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ist der Traum meiner Tage und Nächte . . . Du als Patron — ich an der Kasse — die beiden Kinder, die wir haben werden, helfen bald unten im Kaffeehaus mit . . .“ Der schmächtige Stambul-Efendi atmete schwer, aber hoffnungsvoll.

      „Ich dank’ dir! Nun geh, meine kleine Ratte!“

      Am Kartentisch gab es über einer mit einem Nadelstich punktierten Treffsieben ein wildes Stühlegetaumel, Händegefuchtel, Zungengezeter. Der Taschendieb und der Falschspieler beschuldigten sich gegenseitig des Betruges. Der Stiefelputzer deutete auf den Bankhalter. Der Hautarzt und der Fremdenführer hielten sich keuchend die Fäuste vor die Nasen. Plötzlich schlüpften überall handliche kleine Trommelrevolver aus den Taschen. Auf der Schwelle zeigte sich, muskelstrotzend, stiernackig, riesig wie ein Ofen, Sliman, der türkische Preisringer und Hüter der Hausordnung. Sein schweigsames Erscheinen beruhigte die Gemüter. Man spielte stumm mit neuen Karten weiter, als sei nichts geschehen.

      Die Froidure war weg. Alphonse Brigolaud, der Oberkellner, warf einen verächtlichen Abschiedsblick auf die Levante und stieg eilig die Treppe zum Varieté empor.

      9

      In dem heissen, von Rauch bläulichen, von Fessen rotschimmernden Tingeltangel beendete eben das böhmische Damenorchester schmetternd den Fatinitzamarsch. Die Kapellmeisterin stand feurig, schwarzäugig, vor ihrer Schar, in einem Kopftuch aus bunten Glasperlen, weissleinene Puffärmel an der farbigen Jacke, mit einer geblümten Schürze und hohen roten Saffianstiefeln.

      Sie senkte den Taktstock wie einen Degen zum Dank gegen das südliche Geprassel der Handflächen. Nur ein pariserisch elegant in Taubengrau gekleideter, schmächtiger Grieche lass teilnahmlos allein an einem Tischchen. Seine regelmässigen, von einem kleinen schwarzen Schnurrbart beschatteten Züge waren ohne Ausdruck. Seine dunklen Augen leer, tief in sich glühend.

      Mit dem Riefendiamanten in seinem mattgoldenen Seidenschlips hätte man den ganzen Kristallpalast kaufen können. Scheue Blicke geldgieriger Andacht fielen rings auf ihn. Jedes Kind in Pera kannte den Sohn des Stiefelputzers von Saloniki, den Schrecken aller ehrbaren Kaufleute der Levante, den grössten aller Abenteurer zwischen Alexandria und Odessa — jedes Kind kannte Lamba, den reichsten der Griechen — Palamidi Lamba, dem der weisse Palast draussen am Bosporus, gegenüber dem Dorf Ortaköi, und in dem Palast die dunkeläugige Charis, die schönste der Levantinerinnen, gehörte.

      Alphonse Brigolaud, obwohl im Frack einem Diplomaten des vornehmen Cercle d’Orient nebenan ähnlich, stand ehrerbietig vor dem gefürchteten Millionär, so, als sei er, der Oberkellner, nur rasch, in blossem Kopf, aus dem Restaurant Lebon herübergekommen, um die Befehle der Eccellenza für ein späteres Souper dort entgegenzunehmen. Er sagte leise, mit dem Lächeln des Vertrauten:

      „Kein Augen heute für Mademoiselle Mucki?“

      Die Slavacek, die Kapellmeisterin, war als die „Mucki“ seit fünfzehn Jahren mit ihrer Damenkapelle in den Häfen des östlichen Mittelmeeres bekannt wie ein bunter Hund. Wenn sie nach Konstantinopel kam, war sie die Freundin Lambas. Das stand ein für allemal fest. Aber der Levantiner murmelte mit einem widerwilligen Zucken der Unterlippe:

      „Wann wird man diese alte Ziege schlachten?“

      Und dann leidend, in sich verbissen, mehr zu sich als zu dem Oberkellner vor ihm:

      „Es ist nur eine Gewohnheit, dass ich hier sitze! Ich habe heute im Meer ein Mädchen gesehen — ein Mädchen wie die Sonne — das Haar golden wie die Sonne — tief — tiefblau wie das Meer die Augen . . .“

      Der vornehme Frackträger wechselte diskret das Gespräch. Er versetzte absichtlich laut:

      „Hühnerbrust in Milch . . . Sehr wohl!“ und flüsternd, während er anscheinend notierte: „Nachricht aus dem Konak Schükri: der Marschall empfängt in acht Tagen Herrn Buddenhaus. Das Paris-Petersburger Syndikat ist auf dem Marsch zur Macht!“

      „Zum Nachtisch Maiskörner mit Maulbeersaft!“ Lamba, der griechische Übermillionär, stand hastig auf. Ohne einen weiteren Blick nach seinem Agenten, dem Oberkellner, und der Kapellmeisterin, verliess er das Café chantant. Er eilte weiter die Grande Rue hinauf und betrat nach zwei Minuten, auf der linken Strassenseite wie der Kristallpalast, die prunkvollen Räume des Cercle d’Orient.

      Er sah in dem feudalen Konstantinopeler Diplomatenklub um sich die gesellschaftliche Creme aller Nationen Europas, er fühlte an jeder Bewegung der vornehmen Franken, die da sassen, lasen, assen, konversierten, die Jahrhunderte alte Selbstverständlichkeit abendländischer Gesellschaftskultur. Er ahnte die exklusive Unauffälligkeit der Kleidung — keine traubenbeerengrossen Diamanten — keine farbentrunkenen Schlipse — keine schwarzen Fussspiegel von Lackstiefeln.

      Auf ihn, den Levantiner, der von den Galgenphysiognomien des Kristallpalastes kam, machte das keinen Eindruck. Europa sagte ihm nichts. Für ihn war Pera das Paradies und das Ägäische Meer die Welt. Er hätte gar keine Sehnsucht gehabt, sich zwischen diesen Honourables und Marquis und Durchlauchten des ihm ewig fremden Okzidents zu langweilen. Aber selbstverständlich war ein Mittelmeermischling seines Rufes trotz aller seiner Millionen nicht Mitglied des Cercle d’Orient, sondern nur für diesen Abend zu einer Besprechung hierhergeladen, und der, der ihn bestellt hatte, noch nicht anwesend.

      Lamba durchschritt die Säle. Er kannte niemanden, und niemand nahm von ihm Notiz, obgleich manche wussten, wer er war, oder weil sie es wussten. Er setzte sich dahin, wo er als halber Grieche allein Anschluss finden musste — zum Dritten Sekretär der griechischen Gesandtschaft. Der distinguierte Hellene war nicht gerade erbaut. Er wollte wenigstens, als Diplomat, das unterirdische Wissen dieses gefährlichen Menschen nutzen. Er frug beiläufig, wie um überhaupt etwas zu sagen:

      „Haben Sie in letzter Zeit zufällig etwas von dem türkischen Thronanwärter, diesem nach Griechenland geflüchteten Prinzen, gehört?“

      „Er soll bei euch aus Korfu verschwunden sein!“ sagte Lamba gequält.

      „. . . und sich irgendwo drüben in Stambul verborgen halten. Man ist mehr als nervös im Jildis-Kiosk!“

      Der Levantiner antwortete nicht. Er starrte fiebrig unruhig vor sich auf den kostbaren Joraghanteppich.

      „Und dieser gestürzte Hofintendant des Sultans, Fuad Pascha . . .?“ fuhr der Gesandtschaftssekretär fort und unterdrückte ein scheinbares Gähnen der Teilnahmlosigkeit.

      „. . . ist aus Damaskus geflohen!“

      „Sie hörten es auch? Was bedeutet das alles?“

      Wieder schwieg Lamba und atmete nur schwer. In der Stille hörte man eine gedämpfte, eindringliche Männerstimme aus der Diwanecke drüben. Dort sassen bräunliche Grosse des Morgenlandes, in Kleidern von Pariser Schnitt, den roten Fes der Sunniten oder die schwarze schiitische Lammfellmütze auf den schweigend horchenden Häuptern. Der Levantiner kannte ein paar der Hoheiten von Ansehen.

      „Prinz Tussan Pascha von Ägypten, Prinz Safar es Saltaneh, der Perser“, sagte er. Und nach einer Weile, misstrauisch:

      „Wer ist dieser junge schnurrbärtige Europäer, der so schnell und lebhaft auf sie einspricht? Mein Gott: er kann ja Türkisch! Er kann geläufig Persisch! Sehen Sie nur dieses überzeugende, suggestive Lächeln! Diese kaltblütigen Augen! Er zähmt diese Orientalen mit seinem Blick wie der Gaukler die Schlangen!“

      „Es ist ein Russe — oder vielmehr ein Deutschrusse!“ sagte der griechische Diplomat. „Er landete erst heute nachmittag!“ Ein kollegialer Handwink. „Guten Abend, mein Fürst!“

      Fürst Tschawadse, zugeteilt der russischen Botschaft, ging vorbei. Schon mit neun Jahren aus seiner kaukasischen Heimat als Geisel nach Petersburg gebracht, dort im Pagenkorps erzogen, zur orthodoxen Kirche übergetreten, Stabsrittmeister bei den Gardegrenadieren zu Pferde des Zaren, war er, der geborene Asiate, Russe durch und durch. Er begrüsste die andern morgenländischen Prinzen und schüttelte dem energischen jungen Europäer in ihrer Mitte die Hand.

      „Willkommen, Gospodin Buddenhaus!“ sagte er auf russisch, und lachend auf französisch

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