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der Klugheit. (§ 66.) Deshalb findet man nicht leicht Jemand, der sein Wissen nicht dem Andern mittheilen möchte, und wir neigen nicht minder zum Lehren, wie zum Lernen. So wie die Stiere von Natur für ihre Jungen mit den Löwen auf das Heftigste und Angestrengteste kämpfen, so haben die an Macht und Geschick Hervorragenden, wie dies von Hercules und Bachus berichtet wird, von Natur den Trieb, das menschliche Geschlecht zu vertheidigen. Wenn man den Jupiter den Besten und Grössten nennt und ebenso den Heilbringenden, den Beschützer der Fremden und den Erhalter des Staats, so will man damit sagen, dass das Wohl der Menschen unter seinem Schutze steht. Am wenigsten passt es dann, wenn wir unter einander uns niedrig benehmen, uns um einander nicht kümmern, aber von den himmlischen Göttern verlangen, dass sie uns lieben und werthhalten sollen. So wie man die Glieder eher gebraucht, als man weiss, zu welchem Zweck man sie empfangen hat, so hat auch die Natur uns zu einer bürgerlichen Gesellschaft verbunden und vereinigt. Wäre dem nicht so, so gäbe es weder eine Gerechtigkeit, noch eine Wohlthätigkeit. (§ 67.) Aber so wie die Stoiker annehmen, dass zwischen den Menschen gegenseitig Bande des Rechts bestehn, so halten sie dafür, dass zwischen den Menschen und Thieren kein Recht besteht Schön, sagt Chrysipp, dass alles Andere um der Menschen und Götter willen geworden sei, aber diese seien der Gemeinschaft und der Gesellschaft unter einander wegen da, und so könnten sie die Thiere ohne Unrecht zu ihrem Vortheil benutzen. Wenn die menschliche Natur sonach von der Art sei, dass unter dem menschlichen Geschlecht gleichsam ein bürgerliches Recht gelte, so werde Der, welcher dasselbe inne halte, der Gerechte, und wer davon abweiche, der Ungerechte sein. So wie aber das Theater zwar ein gemeinsames sei, aber dennoch Jeder den Platz, welchen er inne habe, mit Recht den seinigen nennen könne, so hindere auch in der gemeinsamen Stadt und Welt das Recht nicht, dass Jedem Etwas ausschliesslich als sein gehöre. (§ 68.) Wenn man so sehe, dass die Menschen zur gegenseitigen Beschützung und Erhaltung geboren seien, so stimme es mit dieser Natur, dass der Weise bereit sei, den Staat zu verwalten und dass er nach der Natur lebt, eine Frau nimmt und Kinder von ihr verlangt. Selbst die sittsame Knabenliebe verträgt sich nach den Stoikern mit dem Weisen; und Einzelne unter ihnen meinen, dass der Weise auch ein Leben nach der Lehre der Cyniker führen dürfe, wenn die Umstände ihn dazu nöthigen; Andere halten dies jedoch niemals für gestattet.

      Kap. XXI. (§ 69.) Um die menschliche Gesellschaft, Verbindung und die gegenseitige Liebe zu erhalten, verlangen wir, dass die sittlichen Vortheile und Nachtheile, welche ôphelêmata und blammata heissen, gemeinsam seien, jene nützen, diese schaden. Nicht blos gemeinsam, sondern auch einander gleich sollen sie sein. Dagegen solle das Nützliche und das Schädliche, wie ich die euchrêstêmata und die dyschrêstêmata übersetze, zwar gemeinsam, aber nicht einander gleich sein. Denn jene, die sittlich nützen oder schaden, sind entweder Güter oder Uebel, die nothwendig gleich sein müssen; dagegen ist das blos Nützliche und Schädliche von der Art, dass bei demselben ein Vorziehn und Verwerfen statt hat, mithin kann es nicht gleich sein. Wenn aber auch das Sittlich-Nützliche gemeinsam ist, so kann doch das recht und unrecht Handeln nicht gemeinsam sein. (§ 70.) Die Freundschaft hat der Mensch, nach unsrer Ansicht, mit zu suchen, denn sie gehört zu dem sittlich Nützlichen. Nach einer Ansicht ist dem Weisen bei der Freundschaft das Wohl seiner Freunde ebenso werth wie sein eigenes; nach einer andern soll letzteres höher stehn; allein auch hier hat man später anerkannt, dass es der Gerechtigkeit widerstreite, zu der wir von Natur bestimmt sind, einem Andern etwas zu entziehn, um es für sich zu behalten. Am wenigsten wird von den Anhängern dieser Lehre gebilligt, dass die Gerechtigkeit und die Freundschaft nur des Nutzens wegen zu suchen und zu loben sei; denn dieser Nutzen könne auch zur Schwächung und Zerstörung beider führen, und es bestehe überhaupt keine Gerechtigkeit und Freundschaft, wenn sie nicht um ihrer selbst willen gesucht werde. (§ 71.) Das Recht aber, das man so nennen und bezeichnen kann, besteht nach der Stoiker Ansicht von Natur, und der Weise wird deshalb Niemandem Unrecht thun oder ihm schaden. Es ist aber nicht recht, mit Freunden und Solchen, denen man Dank schuldet, sich zum Unrecht zu verbinden und zu vereinen, und sehr richtig und nachdrücklich wird gelehrt, dass die Gerechtigkeit von dem Nutzen nicht getrennt werden könne und dass das Billige und Gerechte auch sittlich, und umgekehrt das Sittliche auch gerecht und billig sei. (§ 72.) Zu den besprochenen Tugenden fügen die Stoiker auch die Dialektik und die Naturwissenschaft; beide heissen bei ihnen Tugenden, weil die erstere sorgt, dass man dem Falschen nicht zustimme und durch eine trügerische Wahrscheinlichkeit sich nicht täuschen lasse; auch werde durch sie das über die Güter und Uebel Erkannte festgehalten und vertheidigt. Ohne diese Kunst kann nach ihrer Meinung man leicht von dem Wahren abgeführt und getäuscht werden. Deshalb werde mit Recht, wenn das dreiste Behaupten und die Unwissenheit überall ein Fehler sei, die Kunst, welche diese Fehler beseitigt, eine Tugend genannt.

      Kap. XXII. (§ 73.) Der Naturwissenschaft ist die gleiche Ehre und nicht ohne Grund zugesprochen worden, weil Der, welcher naturgemäss leben will, von der ganzen Welt und ihrer Verwaltung ausgehen muss. Niemand kann über die Güter und Uebel ohne Kenntniss der Verhältnisse der Natur, des Lebens und selbst der Götter richtig urtheilen, und ob die Natur des Menschen mit der allgemeinen übereinstimmt oder nicht. Die alten Vorschriften weiser Männer, welche verlangen, »der Zeit sich zu fügen«, »der Gottheit zu folgen«, »sich selbst zu erkennen« und »ja nichts zu viel zu thun«, kann Niemand ohne die Naturkenntniss in ihrer vollen Bedeutung (und diese ist eine sehr weit reichende) erfassen. Auch kann nur diese Wissenschaft lehren, was die Natur vermag zur Pflege der Freundschaft und andern Verbindungen der Liebe und zur Pflege der Gerechtigkeit. Ebenso wenig kann man ohne Verständniss der Natur einsehn, welche Verehrung und welchen grossen Dank man den Göttern schuldet. (§ 74.) Doch ich sehe, dass ich weiter gegangen bin, als mein Plan verlangte; aber die wunderbare Zusammenstellung dieser Lehre und dieunglaubliche Ordnung ihres Inhaltes hat mich fortgerissen und bei den unsterblichen Göttern! sicherlich wirst auch Du diese Ordnung bewundern. Weder in der Natur, welche in Ordnung und Bestimmtheit Alles übertrifft, noch in den Werken von Menschenhänden findet sich eine gleiche Zusammenstellung, Verbindung und Fortführung. Wo stimmte nicht darin das Spätere zu dem Früheren? welche Folge entspräche nicht ihrem Vordersatze? Was wäre sonst wohl so mit einander verknüpft, dass, wenn man an einem Buchstaben rüttelt, das Ganze zusammenbricht? Doch es giebt nichts darin, woran man rütteln könnte. (§ 75.) Wie ernst, wie grossartig, wie fest wird Euch die Person des Weisen darin dargestellt? Nachdem die Lehre dargelegt hat, dass nur das Sittliche ein Gut sei, muss dieser Weise immer glücklich sein, und er verdient in Wahrheit alle jene Namen, welche nur die Unwissenden verlachen. Er kann mit mehr Recht wie Tarquinius König genannt werden; denn Jener konnte weder sich noch die Seinigen beherrschen; er kann mit mehr Recht Meister des Volkes (denn das ist der Dictator) genannt werden, als Sylla, der nur der Meister in drei verpestenden Lastern, in der Schwelgerei, dem Geize und der Grausamkeit war; mit mehr Recht reicher als Crassus, der, wenn er nicht Mangel gelitten hätte, niemals den Euphrat ohne allen Anlass zum Kriege überschritten haben würde. Mit Recht nennt man Alles das Seinige, denn nur der Weise allein versteht, Alles zu benutzen; mit Recht nennt man ihn schön, denn die Züge der Seele sind schöner als die des Körpers; mit Recht allein frei, denn er ist weder der Herrschaft eines Andern unterworfen, noch fröhnt er seinen Begierden. (§ 76.) Mit Recht heisst er unüberwindlich, denn wenn auch sein Leib in Fesseln geschlagen wird, so können doch seinem Geiste keine angelegt werden. Der Weise wartet auch nicht bis in sein hohes Alter, um erst dann zu entscheiden, ob er glücklich gewesen, wenn er seinen letzten Tag mit dem Tode beschliesst, wie Einer von den sieben Weisen, aber nicht weise, dem Crösus gebot; denn wäre Crösus überhaupt glücklich gewesen, so hätte sein glückliches Leben auch bis zu dem von Cyrus für ihn aufgerichteten Scheiterhaufen angedauert. Wenn es sich also so verhält, dass nur der gute Mann, aber auch alle guten Männer glücklich sind, was ist da mehr zu pflegen als die Philosophie, und was ist göttlicher als die Tugend?

       Inhaltsverzeichnis

      Kap. I. (§ 1.) Mit diesen Worten schloss Cato seine Rede und ich sagte: Wie hast Du doch von Deiner Auseinandersetzung das Viele mit so gutem Gedächtniss und das Dunkle so klar geboten! Wir müssen daher überhaupt es aufgeben, dagegen etwas zu sagen, oder wir brauchen Zeit, es zu überdenken; denn eine so sorgfältig und wenn auch vielleicht weniger wahr (denn darüber wage ich noch

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