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Ehestiften. Ich möchte nicht wiederholen, was ich mir mit dem Erfolg von Randalls eingebrockt habe. Ich will lieber die Finger davonlassen, solange ich’s so gut habe.«

      »Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!« sagte er, stand auf und ging brüsk hinaus. Er war sehr aufgebracht. Er fühlte die Enttäuschung des jungen Mannes mit, und es war ihm bitter, daß er dazu beigetragen hatte, indem er seinen Segen zu der Werbung gab. Und die Rolle, die Emma, wie er überzeugt war, bei der Affäre gespielt hatte, empörte ihn über alle Maßen.

      Emma blieb ebenfalls erzürnt zurück, doch ohne sich über die Ursache so im klaren zu sein wie er. Sie war nicht immer so absolut mit sich im reinen, nicht so völlig überzeugt, daß sie mit ihrer Ansicht recht und der Gegner unrecht habe, wie Mr. Knightley. Er war ganz mit sich einig, ließ sie aber nicht ebenso zurück. Doch war sie nicht so niedergeschmettert, daß nicht ein wenig Zeit und Harriets Rückkehr hinreichen würden, sie wieder aufzurichten. Daß Harriet so lange ausblieb, begann sie zu beunruhigen. Der Gedanke, der junge Mann sei möglicherweise heute morgen zu Mrs. Goddard gegangen und habe dort Harriet getroffen und seine Sache mündlich geführt, war mehr als aufregend. Die Furcht vor einem solchen Fehlschlag nach allem, was vorausgegangen war, drängte allmählich alle anderen unbequemen Gefühle beiseite. Und als Harriet endlich erschien, in bester Stimmung und ohne eine schlimme Erklärung für ihre Verspätung, war Emma so erleichtert, daß sie auch ihre Selbstsicherheit wiederfand und sich in der Überzeugung wiegte, sie habe – mochte Mr. Knightley denken und sagen, was er wollte – nichts getan, was die Freundschaft und das Empfinden einer Frau nicht rechtfertigte.

      Mr. Eltons wegen hatte er ihr jedoch ein bißchen bange gemacht. Wenn sie aber bedachte, daß Mr. Knightley ihn nicht so hatte beobachten können wie sie, weder mit der Anteilnahme, noch (das durfte sie sich, Mr. Knightleys Überheblichkeit zum Trotz, wohl zugute halten) mit dem kundigen Blick, den sie für diese Dinge besaß, daß er ferner überstürzt und im Zorn gesprochen hatte, hielt sie es sogar für möglich, daß er aus lauter Gereiztheit gesagt hatte, was er gern wahrgehabt hätte, ohne es sicher zu wissen. Es mochte ja sein, daß Mr. Elton sich in seinem Beisein rückhaltloser geäußert hatte als je vor ihr, und vielleicht war er wirklich nicht der Mann, der in Geldangelegenheiten unvorsichtig und leichtfertig handeln würde, er mochte sogar dazu neigen, sie sehr wichtig zu nehmen. Aber dann rechnete Mr. Knightley nicht genug mit der Macht einer heißen Leidenschaft, die alle eigensüchtigen Motive zu überwältigen vermag. Mr. Knightley bekam ja von dieser Leidenschaft nichts zu sehen und dachte darum natürlich nicht an ihre Wirkung; sie aber sah zuviel davon, um nicht zu glauben, daß seine Leidenschaft jedes Bedenken, das vernünftige Vorsicht anfangs einflößen könnte, überwinden werde. Und mehr als ein verständiges, schickliches Maß an Vorsicht war Mr. Elton ganz gewiß nicht zuzutrauen.

      Harriets Fröhlichkeit gab auch Emma ihre Fröhlichkeit wieder. Das Mädchen war wieder da und dachte nicht an Mr. Martin, sondern plauderte von Mr. Elton. Miss Nash hatte ihr etwas erzählt, das sie sofort mit Wonne auspackte. Mr. Perry war bei Mrs. Goddard gewesen, um ein krankes Kind zu besuchen, und Miss Nash war ihm begegnet, und er hatte ihr erzählt, er habe gestern, als er von Clayton Park zurückkam, Mr. Elton getroffen und zu seinem großen Erstaunen vernommen, daß Mr. Elton auf dem Wege nach London wäre und erst am nächsten Tage zurückzukehren gedächte, obwohl doch Whistabend war, den er noch nie versäumt hatte. Mr. Perry hätte ihm deswegen Vorhaltungen gemacht, es sei schäbig von ihm, ihrem besten Spieler, sie im Stich zu lassen, und ihn zu überreden versucht, seine Reise doch um einen Tag zu verschieben; aber es half nichts. Mr. Elton war entschlossen weiterzureiten, und hatte in einem wirklich sehr eigentümlichen Ton gesagt, er habe Geschäfte zu erledigen, die er um alles in der Welt nicht aufschieben möchte; er hatte sogar etwas von einem beneidenswerten Auftrag durchblicken lassen, von etwas über alle Maßen Kostbarem, das er da bei sich trage. Mr. Perry verstand ihn nicht ganz, meinte aber, da sei bestimmt eine Dame im Spiel, und das sagte er ihm auch, und Mr. Elton lächelte und tat sehr geheimnisvoll und ritt in großartiger Stimmung davon. Alles das hatte Miss Nash Harriet erzählt und noch eine ganze Weile weiter über Mr. Elton geschwatzt und mit einem bedeutsamen Blick zu ihr gesagt, sie wolle zwar nicht behaupten, sie wüßte, in was für Geschäften Mr. Elton unterwegs sei, aber soviel sei sicher: die Frau, auf die Mr. Eltons Wahl fiele, sei das glücklichste Geschöpf auf Erden; denn einen so herrlichen und liebenswürdigen Mann gebe es nicht zum zweitenmal.

      Neuntes Kapitel

      Mochte Mr. Knightley auch mit ihr uneins sein, mit sich selber war Emma nicht uneins. Er war so böse auf sie, daß es länger als gewöhnlich dauerte, bis er wieder nach Hartfield kam, und als sie sich wiedersahen, zeigte sein ernster Blick, daß er ihr noch nicht verziehen hatte. Es tat ihr leid, aber sie verspürte keine Reue. Im Gegenteil, sie verliebte sich immer mehr in ihre Pläne und Machenschaften, denn sie sah sie mehr und mehr gerechtfertigt durch die allgemeinen Begebenheiten der nächsten Tage.

      Das Bildnis wurde ihr bald nach Mr. Eltons Rückkehr unversehrt wieder zugestellt. Es war elegant gerahmt, und als es über dem Kamin im Wohnzimmer hing, stand er auf, um es zu betrachten, und erging sich in Stoßseufzern der Bewunderung, ganz wie gewünscht. Und Harriets Gefühle verdichteten sich sichtlich zu einer so starken und stetigen Neigung, wie es ihre Jugend und ihre Natur nur zuließen. Emma fand bald zu ihrer völligen Genugtuung, daß Harriet an Mr. Martin nur noch insoweit dachte, als er den Kontrast zu Mr. Elton lieferte, ganz und gar zugunsten des letzteren.

      Ihr Vorsatz, den Geist ihrer kleinen Freundin durch viel nützliche Lektüre und Gespräche zu bilden, war über ein paar Anfangskapitel und die Absicht, am nächsten Tage weiterzulesen, noch nicht hinausgediehen. Es war viel bequemer, zu plaudern als zu lernen, viel vergnüglicher, ihre Phantasie schweifen zu lassen und Luftschlösser für Harriet zu bauen, als sich damit zu plagen, ihren Horizont zu erweitern und ihren Verstand an nüchternen Tatsachen zu schärfen; und die einzige literarische Beschäftigung, die Harriet gegenwärtig fesselte, die einzige geistige Vorsorge für ihren Lebensabend bestand darin, Rätsel aller Art zu sammeln, soviel sie nur auftreiben konnte, und in ein dünnes Quartheft aus feinem, geglättetem Papier zu schreiben, das ihre Freundin für sie angefertigt und mit ihrem Monogramm und allegorischen Figuren verziert hatte.

      Unter den literarischen Betätigungen unserer Zeit sind umfangreiche Sammlungen dieser Art keine Seltenheit. Miss Nash, die Hauptlehrerin bei Mrs. Goddard, hatte mindestens dreihundert aufgeschrieben, und Harriet, die von ihr die erste Anregung empfangen hatte, hoffte mit Miss Woodhouses Hilfe weit mehr zusammenzubringen. Emma half ihr mit eigenen Erfindungen, mit ihrem Gedächtnis und ihrem Geschmack, und da Harriet eine sehr hübsche Handschrift hatte, würde wahrscheinlich eine in Form und Zahl erstklassige Sammlung zustande kommen.

      Mr. Woodhouse war daran fast ebenso interessiert wie die Mädchen und durchstöberte oft seine Erinnerungen nach etwas, das wert wäre, in das Heft aufgenommen zu werden. Es habe so viele kluge Rätsel gegeben, als er jung war, sagte er, und er wundere sich, daß er sie nicht behalten hatte. Aber er hoffe, daß sie ihm mit der Zeit wieder einfielen. Und es endete immer mit »Kitty, die schöne, die frostige Maid . . .«

      Auch sein guter Freund Perry, mit dem er darüber gesprochen hatte, erinnerte sich im Augenblick an nichts Rätselartiges. Aber er hatte Perry gebeten, sich umzuhören, und da dieser viel herumkam, meinte er, von dieser Seite könne wohl noch etwas kommen.

      Seiner Tochter war es durchaus nicht darum zu tun, die gesamte Intelligenz von Highbury einzuspannen. Mr. Elton war der einzige, den sie um seine Mitarbeit bat. Sie forderte ihn auf, ein paar wirklich gute Rätsel, Scharaden oder Scherzfragen, die er wüßte, beizusteuern, und zu ihrem Vergnügen sah sie ihn eifrigst in seinem Gedächtnis graben. Dabei bemerkte sie, wie er streng darauf bedacht war, daß ihm nichts Ungalantes, nichts, das nicht dem weiblichen Geschlecht huldigte, über die Lippen kam. Sie verdankten ihm zwei oder drei ihrer artigsten Rätselreime, und als er schließlich mit überschwenglicher Freude die allbekannte Scharade

      »Mein erstes bedeutet Weh und Ach,

      Mein zweites muß sie leiden,

      Doch heilet jenes Ungemach

      Der Balsam aus den beiden«

      auskramte und sehr gefühlvoll rezitierte, gestand sie nur mit großem Bedauern,

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