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tiefste Betroffenheit … Aber man mußte eben berücksichtigen, was jene Beschädigungen oder jener Bruch für den Mann bedeuteten: Er erblickte darin einen Mangel an Respekt, nicht etwa gegenüber dem Gegenstand, der wenig oder nichts wert war, sondern ihm gegenüber, ihm, der ihn gekauft hatte. Ob er geizig war? Nein, nicht einmal im Traum. Er war imstande, wegen irgendeiner Kleinigkeit, die ein paar Lire gekostet hatte, den halben Hausrat kurz und klein zu schlagen …

      Doch genügte manchmal ein Nichts, ihn zu den wüstesten Ausbrüchen zu veranlassen. Vielleicht tat es ihm gleich darauf schon wieder leid. Er wollte oder konnte es jedoch nicht eingestehen. Das wäre ihm so vorgekommen, als hätte er sich erniedrigt oder geschlagen gegeben. Er wünschte, daß die anderen es errieten. Aber weil niemand in seinem Schrecken auch nur zu atmen wagte, schloß er sich für ganze Wochen in einen schwarzen, stummen Zorn ein.

      Dies ist das Porträt von Francesco Ajala, einer Figur aus Pirandellos Roman Die Ausgestoßene. Nur, daß diese Figur keine Phantasiegestalt ist, sondern das Porträt des Vaters, und diese furchtbaren Zornesausbrüche sind nur die realistische Darstellung dessen, was bei ihm zu Hause vorgeht, bei diesem stattlichen cholerischen Vater. Der seine Kinder ganz sicher liebt, aber nicht weiß, wie er seine Liebe offen zeigen kann.

      Der kleine Luigi ist feingliedrig, mager, nur seine Augen wachsen, er hat ein fieberndes Verlangen nach liebevoller Wärme, die ihm der hünenhafte brüllende Vater nicht geben kann. Und fast immer gerät sein kindlicher Glaube, alles und jedes allen und jedem mitteilen zu können, angesichts der granitenen Realität des Vaters ins Wanken und verliert sich.

      Als Jugendlicher vertraut er seinen Freunden an, daß sein Vater für ihn ein unverständlicher Mann ist, einer, mit dem man nicht vernünftig reden kann.

      Daher entwickelte sich zwischen ihnen weder eine Gefühlsäußerung noch die Möglichkeit einer vernunftbestimmten Beziehung.

      So entsteht zwischen den beiden also schon in Luigis früher Kindheit das, was Gaspare Giudice eine »gläserne Mauer« nannte, eine Mauer, die »sich niemals auflöste, im Gegenteil, sie wuchs in Dicke und Höhe und wurde im Lauf der Jahre schließlich unüberwindbar«.

      DIE ERINNERUNG AN DAS DUNKEL

      Eines Tages, als er etwa sechs Jahre alt ist und mit der Mutter spricht, beginnt der kleine Luigi ein Haus in Porto Empedocle zu beschreiben. Er erinnert sich an das Eßzimmer, das durch eine Trennwand mit zwei Bullaugen geteilt ist, hinter der sich das Zimmer der beiden Hausmädchen befindet. Er erinnert sich, daß eines Morgens zu einer bestimmten Stunde, als das Hausmädchen Filippa ihn auf den Armen trug, Finsternis aufzog, und es so dunkel wurde, daß eine Lampe angezündet werden mußte.

      Das stimmte. In den ersten Februartagen des Jahres 1868 gab es eine Sonnenfinsternis.

      Aber wie konnte sich der kleine Luigi nur daran erinnern, wenn er zu dieser Zeit gerade erst einmal knappe acht Monate alt war?

      Durch etwas nicht Übereinstimmendes, nicht Logisches war sein Erinnerungsvermögen als neugeborenes Kind unauslöschlich geprägt worden: Wie konnte es geschehen, daß es am Tag so nachtschwarz wurde, daß man eine Lampe anzünden mußte?

      PORTO EMPEDOCLE, GIRGENTI

      Die Orte seiner frühesten Kindheit sind zwei: Porto Empedocle und Girgenti. Porto Empedocle, dem er unterschiedliche Namen gibt, wird der Ort einiger seiner Novellen.

      Doch zunächst: Wie sieht dieser Ort aus? Das beschrieb er in Versen:

       Als sich auf diesem öden Glutsand

      wenige bescheidene Häuser erhoben,

       und mitten im Gedränge so

       vieler Karren aus dem alten Turm

       zur Tagesmühsal die kahlgeschorenen

       Gefangenen traten, schwere Ketten

      unter langem Rasseln mit sich schleifend,

       und beim Morgengrauen jeden Tags

      ein Ausrufer, Stolz im Gesicht, sonnenverbrannt,

       an seine mächtigen Kiefer

       die haarige Hand hob und dreimal

       laut die Bekanntmachung ausrief:

      »O Männer des Meeres,

       kommt hinunter zum Hafen zur Arbeit!«

      Und er beschrieb es in Prosa:

      Zwei Dutzend armselige Hütten zuerst, da unten am Strand, zwischen Gischt und Sand vom Wind gepeitscht, mit einem kurzen Anlegesteg aus leichtem Holz, heute Molo Vecchio genannt, und einem quadratischen, düsteren Kastell am Meer, in dem die zu Zwangsarbeiten verurteilten Sträflinge hausten; dieselben, die später, als der Schwefelhandel an Bedeutung gewonnen hatte, die beiden weiten Steinschüttungen des neuen Hafens gelegt hatten, zwischen denen die kleine Mole erhalten blieb, der dank des Damms die Ehre zuteil wurde, zum Sitz der Hafenkommandantur und des weißen Hauptleuchtturms erkoren zu werden. Da sich der Ort wegen einer unmittelbar hinter ihm sich erhebenden Hochebene nicht ausbreiten konnte, dehnte er sich den schmalen Strand entlang aus; bis an den Rand der Hochebene haben sich die Häuser dicht und eng aneinander, ja, fast aufeinander gedrängt. Die Schwefellager stapeln sich eines hinter dem anderen am Ufer entlang; und von morgens bis abends ist ohne Unterlaß das Rasseln der Karren zu hören, die mit Schwefel beladen von der Eisenbahnstation kommen, oder auch direkt von den umliegenden Schwefelgruben; ein nicht enden wollendes Durcheinander von barfüßigen Männern und Tieren, von auf den nassen Boden stampfenden nackten Füßen; das Spektakel streitender, fluchender, schreiender Stimmen zwischen dem Rattern und Pfeifen eines Zugs, der über den Strand rollt, bald auf die eine, bald auf die andere der beiden Molen zu, an denen immerzu etwas ausgebessert wird. Jenseits des östlichen Arms versperren die Lastkähne mit dem Segel auf Halbmast den Strand; am Fuß der Stapel befinden sich die Laufgewichtswaagen, auf denen der Schwefel gewogen und anschl-ießend auf die Schultern der Träger – uomini di mare genannt – geladen wird, die barfuß und mit Leinenhosen bekleidet, mit einem Sack auf dem Rücken, der über den Kopf gestülpt und im Nacken zugebunden wird, bis zur Hüfte ins Wasser eintauchen und ihre Fracht bis zu den Kähnen schleppen; diese bringen dann mit aufgezogenem Segel den Schwefel zu den Handelsschiffen, die im Hafen oder außerhalb des Hafens vor Anker liegen.

       »Sklavenarbeit, die einem an manchen Wintertagen das Herz zerreißt. Halb erdrückt von ihrer Last, mit dem Wasser bis zum Kreuz. Menschen? Tiere!«

      In Porto Empedocle siedelt Pirandello etwa zehn seiner Novellen an, wobei er den Ort von Fall zu Fall »die Marina«, »Nisia«, »Vignetta«, »Porto Empedocle« nennt oder auch gar nicht benennt, ihn aber gleichwohl durch die wiederkehrende Topographie erkennbar macht, die aus einer Dreiecksbeziehung zwischen dem Meer, dem Friedhof auf dem Mergelhügel und dem Hügel selbst besteht.

      Was einen auf Anhieb in diesen Novellen erstaunt, ist die immer wiederkehrende Zusammenstellung von Lauten, Stimmen und Farben.

      Aus der Novelle Die Tote und die Lebende (La morta e la viva):

      Die Leute … standen herum, schreiend und unbeherrscht mit den Armen fuchtelnd.

      Und noch einmal:

      Die Menge … fing von der Tartane aus an zu schreien.

      Und noch einmal:

      Das Gebrüll von einem der Kais und das breite Gelächter.

      Und wieder:

      Er stürmte heran wie eine Furie, brüllend, und das ganze Volk bewegte sich nach hinten, nach vorne, und kreischte ringsum.

      Oder

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