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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays
Год выпуска 0
isbn 9788075830760
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nebenan schnarchte der südamerikanische Attaché, der wieder erst morgens gegen acht Uhr nach Hause gekommen war. Über den Korridor her tönte das abgehackte Klaviergehämmer der Schottinnen, die zu zweit das geduldige Instrument bearbeiteten, und weiter hinten die Stimme der Frau von Haidenschild, die das Dienstmädchen ausscholt.
Und unten klingelten über die Lützowstraße die Pferdebahnen, und die helle Herbstsonne glitzerte auf dem sauberen Pflaster.
Es litt Valeska nicht länger in der Wohnung. Sie beschloß, wie sie es jetzt oft tat, ein Weilchen ziellos durch den Tiergarten zu schlendern.
Diesmal freilich in besonders trüber Gemütsverfassung. Eine eigene sehnsüchtige Traurigkeit kam über sie, während sie langsam durch die laubüberschütteten, einsamen Pfade dahinschritt.
Die arme Töry ... die war nun tot. Nicht lange, nachdem sie ihr »... Adieu, Berlin ... du Hundenest« in die Rolle geschrieben. Und sie stellte sie sich vor, wie sie jetzt im Sarge lag, tief unter der Erde, vermodert und zerfallen der blühende Leib, das schone Gesicht, das einst so viele entzückt.
Aber schließlich ... die hatte es gut ... die hatte es überstanden. Kampf, Liebe und Leid dieser Erde lagen hinter ihr.
Die kleine Elten seufzte, und durch ihren armen Kopf dämmerte die Ahnung von der tiefen Zwecklosigkeit aller irdischen Dinge.
Was hatte sie nun von ihrem Berliner Dasein, auf das sie sich so sehr gefreut? Sechs Wochen lebte sie hier, schlicht und ehrbar, in tiefster Zurückgezogenheit. Und niemand dankte es ihr, niemand lohnte es ihr, niemand bemerkte sie überhaupt in der uferlosen Menge.
Sechs Wochen ohne einen Freund, ohne einen Menschen, dessen Hand sie vertrauensvoll fassen, dem sie ihre kleinen Leiden und Freuden berichten, ihre kleinen Sorgen beichten konnte.
Sie fühlte ... das würde sie auf die Dauer nicht ertragen. Und was hatte sie auch davon? ... Was hatte sie überhaupt von dem ganzen Leben ...?
»Nun ... so in Gedanken, Fräulein Valeska?« tönte neben ihr eine Stimme.
Die kleine Elten fuhr auf. »Ach ... Sie sind es!« sagte sie und streckte mit sonnigem Lächeln dem Major von Rönne, der in Zivil vor ihr stand, die Hand entgegen ...
XII.
Eine Weile standen sie schweigend beisammen und blickten in den Goldfischteich hinunter.
Dann nahm Rönne das Wort.
»Wie ist Ihnen der Abend neulich bekommen?«
»Danke!« sagte Valeska. »Das war der letzte Lichtblick! Seitdem bin ich ganz trübsinnig.«
»Haben Sie denn noch immer keine Rolle?«
»Ein Röllchen,« die Elten seufzte ... »ein Röllchen, winzig wie ein Kind. Vier Worte im ganzen. Und dazu muß ich als Herzogin kommen und vor der Hannemann zwei feierliche Hofknixe mit allen Schikanen machen.«
»Sie Ärmste ...«, der Major blickte sie von der Seite an ... »und darüber denken Sie also jetzt nach?«
Die kleine Elten war heute in ihrer traurigsten Stimmung.
Sie schaute tiefsinnig auf den glatten Spiegel des Teiches.
»Ich denke darüber nach ...«, sagte sie langsam, »ob ich nicht da hineinspringen soll ... kopfvor ... schwimmen kann ich nämlich nicht ...«
Aber Herr von Rönne schien gar nicht für die Romantik aufgelegt.
»Dann würden Sie jämmerlich um Hilfe schreien«, lachte er, »und naß wie eine Katze mit der sicheren Anwartschaft auf einen Stockschnupfen wieder herausgezogen werden, und ein Schutzmann brächte Sie in Ihre Wohnung ...«
Einen Augenblick ärgerte sich Valeska, dann stimmte sie in seine Heiterkeit ein.
»Sie haben ganz recht. Es war nur dummes Gerede. Eigentlich bin ich doch immer noch fidel. Warum, weiß ich freilich nicht.«
»Warum sollten Sie nicht heiter sein ...«, erwiderte Rönne ruhig. »Wie viele Menschen haben denn das Glück, wie Sie, jung, schön und gesund zu gleicher Zeit zu sein? ...«
Valeska antwortete nicht.
Er macht mir wahrhaftig Komplimente ..., dachte sie erstaunt und schritt neben ihm den schattigen Fußweg der Charlottenburger Chaussee entlang. Zu ihren Füßen raschelte das Herbstlaub, auf das zwischen den Zweigen hindurch die Sonne tanzende Lichter warf, und vom Kleinen Stern her trug ein Windstoß die verwehten Klänge der Drehorgel, hinter der bettelnd der blinde Invalide stand.
»Warum tragen Sie so oft Zivil?« fragte Valeska endlich, nur um etwas zu sagen.
Rönne fuhr wie aus einem Traume auf.
»Es ist bequemer ...«, sagte er, »wenn man so zwecklos durch die Gassen schlendert ...«
»Tun Sie das denn oft?«
Ihr Begleiter zuckte die Achseln.
»Was sollte ich viel anderes tun, wenn ich mein Aktenloch verlassen habe?«
Valeska schwieg befangen. Sie wußte von Thilda, daß der Major dicht davor stand, Witwer zu werden. Aus der Bewußtlosigkeit, in der Frau von Rönne seit Monaten lag, glitt sie jetzt langsam und unmerklich in das Nichtsein hinüber ...
Ein eleganter Offizier sprengte in kurzem Galopp auf dem Reitpfade nebenan vorbei. Den Major erblickend, legte er verbindlich die Hand an die Mütze und verbeugte sich im Sattel gegen ihn und seine Begleiterin.
»Dieser Generalstäbler hat eine große Karriere vor sich«, sagte Rönne zu Valeska, die ängstlich ihr Kleid zusammengerafft hatte, um es vor den auffliegenden Staubbrocken zu schützen ... »Oberst von der Lünne.«
»Ein schönes Pferd hatte er ...«, meinte die kleine Elten nachdenklich ... »nicht wahr?«
Der Major lachte.
»Das habe ich ihm verkauft ... vor ein paar Wochen ... allzuviel taugt es nicht ...«
»Nun, wenn ich ein Pferd hätte und reiten könnte ...« Valeska sann nach ... »Nein ... das würde ich nicht verkaufen.«
Rönne nickte ihr Beifall.
»Die Pferde sind noch mit das beste an der ganzen Schöpfung. Ich habe große Lust, mir selbst ein kleines Gestüt anzulegen, wenn ich einmal wirklich Gutsbesitzer bin ...«
»Wollen Sie denn ein Gut kaufen?«
»Ich besitze schon eins«, erwiderte Rönne, »in Schleswig ... schön an einem See gelegen ... und an dem Ufer ein großer Park von uralten Buchen. Aber ich komme nicht dazu, mich darum zu kümmern. Der Dienst läßt mir keine freie Stunde.«
»Da würde ich den Dienst aufgeben ...«, seufzte die Elten ... »Sie Glücklicher ... ein Gut ... mit einem Park ... und einem Teich ... ich kann mir gar nicht vorstellen, was das für ein Gefühl sein mag, irgend etwas auf der Welt wirklich zu besitzen ..., daß man sagen kann: das da ist mein, und niemand darf es mir rauben ... Ich kenne das gar nicht ...«
Der Major wollte sie trösten. Aber ihre Gedanken blieben bei dem Gute.
»Sicher ist auch ein Hühnerhof da«, träumte sie, »mit türkischen Enten und Purzeltauben und einem recht großen Puterhahn ... im Bade Holl ... da war im Kurhaus so ein Hühnerhof ... da fütterte ich immer die Tiere ... macht Ihnen das keinen Spaß ...?«
»Ehrlich gestanden,« erwiderte der Major »... ich weiß nicht einmal, ob ein Hühnerhof da ist. An solchen bescheidenen Freuden gehen wir Männer nun einmal achtlos vorüber. Aber ein großer Stier ist da. Der liegt im Stall an zwei Ketten ... und zwei ausgezeichnete Hühnerhunde ... und ... ja richtig