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      Emma wußte zu gut, wie recht er hatte, um ihm zu widersprechen, darum sagte sie nichts darauf. Mit einem Lächeln fuhr er fort:

      »Ich will mich nicht auf Zeit und Ort festlegen, aber ich muß sagen, ich habe guten Grund anzunehmen, daß Ihre kleine Freundin bald etwas hört, was für sie vorteilhaft ist.«

      »So? Wieso denn? Was ist es?«

      »Etwas sehr Ernstes, glauben Sie mir.« Er lächelte immer noch.

      »Etwas sehr Ernstes? Dann kann es meines Erachtens nur eins sein. Wer ist in sie verliebt? Wer macht Sie zu ihrem Vertrauten?«

      Schon war Emma voller Hoffnung, Mr. Elton habe eine Andeutung fallen lassen. Mr. Knightley war für jedermann eine Art Freund und Ratgeber, und sie wußte, daß Mr. Elton zu ihm aufsah.

      »Ich habe Grund zu glauben, daß Harriet Smith bald einen Heiratsantrag bekommt, und von allerbester Seite. Robert Martin ist der Mann. Ihr Besuch in Abbey Mill letzten Sommer hat ihm offenbar den Rest gegeben. Er ist bis über beide Ohren in sie verliebt und will sie heiraten.«

      »Sehr liebenswürdig von ihm«, sagte Emma. »Aber ist er denn sicher, daß Harriet ihn heiraten will?«

      »Na ja, er will ihr einen Antrag machen. Genügt das nicht? Vor zwei Tagen kam er abends zur Abbey, um sich mit mir darüber zu beraten. Er weiß, daß ich ihn und seine ganze Familie von Grund aus schätze, und ich glaube, er betrachtet mich als einen seiner besten Freunde. Er wollte mich fragen, ob ich es unklug fände, wenn er so früh einen eigenen Hausstand gründete, und ob ich sie für zu jung halte, kurzum, ob ich seine Wahl im ganzen billige. Vielleicht war er etwas besorgt, man könnte finden, daß sie gesellschaftlich über ihm steht (besonders seit Sie soviel von ihr hermachen). Alles, was er sagte, hat mir sehr gefallen. Ich kenne keinen Menschen, der so verständig ist, so das Herz auf dem rechten Fleck hat wie Robert Martin. Er bleibt bei der Sache, redet offen und geradezu und hat ein sicheres Urteil. Er hat alles mit mir besprochen, seine Verhältnisse, seine Pläne, und wie sie sich alle im Fall seiner Heirat einrichten wollen. Er ist ein wohlgeratener junger Mann, sowohl als Sohn wie als Bruder. Ich habe ihm ohne Bedenken zugeraten zu heiraten. Er hat mir bewiesen, daß er dazu in der Lage ist, darum bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß er nichts Besseres tun kann. So habe ich denn die holde Maid gepriesen, und er ging sehr beglückt davon. Wenn er nie etwas von meiner Ansicht gehalten hätte, jetzt wäre ich hoch in seiner Achtung gestiegen, und sicherlich ging er aus dem Hause mit dem Gefühl, daß er in mir den besten Freund und Ratgeber hat, den ein Mensch haben kann. Das war vorgestern abend. Nun, da dürfen wir wohl annehmen, daß er nicht viel Zeit verstreichen lassen wird, ehe er mit der Dame spricht, und da er’s anscheinend gestern nicht getan hat, ist es nicht unwahrscheinlich, daß er heute zu Mrs. Goddard gegangen ist. So mag sie von einem Besucher aufgehalten werden, den sie durchaus nicht als langweilige Schwatzbase empfindet.«

      »Bitte, Mr. Knightley«, sagte Emma, die während eines großen Teils dieser Rede vor sich hin gelächelt hatte, »wieso wissen Sie, daß Mr. Martin nicht gestern gesprochen hat?«

      »Freilich«, erwiderte er erstaunt, »absolut sicher weiß ich es nicht, aber die Vermutung liegt doch nahe. War sie denn nicht den ganzen Tag bei Ihnen?«

      »Kommen Sie«, sagte sie, »ich will Ihnen auch etwas erzählen, zum Dank für das, was Sie mir erzählt haben. Er hat schon gestern gesprochen – das heißt, er hat geschrieben und einen Korb bekommen.«

      Das mußte sie wiederholen, ehe er’s glauben konnte. Mr. Knightley war tatsächlich rot vor Überraschung und Zorn, sprang in flammender Entrüstung auf und rief:

      »Dann ist sie eine noch größere Gans, als ich geglaubt hätte. Was hat denn das törichte Mädchen im Sinn?«

      »Oh, natürlich«, rief Emma, »für einen Mann ist es immer unvorstellbar, daß eine Frau einen Heiratsantrag zurückweisen könnte. Ein Mann bildet sich immer ein, eine Frau wartete nur auf den ersten besten, der um sie anhält.«

      »Unsinn! Ein Mann bildet sich nichts dergleichen ein. Aber was soll das bedeuten? Harriet Smith gibt Robert Martin einen Korb? Ein Wahnsinn, wenn es wahr ist. Aber ich hoffe, Sie irren sich.«

      »Ich habe ihre Antwort gelesen. Deutlicher konnte man es nicht sagen.«

      »Sie haben ihre Antwort gelesen? Dann haben Sie ihre Antwort auch geschrieben. Emma, dies ist Ihr Werk! Sie haben sie dazu überredet, ihn abzuweisen!«

      »Und wenn ich’s getan hätte – was ich jedoch nicht im entferntesten zugebe –, würde ich nicht das Gefühl haben, daß ich’s falsch gemacht habe. Mr. Martin ist ein sehr achtbarer junger Mann, aber ich finde ihn darum doch nicht Harriet ebenbürtig. Weiß Gott, ich bin einigermaßen erstaunt, daß er sich an sie herangewagt hat. Wie Sie sagen, hat er offenbar selber Skrupel gehabt. Schade, daß er sich darüber hinweggesetzt hat.«

      »Ihr nicht ebenbürtig?« rief Mr. Knightley laut und heftig. Und nach ein paar Minuten fügte er, seine Schroffheit mäßigend, hinzu: »Nein, in der Tat, er ist Harriet nicht ebenbürtig, denn sowohl geistig wie auch seinen Verhältnissen nach steht er über ihr. Emma, Ihre Vernarrtheit in das Mädchen macht Sie blind. Was für Ansprüche stellt Harriet Smith denn hinsichtlich Geburt, Persönlichkeit und Bildung, die über eine Verbindung mit Robert Martin hinausgehen? Sie ist die natürliche Tochter von wer weiß wem, wahrscheinlich ohne jede geregelte Versorgung und gewiß ohne respektable Verwandtschaft. Man kennt sie nur als Pensionärin einer gewöhnlichen Schule. Sie ist weder ein gescheites noch irgendwie gebildetes Mädchen. Man hat sie nichts Nützliches gelehrt, und sie ist zu jung und zu einfältig, um sich selber etwas angeeignet zu haben. In ihrem Alter kann sie noch keine Erfahrung haben, und bei ihrem kurzen Verstand ist es nicht wahrscheinlich, daß sie je aus Erfahrungen etwas lernt. Sie ist hübsch und sie ist gutartig, das ist alles. Als ich zu der Heirat riet, galt meine einzige Besorgnis ihm, weil sie nicht an ihn heranreicht und eine schlechte Partie ist. Ich fand, daß er, was Vermögen angeht, es aller Wahrscheinlichkeit nach besser treffen könnte, und in Hinsicht auf eine verständige Gefährtin und nützliche Gehilfin konnte er’s nicht schlechter treffen. Aber solche Erwägungen mochte ich vor einem verliebten Mann nicht anstellen und habe mein Vertrauen darein gesetzt, daß nichts Schlechtes in ihr steckt, daß sie ein Menschenkind ist, das in guten Händen wie den seinen leicht auf dem rechten Weg zu führen ist und sich gut entwickeln kann. Die gute Partie sah ich ganz auf ihrer Seite und hatte nicht den mindesten Zweifel – und habe ihn auch jetzt nicht –, daß man allgemein die Hände überm Kopf zusammenschlagen würde über ihr unerhörtes Glück. Sogar Ihrer Zufriedenheit glaubte ich sicher zu sein. Es ging mir sofort durch den Sinn, Sie würden Ihre Freundin ohne Bedauern aus Highbury weggehen sehen, wenn sie sich so gut verheiratete. Ich weiß noch, wie ich mir sagte: Sogar Emma mit all ihrer Voreingenommenheit für Harriet wird finden, daß dies eine gute Partie ist.«

      »Dann kann ich mich nur wundern, wie wenig Sie Emma kennen. Wie? Einen Bauern – und mit all seinem Verstand und all seiner Tüchtigkeit ist Mr. Martin doch nichts anderes – einen Bauern betrachten Sie als gute Partie für meine intime Freundin? Ich sollte nicht bedauern, wenn sie Highbury verläßt, um einen Mann zu heiraten, den ich nie in meinen Bekanntenkreis aufnehmen könnte? Ich bin erstaunt, daß Sie mir solche Empfindungen zutrauen. Da fühle ich ganz anders, versichere ich Ihnen. Ich finde Ihren Standpunkt keineswegs fair. Sie werden Harriets Ansprüchen nicht gerecht. Darüber würden auch andere Leute so denken wie ich. Mr. Martin mag der Wohlhabendere sein, aber in seinem Rang kann er sich nicht mit ihr messen. Sie bewegt sich in einer viel höheren gesellschaftlichen Sphäre als er. Es wäre eine Erniedrigung.«

      »Eine Erniedrigung für uneheliche Geburt und Unwissenheit, einen ehrbaren, intelligenten Gutsherrn zu heiraten?«

      »Was ihre Herkunft anlangt, mag man sie in juristischem Sinn ein Niemandskind nennen, für den gesunden Verstand ist das nicht stichhaltig. Sie soll nicht für das Vergehen anderer büßen, indem sie unter das Niveau gedrückt wird, auf dem sie erzogen ist. Man kann wohl kaum bezweifeln, daß ihr Vater ein Gentleman ist, und ein Gentleman mit Vermögen. Ihr Jahresgeld ist sehr großzügig bemessen, an ihrer Ausbildung und Ausstattung hat man nie geknausert. Daß sie die Tochter eines Gentleman ist, steht für mich fest, und daß

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