schrei ihrer Mutter abgelenkt wurde.

      »Cor, ich glaube –«, sie vergaß, den Zündschlüssel abzuziehen, und rannte ins Haus, die wieder einmal ungefegte Treppe hinauf, »Rupprecht!«, und versank in den Armen eines sie weit überragenden, breiten und – leider! Momme hatte einen etwas altmodischen Geschmack – bärtigen Mannes. »Du bist gekommen? Ich sah nämlich unten deinen Wagen.«

      »Ich auch. Aber so schnell wie unsere Mutter kombinierte ich nicht –« Corona war der Mutter nachgelaufen und lachte den großen Bruder an. »Allein? Wo ist Nikolaus?«

      Momme hatte zu ihrem grenzenlosen Entzücken – sie liebte Kinder und hatte sich immer welche gewünscht – als erstes Zwillinge bekommen, zwei Jungen, und noch dazu Anfang Dezember. Und es durchgesetzt, daß diese Rupprecht und Nikolaus genannt wurden. Ihr Mann, ruhiger als sie und still amüsiert über seine junge Frau, in die er sehr verliebt war, hatte lächelnd zugestimmt. Warum nicht Rupprecht und Nikolaus, wenn sie es so wollte?

      »Nur ein Glück, daß es nicht Drillinge sind«, hatte er lediglich gesagt, schmunzelnd, als Momme – damals noch Melinde – ihm mit der ihr eigenen Vehemenz diese beiden Namen vorgeschlagen hatte.

      »Warum?

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