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Polizei hat die beiden Mieter der mysteriösen Wohnung in der Bowery bereits ausgekundschaftet. Bei Redaktionsschluß werden sie vom Schnellrichter Jafferson verhört. Es sind Peer Wichman und Harry Seal, dieselben, die vor kurzem in den großen Gangster-Prozeß verwickelt waren. Wichman ist Anführer einer Bande, die seit Jahren Neuyork unsicher macht. Er hat das Geschäft von seinem Freund Samuel Hick geerbt, dessen Kompagnon er war, bis Hick in einem nächtlichen Straßenkampf von der Polizei erschossen wurde. Beide leugnen bis jetzt, die Gefangene zu kennen. Aber man wird sie beim Verhör ‚dritten Grades‘ schon zum Sprechen bringen.“

      Knut Storting schob die Unterlippe vor. Mögen sie suchen! Er hat kein Verlangen, in allen Zeitungen genannt zu werden. Und die schöne Unbekannte hegte offensichtlich die gleiche Abneigung gegen das millionenmal vervielfältigte Porträt. Er handelte in ihrem Sinne, wenn er schwieg.

      Um zwölf Uhr meldeten die Zeitungen, daß die Verbrecher noch energisch verhört würden. Die Polizei vermute, daß hinter Wichman und Seal eine besondere Persönlichkeit stehe. Diese Zusammenhänge gelte es aufzudecken.

      Knut beschloß, die Unbekannte aufzusuchen und ihre Erlaubnis einzuholen, sich der Polizei zur Verfügung zu stellen. Eine unerklärliche Unruhe trieb ihn fieberhaft umher.

      Er aß kaum. Wartete den ganzen Tag. Aber keine Nachricht kam.

      Sie hat die Adresse vergessen, dachte er. Das ist ja nur natürlich. Warum habe ich sie ihr nicht aufgeschrieben? Es ging aber alles so unwirklich schnell. – Immerhin: er hatte sich ihre Adresse gemerkt. Gegen Abend pilgerte er hinaus nach dem Osten.

      Das Haus fand er schnell. Ein Mann stand im Flur. Er las einer Gruppe von Männern vor, daß der Chikagoer Polizeipräsident erschossen worden sei. Er hatte dem Syndikat der Rumschmuggler Kampf bis aufs Messer angesagt. In dem Neuyorker Entführungsprozeß sei man noch nicht weitergekommen. Die verhafteten Verbrecher weigerten sich entschieden, den Mann zu nennen, der hinter ihnen stand.

      Dumpfe, stickige Luft herrschte in dem Treppenhaus. Knut fand nach langem Suchen die Tür des Hausverwalters. Er klingelte.

      Mit schlürfenden Schritten kam eine alte Frau und öffnete.

      „Was ist los?“

      „Ich suche eine Miß Violet!“

      „Aber bei mir doch nicht!“ Die Alte will die Tür zuwerfen.

      Knut sucht zu erklären. „Eine Dame, die hier wohnt – eine sehr elegante, schöne Frau mit dunklen Augen – sie dürfte sehr reich sein.“

      Da wendet sich die Frau ins Innere der Wohnung: „Jonny, komm’ doch mal heraus und bringe den verrückten Kerl weg.“

      Eine vierschrötige Männergestalt wird hinter ihr sichtbar.

      „Was will er?“

      Wieder berichtet Knut, er suche eine sehr elegante, schöne Dame, die in diesem Haus wohnen wollte.

      Der Riese kommt dicht heran.

      „Wenn ich Sie wäre, ich drehte um und würde schleunigst verschwinden! Hier sind Sie sicher nicht in dem richtigen Hause. Wir kennen hier keine vornehmen Damen. Wir wollen auch nichts mit ihnen zu tun haben!“

      Knut stieg die Treppe empor.

      Im ersten Stock standen zwei Frauen. Er trat zu ihnen, fragte, beschrieb.

      Die beiden sahen ihn mißtrauisch an. „Hat sie Ihnen etwas gestohlen?“

      „Nein – ich suche sie nur so – – –“

      „Wir kennen sie nicht. Hier wohnen nur arme Leute – und die Frauen in diesem Hause gehen solchem Beruf nicht nach, der elegante Abendkleider einbringt –“

      Er gab es auf.

      Auf der Straße spielten und lärmten die Kinder, ein Milchwagen rasselte vorbei. Knut ging wie im Traum.

      War denn das alles wahr, was er erlebt hatte? War es nicht ein wüster Traum, ein Gebilde seiner Phantasie? Hat er wirklich eine Frau befreit, die ihn so augenscheinlich belogen hat? Wollte sie verschwinden, damit er sie nicht wiederfinden konnte?

      Er hätte zur Polizei gehen können. Aber er fühlte, daß er sie dann für immer verlieren würde.

      3

      Ja, nun war mehr als ein Jahr verstrichen, seit er in Ellis Island angekommen war.

      Nun hatte er Neuyork kennengelernt, diese phantastisch nüchterne Stadt, in der ununterbrochen die Fluten eines ungeheuren Verkehrs zusammenprallen, um sich an fünfzigstöckigen Häusern wie die Meeresbrandung an Felsklippen zu brechen.

      Für Knut Storting hatte dieses gigantische Gemälde des Ringens, der gefesselten Arbeit und eines märchenhaften Reichtums etwas Überwältigendes.

      Jäh und in ununterbrochener Flut wogt das Leben durch die gewaltigen Pulsadern Neuyorks.

      Nahe der Bowery leben die Ratten: die armseligen Trödler, Inhaber elender Bekleidungsanstalten, Schauspieler an minderwertigen Theatern und die Besitzer der Kneipen.

      Welch ein Rätsel: die prächtigen Kirchen, die so vielen Sekten, die in dieser Stadt nebeneinander leben, als Stätten der Andacht dienen. – Heuchelei? Feigheit? – Wirkliche Suche nach Gott?

      Knuts scharfes Auge hat längst entdeckt, wie unterminiert von Elend, Unbildung und Schande diese glanzvolle Stadt ist:

      Östlich von der Bowery das Quartier der russischen Juden. Armselige Gassen, ein modernes Ghetto. Zwischen Bowery und Broadway, wo sich die Ströme des rollenden Reichtums hin und her ergießen, die armseligen Quartiere italienischer Tagelöhner und Orgelspieler: Welch eine Anhäufung von bitterstem Elend und trübster Bestimmung!

      Und die Park-Avenue, die über die Fünfte Avenue triumphiert: diese Massenansammlungen von gewaltigen monumentalen öffentlichen Bauten und Kunstanstalten, dieses Meer von Villen und Palästen, wo sich das Geld im gesicherten Besitz seiner Millionen organisiert hat! Schon kannte Knut die verschiedenen Ziele der verschiedenen politischen Parteien. Er studierte das Volk und wunderte sich: Neben der drückendsten Armut welch eine Bildungslosigkeit der Reichen! Welche Roheit unter den untersten Schichten – dabei eine große Anzahl von Schulen, eine gewaltige öffentliche Wohltätigkeit!

      Er durchschaute bald die gewaltige Korruption, die dieses Riesenräderwerk der Arbeit durchzieht und seine Tätigkeit hemmt.

      Er mußte eine Betätigung seines innersten Wesens finden, das lag nun einmal in seiner Natur. Die Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit war abgebrochen. Also vertiefte sich Knut mit Feuereifer in die Probleme dieses für ihn neuen Lebens. Er fühlte sich bereits als Amerikaner, freilich als Organisator, als Reformer!

      Überraschend schnell hatte er nach jenem Abenteuer mit „Violet“ eine gutbezahlte Stellung in einer deutsch-amerikanischen Privatschule erhalten. Sie war von einem Komitee gegründet worden, dem viele Geistliche angehörten.

      Er lehrte Naturwissenschaft. Von Anfang an fiel es ihm schwer, sich an die veralteten Vorschriften des Lehrplans zu halten.

      War es nicht viel wichtiger, die Wahrheit zu lehren, jene klare, reine wissenschaftliche Wahrheit, für deren Erforschung die größten Geister ihr Leben lang tätig gewesen. Es befriedigte ihn mehr, aus den Augen seiner Schüler atemlosen Enthusiasmus zu lesen, als nach dem Programm der Schule Unterricht zu erteilen. Schon nach kurzer Zeit beobachtete man seine Lehrtätigkeit mit Mißtrauen. Er kümmerte sich nicht darum. Er merkte kaum etwas davon. Er befand sich ja in dem freien Amerika! In einem Lande, das auch ihm mit der Selbständigkeit seines Geistes die höchsten Privilegien einer freien Menschheit verlieh.

      „Sie haben allen Ihren wissenschaftlichen Untersuchungen die Bibel zugrunde zu legen“, sagte der Direktor des Instituts. „Wir warnen Sie ausdrücklich vor Irrlehren, also etwa Grundsätze zu vertreten, die Darwin zum Schaden der Menschheit und der Religion erfunden hat.“

      Knut Storting schüttelte den Kopf.

      „Wie können

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