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Wie so! habe ich doch nach dem neuen Gesetze Dich gleich denselben Tag dem Ankläger antworten und drei Stunden sprechen hören, und in meiner Sache hältst Du Aufschub nöthig? Und doch ist die, welche Du hier behandeln willst, nicht besser als die, bei denen Du bisweilen gewinnst. Deshalb greife auch hier gleich zur Sache, sie ist ja sowohl von Andern, wie von Dir so viel behandelt, dass die Antwort Dir nicht fehlen kann. (§ 2.) Darauf erwiderte ich: Ich wage wahrhaftig nicht leichtsinnig mich gegen die Stoiker heraus; nicht deshalb, weil ich ihnen so sehr beistimme, sondern aus Scham, denn Vieles in ihren Reden kann ich kaum verstehn. – Ich gebe zu, sagte Cato, dass Manches dunkel ist; allein sie sprechen nicht absichtlich so, sondern die Dunkelheit liegt in der Sache. – Aber weshalb versteht man bei den Peripatetikern, wenn sie dieselben Dinge behandeln, jedes Wort? – Dieselben Dinge? entgegnete Cato; habe ich nicht ausführlich dargelegt, dass die Stoiker von den Peripatetikern nicht blos in den Worten, sondern auch in der Sache und in der ganzen Auffassung abweichen? – Ja, mein Cato, sagte ich, wenn Du dies erreicht hättest, so sollst Du mich ganz zu Dir hinüberziehn dürfen. – Ich glaube allerdings, sagte er, dies hinreichend dargelegt zu haben. Lass uns daher hiermit beginnen, wenn Du damit einverstanden bist, und das, was Du sagen willst, bring später vor. – Ich möchte doch, sagte ich, dies an dem Orte behandeln, der nach meiner Ansicht, der beste ist, wenn Du dies nicht unbillig findest. – Mache es, wie es Dir beliebt, antwortete er; wenn auch mein Vorschlag passender gewesen ist, so ist es doch billig, Jedem seine Freiheit zu lassen.

      Kap. II. (§ 3.) Ich glaube also, mein Cato, sagte ich, dass jene alten Schüler Plato's, wie Speusipp, Aristoteles und Xenokrates, und die Schüler von diesen, wie Polemo, Theophrast, ihre Lehre so vollständig und schön ausgebildet gehabt hatten, dass für Zeno kein Grund vorlag, als Schüler des Polemo, von diesem und den Aeltern sich zu trennen. Ich werde ihre Lehre vortragen und ich bitte Dich, das, was Du dagegen einzuwenden hast, zu sagen, und nicht zu erwarten, dass ich auf alles von Dir Dargelegte eingehe, weil ich vorziehe, mit der ganzen Lehre Jener die Eurige zu bekämpfen. (§ 4.) Jene erkannten, dass wir von Natur Alle der Tugenden fähig seien, die bekannt und viel gerühmt sind; ich meine die Gerechtigkeit, Mässigkeit und die andern dieser Art, welche sämmtlich den übrigen Wissenschaften gleichstehn und nur durch ihren Stoff und ihre Behandlungsart als die bessern hervortreten. Sie erkannten, dass wir nach diesen Tugenden mächtiger und hastiger als nach den andern verlangen, und dass wir auch eine uns eingepflanzte oder vielmehr angeborne Begierde nach dem Wissen haben, und dass der Mensch zur Vereinigung mit seines Gleichen und zur Gesellschaft und Gemeinschaft des menschlichen Geschlechts geboren ist, und dass dies bei den grössten Geistern sich am meisten zeigt. Sie theilten daher die Philosophie in drei Theile, welche Eintheilung auch Zeno beibehalten hat. (§ 5.) Durch den einen Theil wird nach ihrer Ansicht die Sittlichkeit bewirkt; indess verschiebe ich diesen, der gleichsam der Stamm für unsere Verhandlung ist, und werde bald sagen, was das höchste Gut ist; jetzt bemerke ich nur, dass die alten Peripatetiker und Akademiker, die in der Sache einig und nur in den Worten sich unterschieden, jenen Theil, welchen wir am besten den bürgerlichen nennen können und den die Griechen den politikon nennen, eingehend und ausführlich behandelt haben.

      Kap. III. Wie viel haben sie nicht über den Staat und die Gesetze geschrieben! Wie viele Lehren in den Wissenschaften und wie viele Beispiele eines guten Vertrages in ihren Reden hinterlassen. Zunächst haben sie die schwierigeren Fragen fein und treffend hingestellt; theils durch Definitionen, theils durch Eintheilungen; auch die Eurigen sind so verfahren, aber schmuckloser, während die Rede Jener glänzt. (§ 6.) Dann haben sie die Gegenstände, welche eine geschmückte und ernste Darstellung verlangten, auch vortrefflich und glänzend behandelt; so die Gerechtigkeit, die Tapferkeit, die Freundschaft, die Führung des Lebens, die Philosophie, die Verhältnisse des Staats. Es ist nicht nach der Weise Derer geschehn, welche nach den Dornen suchen, wie die Stoiker, und die Knochen bloslegen, sondern wie Männer, die das Grosse schön und das Kleine deutlich darlegen. Deshalb haben wir von ihnen so viele Trostschreiben, so viele Ermahnungen, so viele Erinnerungen und Rathschläge, die sie in ihren Schriften an die höchsten Personen gerichtet haben. Es bestand bei ihnen eine zwiefache Art der Behandlung, wie es auch der zwiefachen Natur der Gegenstände entsprach. Denn jede Frage ist entweder an sich selbst, ohne Beziehung auf die Personen und Zeiten, oder in Verbindung mit diesen in thatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht oder in ihrer Fassung zweifelhaft. Sie behandelten sie deshalb nach beiden Gesichtspunkten, und durch dieses Verfahren erreichten sie nach beiden Richtungen ihre Gewandtheit der Darstellung. (§ 7.) Diese ganze Methode haben Zeno und seine Anhänger entweder nicht einhalten gekonnt oder gewollt; jedenfalls haben sie sie verlassen. Allerdings haben Cleanthes und selbst Chrysipp eine Rednerkunst geschrieben; aber sie ist der Art, dass, wenn Jemand schweigen zu lernen wünscht, er sie lesen muss. So siehst Du, wie sie verfahren; sie bilden neue Worte und geben die gebräuchlichen auf. Und wie Grosses unternehmen sie! Die ganze Welt soll unsre Wohnstätte sein. Das begeistert die Zuhörer. Du siehst die Wichtigkeit solchen Vertrages; wer in Circeji wohnt, soll die ganze Welt für seine Vaterstadt halten. Aber soll das entzünden? Eher wird es abkühlen, wenn ein Brennender sich einfindet. Selbst das, was Du kurz und gerundet zusammenfasstest, dass der Weise allein der König, Meister und Reicher sei, das hast Du freilich von den Lehrern der Redekunst gelernt; aber wie mager wird selbst die Kraft der Tugend von ihnen dargestellt, die doch so gross sein soll, dass sie durch sich allein glücklich machen kann. Durch ihre kleinen verschränkten Vernunftschlüsse stechen sie wie mit Nadeln, und selbst bei Denen, die ihnen zustimmen, wird die Gesinnung damit nicht gebessert; diese gehen so fort, wie sie gekommen sind; denn die Gegenstände sind vielleicht wahr, jedenfalls von Bedeutung; aber sie werden von ihnen nicht, wie es sich gehört, sondern zu kleinlich behandelt.

      Kap. IV. (§ 8.) Es folgen nun die Regeln über das Erörtern und über die Lehre von der Natur; denn auf das höchste Glück werde ich, wie gesagt, bald kommen und die ganze Ausführung zu dessen Erläuterung benutzen. In jenen beiden Theilen hat Zeno keine Veränderung beabsichtigt. Alles verhielt sich hier bereits und zwar in beiden Theilen vortrefflich; denn die Alten haben über die Regeln, nach welchen eine Erörterung stattzufinden hat, Alles erschöpft; sie haben das Meiste definirt und die Kunst des Definirens gelehrt; ebenso haben sie die Eintheilungen gegeben, welche zu den Definitionen gehören, und gelehrt, wie hier zu verfahren sei. Dasselbe gilt von den Gegensätzen, von denen sie dann zu den Gattungen und Arten übergehen. Bei den Beweisführungen beginnen sie mit dem, was ihnen als selbstverständlich gilt; dann gehen sie der Reihe nach weiter und das Wahre der einzelnen Vordersätze führt zu der letzten Schlussfolgerung. (§ 9.) Die Mannichfaltigkeit ihrer Beweise und Schlussfolgerungen ist gross und deren Unterschied von den verfänglichen Fragen und Scheinbeweisen wird dargelegt. Sie warnen wiederholt, den Sinnen ohne die Vernunft oder der Vernunft ohne die Sinne zu vertrauen; keiner soll von dem andern getrennt werden. Das, was die Dialektiker jetzt aufstellen und lehren, ist von ihnen bereits dargelegt und aufgefunden worden. Chrysipp hat diese Gegenstände zwar sehr ausführlich behandelt, allein Zeno viel weniger als die Alten; und was Jener hierüber sagt, ist nicht besser als bei den Alten, ja, Manches hat er ganz übergangen. (§ 10.) Wenn es zwei wissenschaftliche Fertigkeiten giebt, durch welche jede Lehre und ihre Darstellung die Vollendung erhält, eine, welche erfindet, und eine, welche erörtert und begründet, so haben die letztere Kunst sowohl die Stoiker wie die Peripatetiker vortrefflich gelehrt, die erstere aber nur die Peripatetiker, während die Stoiker sie nicht einmal berührt haben. Aus welchen Orten, gleich Schätzen, der Inhalt zu entnehmen ist, haben die Eurigen kaum geahnt, während die Alten es kunstgemäss und folgerecht gelehrt haben. Damit haben sie erreicht, dass sie nicht immer über dieselben Dinge die gleichsam vorgesagten Sätze abzuleiern und an ihren nachgeschriebenen Heften festzuhalten brauchten. Denn wenn man weiss, wo jedwedes zu suchen ist und auf welchem Wege man dazu gelangen kann, so wird man es auch, selbst wenn es verschüttet ist, auffinden und deshalb bei den Verhandlungen immer auf eignen Füssen stehen können. Allerdings steht den mit grossem Geistbegabten Männern für ihre Darstellung ein reicher Inhalt auch ohne wissenschaftliche Anleitung zu Gebote; allein die Kunst bleibt doch hier immer eine zuverlässigere Führerin, als die Natur. Denn ein Ausschütten von Worten nach Art der Dichter ist noch kein begründetes und kunstgemässes Unterscheiden in dem, was man sagt.

      Kap. V. (§ 11.) Das Gleiche gilt von der Erkenntniss der Natur, mit der sowohl diese Männer wie die Stoiker sich beschäftigen.

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