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der Redner Hoovers neues Regierungsprogramm. Tausende riefen Beifall. Das neue Reich des Glücks und der Wahrheit schien angebrochen.

      Nicht weit von Knut saß ein Mann mit kniffigem Mund.

      Kein amerikanisches Gesicht. Wo habe ich es nur schon gesehen? überlegte Knut. Es ist mir bekannt – diese lederne Physiognomie mit den schwarzen unruhigen Augen hat irgendwie in meinem Leben schon eine Rolle gespielt.

      Da fiel es ihm auch schon ein:

      Schematzky –!

      „Schematzky“, sagt Knut während einer Pause. Der Angeredete wendet ihm hastig das Gesicht mit den ewig mahlenden Zähnen zu. Forschend ruhen die harten Augen auf dem armseligen, heruntergekommenen Deutschen.

      „Schematzky“, wiederholen einige Leute mit sonderbarer Scheu.

      „Ich bin Knut Storting“, sagt der Deutsche.

      Sekundenlang denkt der ehemalige Münchner Buchverleger nach. Dann geht Erinnern über sein Gesicht. Er schüttelt Knut kräftig und, wie es scheint, freudig bewegt die Hand.

      „Geben Sie mir Ihre Adresse, Storting. Warten Sie, ich notiere sie mir.“ Er zieht ein Notizbuch, in Saffian gebunden. Notiert.

      „Sie hören von mir! Es geht Ihnen nicht gut, no? Oh dear! Nun, ich werde Vergangenes gutmachen! Sie sollen zufrieden sein! Good night, Storting!“ Fort ist er. Eine Hand legt sich, kaum merklich, auf Knuts Schulter.

      „Kennen Sie Mr. Schematzky?“

      „Ja“, antwortet Knut und schaut verdrossen in ein scharfkantiges Gesicht. Die Habichtsnase neigt sich beinahe bis zu den harten Lippen hinab.

      „Was kümmert es Sie?“

      Der Mann schweigt. Nach einer Weile:

      „Sie sind Deutscher?“

      „Ja.“ Knut erblickt das Erkennungszeichen eines Polizeidetektivs. „Ich frage nur. Wissen Sie, wer Schematzky ist? Der erfolgreichste Alkoholschmuggler. Vielfacher Millionär.“

      „So? Warum verhaften Sie ihn nicht?“

      Der Detektiv lacht bissig.

      „Wir wissen viel, aber zugreifen? Erst Beweise!“

      Er nahm von da ab keine Notiz mehr von dem Deutschen. Als Knut sich erhob, erblickte er am Boden eine Photographie, die aus Schematzkys Rocktasche gefallen sein mußte. –

      Er hob sie auf. –

      Alles Blut wich aus seinem Gesicht. –

      Es war das Bild seiner rätselhaften Unbekannten!

      Mit größter Anstrengung beherrschte er sich und steckte die Photographie zu sich.

      *

      Nach einer schlaflosen Nacht lernte Knut in dem Logierhaus auch seine Nachbarin kennen, deren Lied ihn eines Abends so erschüttert hatte. Ein junges, blondes Mädel. Von jener selbstverständlichen Schönheit, die von einem gesunden Körper und einer reinen Seele ausgeht. Sie sah ihn halb neugierig, halb mitleidsvoll an. Erriet die Mühe, die es ihm verursachen mochte, seinen Anzug noch instand zu halten.

      „Sie sind Deutsche?“ fragte er.

      „Ja, Deutsche. Woher stammen Sie?“

      „Aus der Gegend von Frankfurt an der Oder. Da oben in der Mark.“

      „Oh!“ lächelte sie. „Da soll es nur Sand und wieder Sand geben!“

      „Nein, nein! Da blühen die Blumen und rauschen Linden und Ahorn wie in allen deutschen Gauen. Sie sind, wenn ich nicht irre, vom Rhein?“

      „Merken Sie es an meiner Aussprache?“

      „Ja. Und das Lied vom Rhein hat es mir verraten.“

      „Ich bin aus der Bonner Gegend.“ Sie sagte es wie einen Spruch aus dem Evangelium. Ihre Augen wurden dunkel. Sie sah an ihm vorbei, über Ozean und Fernen – das Vaterland.

      „Haben Sie Heimweh?“

      Sie schwieg und warf den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken.

      Da stand plötzlich breit und gesprächig ihr Vater neben Knut.

      „So, so“, sagte er, „auch Deutscher!“

      „Ja!“ Knut musterte den unternehmungslustigen Rheinländer. Hans Reichert hieß er und war Weinbauer. Vor kurzem ausgewandert. Und er? Knut gab zerstreute, unsichere Antworten. Er dachte nur an Schematzky und die Unbekannte.

      Nach zwei Tagen traf von dem Ungar ein Brief mit Geld ein. Zweihundert Dollar! Ein Vermögen für Knut.

      „Ich weiß“, schrieb Schematzky, „daß ein Detektiv Sie nach mir ausgefragt hat. Lassen Sie sich nicht mit Detektiven ein! Damit macht man kein money. Die zweihundert Dollar sind Ihr Geld. Ertrag aus Ihrem Buch, die ich damals für mich verwandt habe. Sie dürfen es also ruhig annehmen. Und wenn Sie smart sind, dann besuchen Sie mich –“

      Oh – und ob Knut „smart“ war!

      Ohne sich fünf Minuten zu besinnen, eilte er zu Schematzky.

      Es war Abend. Der Broadway zischte förmlich Lichtreklamen. Die Wolkenkratzer hoben sich malerisch aus einem milchigen Gürtel von Licht. Nahe dem Paramount-Filmpalast befanden sich die Büros des Ungarn.

      Die Räume waren bereits geschlossen. Mr. Schematzky wohnte in der Park-Avenue. In der Straße der Millionäre.

      Knut fuhr hin. Der Pförtner verlangte seinen Namen. Telephonierte mit dem Sekretär des Millionärs. Ein Aufzug führte Knut blitzschnell in die 29. Etage.

      Ein Flur. Türen. Ein Liftboy drückt auf eine Klingel. Ein blitzblanker Nigger öffnet eine der vielen Türen, empfängt mit einem kaum merklichen Blick des Unwillens den Mann, der wie ein Arbeitsloser aussieht, geleitet ihn in einen mit höchstem Luxus ausgestatteten Raum. –

      Schematzky hat Knut erwartet und geht ihm schnell entgegen.

      Noch schneller sagt Knut:

      „Sie haben kürzlich eine Photographie verloren!“

      „Ich weiß. Sie haben sie gefunden!“

      „Ja. Ehe ich sie zurückgebe, eine Frage: Wer ist diese junge Dame?“

      Jetzt erst fällt Schematzky die Hast auf, mit der der Besucher die Worte hervorstößt.

      Er wirft ihm einen scharfen Blick zu.

      „Eine mir nahestehende Dame.“

      Knut fühlt plötzlich Leere in sich. – Das Zimmer wird unwirklich.

      „Nahestehend? Wollen Sie mir nicht sagen, wie sie heißt?“

      In dem Gesicht des Schmugglers arbeitet es. Irgendeine Ideenverbindung bringt ihn auf die richtige Fährte. „Sind Sie der Mann, der sie aus dem Hause zur Goldküste gerettet hat?“

      „Ja, der bin ich. Und ich suche die Dame ohne Rast. Ich habe ein Anrecht darauf, sie wiederzusehen, wenigstens zu wissen, ob sie lebt und nicht etwa wieder entführt wurde.“

      „Sie ist nicht wieder entführt worden, Storting!“

      „Sagen Sie mir, was Sie von ihr wissen, Schematzky. Sie ahnen nicht, von welcher Wichtigkeit das für mich ist! Sie sagen, die Dame stünde Ihnen nahe!“

      Knut schaut Schematzky ins Gesicht. Der lächelt frech und doch nachsichtig.

      „Lieben Sie denn Miß – Violet?“

      „Ja, sie heißt Violet! Sie kennen Sie! Schematzky, ich flehe Sie an – wer ist sie? Wo ist sie?“

      Schematzky bleibt stumm. Endlich sagt er:

      „Ich werde Sie mit der Dame bekannt machen.“

      „Oh, ich danke Ihnen, Schematzky!“ –

      „Unter einer Bedingung

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