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in der Stadt Rotterdam!

      Eure Exzellenzen werden sich vielleicht eines bescheidenen Handwerksmannes namens Hans Pfaall, seines Zeichens Blasebalgflicker, zu erinnern vermögen, der vor ungefähr fünf Jahren mit drei andern Männern auf unerklärliche Weise aus Rotterdam verschwand. Wenn es indessen Euren Exzellenzen so gefällt, bin ich, der Schreiber dieser Zeilen, der bewußte Hans Pfaall selber. Es ist den meisten meiner Mitbürger wohl bekannt, daß ich vierzig Jahre lang das kleine Ziegelhaus am Eingang der Sauerkrautgasse bewohnte, und zwar bis zum Zeitpunkt meines Verschwindens. Auch meine Vorfahren haben, länger als man denken kann, da gelebt und haben, ebenso wie ich, ständig das ehrenwerte und einkömmliche Gewerbe eines Blasebalgflickers getrieben, denn – der Wahrheit die Ehre – bis auf die letzten Jahre, wo die Leute anfingen, politisch überklug zu werden, konnte ein ehrlicher Bürger Rotterdams sich kein besseres Gewerbe als mein eignes wünschen. Kredit hatte man genug, an Arbeit fehlte es nie, und weder an Geld noch gutem Willen war je Mangel. Wie ich aber sagte: wir begannen bald die Folgen der Freiheit zu spüren, und lange Reden folgten und Radikalismus und dergleichen. Leute, die früher die denkbar besten Kunden waren, nahmen sich nun nicht einen Augenblick Zeit, überhaupt an uns zu denken. Sie hatten immerfort revolutionäres Zeug zu lesen und mußten mit der vorwärtsschreitenden Aufklärung Schritt halten, um hinter dem Geist der Zeit nur ja nicht zurückzubleiben. War ein Feuer anzublasen, so benutzte man eine Zeitung dazu, und je schwächer die Regierung wurde, um so stärker wurden Leder und Eisen – denn binnen kurzem gab es in ganz Rotterdam nicht einen Blasebalg mehr, der auch nur einen Nadelstich oder einen Hammerschlag nötig gehabt hätte.

      Das war ein unerträglicher Zustand. Ich wurde bald so arm wie eine Kirchenmaus, und da ich für Weib und Kinder zu sorgen hatte, wuchs mir meine Last schließlich über den Kopf, und ich verbrachte Stunde um Stunde im Nachsinnen, wie ich meinem Leben auf die angenehmste Art ein Ende machen könne.

      Die Gläubiger indessen ließen mir zur Selbstbetrachtung wenig Muße. Mein Haus blieb von morgens bis abends buchstäblich belagert. Da waren vor allem drei Burschen, die mich unerträglich plagten, beständig meine Tür belauerten und mir mit dem Gesetz drohten. Diesen dreien schwur ich bitterste Rache, wenn es mir je gelingen sollte, sie in meine Klauen zu bekommen, und ich glaube, nichts als das Vorgefühl dieses Vergnügens hat mich abgehalten, meine Selbstmordabsichten sogleich durch Ausblasen des Lebenslichts mit einer Donnerbüchse ins Werk zu setzen. Ich hielt es indessen für das beste, meine Wut zu verbergen und die Leute mit Versprechungen und schönen Worten hinzuhalten, bis eine gütige Schicksalswendung mir Gelegenheit zur Rache bieten würde.

      Eines Tages, als ich ihnen entwischt war und mich niedergeschlagener fühlte als je, wanderte ich lange ziellos durch die abgelegensten Straßen, bis ich zufällig an den Verkaufsstand eines Buchhändlers anrannte. Da ich hier zur Bequemlichkeit einen Stuhl stehen sah, sank ich verbittert darauf nieder und schlug ganz gedankenlos das erste Buch auf, das mir unter die Hände kam. Es war eine kleine Broschüre, eine Abhandlung über spekulative Astronomie, verfaßt von Professor Encke in Berlin oder von einem Franzosen mit ähnlich klingendem Namen. Ich hatte ein ganz klein wenig Kenntnisse auf diesem Gebiet und vertiefte mich bald so sehr in den Inhalt des Buches, daß ich es allen Ernstes zweimal durchlas, ehe ich wieder zum Bewußtsein dessen kam, was um mich vorging.

      Da es dunkel zu werden begann, lenkte ich meine Schritte heimwärts. Doch die Abhandlung (in Verbindung mit einer Entdeckung über die Luftströmungen, die mir unlängst als wichtiges Geheimnis von einem Vetter in Nantes mitgeteilt worden war) hatte unauslöschlichen Eindruck auf mich gemacht, und während ich durch die dämmerigen Straßen schlenderte, überdachte ich sorgfältig die abenteuerlichen und zuweilen unverständlichen Darlegungen des Verfassers. Da waren besonders einige Stellen, die äußerst anregend auf meine Phantasie wirkten. Je mehr ich über diese Dinge nachdachte, desto stärker wurde das Interesse, das sie in mir geweckt hatten. Die Begrenztheit meiner allgemeinen Bildung und vor allem meine Unkenntnis auf den Gebieten der Naturwissenschaft ließen weder in mir Bedenken aufkommen, ob ich das Gelesene auch begreifen könne, noch machten sie mich gegen alle die unklaren Vorstellungen, die infolgedessen in mir erstanden waren, irgendwie mißtrauisch, führten vielmehr der Phantasie nur noch neue Nahrung zu. Und ich war kindisch genug, oder vielleicht vernünftig genug, mich zu fragen, ob solche unreifen Ideen, wie sie in ungebildeten Köpfen auftauchen, nicht auch den Wahrheitsgehalt und die andern dem Instinkt und der Intuition verliehenen Eigenschaften in der Tat besitzen möchten.

      Es war spät, als ich zu Hause ankam, und ich ging sogleich zu Bett. Mein Geist aber blieb zu beschäftigt, um mich schlafen zu lassen, und ich lag die ganze Nacht in Grübelei versunken. Ich stand früh am Morgen auf und begab mich eilig zu dem Buchhändler, um das wenige Bargeld, das ich besaß, für den Einkauf einiger Bände über Mechanik und praktische Astronomie anzulegen. Als ich mit ihnen glücklich zu Hause angelangt war, widmete ich jede freie Minute ihrem Studium und machte bald in Kenntnissen dieser Art genügende Fortschritte, um an die Ausführung eines bestimmten Planes zu gehen, den mir entweder der Teufel oder mein guter Engel eingab. Inzwischen machte ich alle möglichen Versuche, die drei Gläubiger, die mir soviel Unannehmlichkeit bereitet hatten, zu beruhigen. Das gelang mir endlich, teils, indem ich soviel von meiner Wohnungseinrichtung verkaufte, um einen Teil ihrer Ansprüche befriedigen zu können, teils durch das Versprechen, den Rest nach Vollendung eines kleinen Projektes zu begleichen, das ich, wie ich ihnen sagte, auszuführen gedächte und für das ich mir ihren Beistand erbat. Auf diese Art (denn es waren unwissende Leute) erreichte ich es unschwer, sie für meine Absichten zu gewinnen.

      Als die Dinge soweit geordnet waren, gelang es mir mit Hilfe meiner Frau und mit aller meiner Vorsicht und Heimlichkeit, meinen übrigen Besitz zu verkaufen und in kleinen Summen, unter verschiedenen Vorspiegelungen und (wie ich beschämt gestehe) unbekümmert darum, wie ich es später zurückgeben solle, einen ansehnlichen Betrag Bargeld zusammenzuborgen. Mit Hilfe dieser hinreichenden Geldsumme beschaffte ich mir nach und nach ganz feinen Kambrikmusselin, immer in Stücken von je zwölf Metern, Zwirn, ein großes Quantum Kautschuklack, einen großen und tiefen, nach Bestellung angefertigten Weidenkorb und einige andere zur Herstellung und Ausstattung eines Ballons von außergewöhnlichen Dimensionen nötigen Gegenstände. Den Ballon ließ ich von meiner Frau so schnell wie möglich anfertigen und gab ihr alle nötige Belehrung, wie sie dabei zu verfahren habe. Inzwischen drehte ich aus dem Zwirn ein Netzwerk von entsprechendem Umfang, das ich mit einem Reif und den nötigen Seilen ausstaffierte. Dann kaufte ich zahlreiche Instrumente ein und Material für Experimente in den oberen Regionen der Atmosphäre. Ich benutzte eine günstige Nacht, an einer entlegenen Stelle östlich von Rotterdam fünf mit Eisenreifen gebundene Fässer unterzubringen, deren jedes etwa fünfzig Gallonen faßte, und eines von größerem Umfang; dazu sechs Zinnröhren von drei Zoll Durchmesser und zehn Fuß Länge, eine Quantität einer bestimmten metallischen Substanz oder ein Halbmetall, das ich nicht nennen werde, und ein Dutzend großer Korbflaschen mit einer sehr bekannten Flüssigkeit. Das Gas, das aus diesen letztgenannten Stoffen hergestellt werden sollte, ist von niemand außer mir je hergestellt oder wenigstens nicht zu irgendwie ähnlichen Zwecken verwertet worden. Ich darf hier nur verraten, daß es ein bisher als unlöslich geltender Bestandteil des Stickstoffs ist und daß seine Dichtigkeit etwa Z7,4 mal geringer ist als die des Wasserstoffgases. Es ist geschmacklos, aber nicht geruchlos, brennt, unvermischt, mit einer grünlichen Flamme und wirkt auf alles tierische Leben augenblicklich tödlich. Ich würde ohne weiteres das ganze Geheimnis preisgeben, wenn es nicht von Rechts wegen (wie ich vorher andeutete) einem Einwohner von Nantes in Frankreich gehörte, der es mir bedingungsweise vermittelt hat. Dieselbe Person machte mich, ohne eine Ahnung von meinen Absichten zu haben, auch mit einem Verfahren bekannt, aus der Membran eines gewissen Tieres Ballons anzufertigen, bei denen ein Entweichen von Gas fast ausgeschlossen bleibt. Ich fand es jedoch alles in allem zu kostspielig und war ziemlich überzeugt, daß Kambrikmusselin mit einer Kautschukverkleidung ebensogut sei. Ich erwähne hier diesen Umstand, weil ich es für wahrscheinlich halte, daß nun die genannte Person einen Ballonaufstieg mit dem neuen Gas und dem beschriebenen Material versuchen wird und ich dem Betreffenden die Ehre, eine sehr merkwürdige Erfindung gemacht zu haben, nicht wegnehmen möchte.

      An der Stelle, die jedes der kleineren Fässer während der Füllung des Ballons einnehmen sollte, grub ich je ein Loch; die Löcher ergaben einen Kreis von fünfundzwanzig Fuß im Durchmesser. In der Mitte dieses Kreises,

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