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Eltern sein mögen«, sagte Mr. Knightley, »wer immer mit ihrer Obhut betraut sein mag, es scheint nicht in ihrer Absicht gelegen zu haben, sie bei denen einzuführen, die Sie die gute Gesellschaft nennen. Nach einer sehr mittelmäßigen Erziehung ist sie Mrs. Goddards Händen übergeben worden, damit die sie weiterbringt, so gut sie kann – kurz, um sich auf der Linie Mrs. Goddards und in ihren Kreisen zu bewegen. Das fanden ihre Angehörigen offenbar gut genug für sie, und es war gut genug, sie selber wünschte sich nichts Besseres. Bis Sie geruhten, sie zu Ihrer Freundin zu machen, empfand sie keine Abneigung gegen ihresgleichen und hatte sie nicht den Ehrgeiz, höher hinaus zu wollen. Im Sommer war sie bei den Martins so glücklich, wie sie nur sein konnte. Damals dünkte sie sich noch nicht etwas Besseres. Wenn sie es jetzt tut, so haben Sie es ihr in den Kopf gesetzt. Sie haben damit nicht freundschaftlich an Harriet Smith gehandelt, Emma. Robert Martin wäre nie so weit gegangen, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, daß sie ihm nicht abgeneigt sei. Ich kenne ihn gut. Er ist in seinem Gefühl viel zu sicher, um in selbstischer Leidenschaft auf gut Glück um eine Frau anzuhalten. Und ich kenne keinen Menschen, dem Dünkel so fern liegt wie ihm. Verlassen Sie sich drauf, er ist ermutigt worden.«

      Auf diese Behauptung ging Emma lieber nicht ein. Sie zog es vor, ihren eigenen Standpunkt weiter zu verfechten.

      »Sie sind Mr. Martin ein sehr warmer Freund, aber, wie ich schon sagte, gegen Harriet sind Sie ungerecht. Harriets Ansprüche auf eine gute Heirat sind nicht so ungebührlich, wie Sie sie darstellen. Sie ist kein intelligentes Mädchen, aber gescheiter, als Sie wissen, und verdient nicht, daß man so abschätzig von ihrem Verstand spricht. Aber sehen wir einmal davon ab und nehmen wir an, sie wäre, wie Sie sie schildern, bloß hübsch und gutartig, so kann ich Ihnen nur sagen, daß diese Eigenschaften, in dem Maße, wie Harriet sie besitzt, in den Augen der Welt im allgemeinen keine belanglose Empfehlung sind. Sie ist wirklich ein schönes Mädchen, und neunundneunzig Leute von hundert müssen das finden; und solange sich nicht zeigt, daß die Männer über Schönheit viel philosophischer denken als man gemeinhin annimmt, solange sie sich nicht in einen gebildeten Geist statt in ein hübsches Gesicht verlieben, solange kann ein liebreizendes Mädchen wie Harriet sicher sein, daß es bewundert und begehrt wird und die Wahl unter vielen hat, also wählerisch sein darf. Auch ihre Gutartigkeit ist ja nicht so gering zu veranschlagen, denn dazu gehört ihr wahrhaft durch und durch liebes Wesen, ihre bescheidene Meinung von sich und ihre gutwillige Umgänglichkeit. Ich müßte mich sehr irren, wenn Ihr Geschlecht im allgemeinen solcher Schönheit und solchem Wesen nicht den höchsten Anspruch zubilligte, den eine Frau erheben kann.«

      »Weiß Gott, Emma, wenn ich höre, wie Sie Ihre Vernunft mißbrauchen, könnte ich mich beinah zu Ihrer Ansicht bekehren. Besser keinen Verstand, als ihn so verkehrt anwenden, wie Sie es tun.«

      »Natürlich«, rief sie scherzend, »ich weiß, so denkt ihr alle. Ich weiß, daß gerade ein Mädchen wie Harriet jeden Mann entzückt – sofort seine Sinne behext und seinen kritischen Verstand einlullt. O ja, Harriet darf sich getrost einen herauspicken, sie hat die Wahl. Sollten Sie selbst jemals heiraten, dann wäre sie die richtige Frau für Sie. Und ist es denn zu verwundern, wenn sie, die siebzehn Jahre alt ist und eben ins Leben tritt, eben anfängt, bekannt zu werden, nicht den ersten besten Antrag, den sie bekommt, annimmt? Nein, lassen Sie ihr bitte Zeit, sich umzusehen.«

      »Ich habe diese intime Freundschaft immer als eine Narrheit angesehen«, sagte Mr. Knightley darauf, »ich habe nur meine Gedanken für mich behalten. Aber nun sehe ich, daß Sie Harriet ins Unglück bringen. Mit solchen Ansichten über ihre Schönheit, und was sie beanspruchen kann, werden Sie sie so aufblasen, daß ihr binnen kurzem kein Mann in ihrer Reichweite mehr gut genug ist. Eitelkeit kann in einem schwachen Kopf allerhand Unheil anrichten. Nichts leichter, als daß eine junge Dame ihre Erwartungen zu hoch spannt. Miss Harriet Smith dürfte noch dahinterkommen, daß es nicht alle Tage Heiratsanträge regnet, wenn sie auch ein hübsches Mädchen ist. Ein verständiger Mann, was Sie auch sagen mögen, will keine dumme Frau. Ein Mann aus guter Familie wird sich auch nicht leicht mit einem Mädchen von dunkler Herkunft verbinden, die meisten umsichtigen Männer würden die Mißlichkeiten und die Schande fürchten, in die sie verwickelt werden könnten, wenn das Geheimnis dieser Geburt eines Tages gelüftet würde. Lassen Sie sie Robert Martin heiraten, und sie ist für immer geborgen, geachtet und glücklich. Aber wenn Sie sie ermutigen, eine großartige Partie zu erwarten, wenn Sie ihr den Floh ins Ohr setzen, sie dürfe sich mit nichts Geringerem als mit einem Mann von Stande und großem Vermögen zufriedengeben, so bleibt sie vielleicht für den Rest ihres Lebens Pensionärin bei Mrs. Goddard – oder zum mindesten (denn Harriet Smith ist ein Mädchen, das schließlich doch irgendeinen heiratet), bis sie verzweifelt und heilfroh ist, wenn sie den Sohn des alten Schreiblehrers ergattern kann.«

      »Über diesen Punkt gehen unsre Meinungen so auseinander, Mr. Knightley, daß es keinen Sinn hat, ihn weiter zu erörtern. Wir werden uns gegenseitig nur immer mehr verärgern. Nur daß ich sie Robert Martin heiraten lasse – das ist unmöglich; sie hat ihn abgewiesen, und so entschieden, daß, glaube ich, einem zweiten Antrag vorgebeugt ist. Sie muß nun die Folgen auf sich nehmen, wie sie auch sein mögen. Ich will nicht sagen, ich hätte sie bei ihrem Entschluß, nein zu sagen, nicht ein bißchen beeinflußt. Aber ich versichere Ihnen, ob ich oder sonst jemand, man brauchte nur sehr wenig nachzuhelfen. Seine Erscheinung nimmt zu sehr gegen ihn ein, und er hat gar zu bäurische Manieren. Sollte sie je etwas für ihn übrig gehabt haben, so jedenfalls jetzt nicht mehr. Ich kann mir vorstellen, daß sie ihn ganz leidlich fand, solange sie keinen feineren Mann gesehen hatte. Er ist der Bruder ihrer Freundinnen und hat sich Mühe gegeben, ihr zu gefallen; und überhaupt, da sie keinem Besseren begegnet war (das muß am meisten zu seinen Gunsten gewirkt haben), mag sie ihn, als sie in Abbey Mill war, nicht unsympathisch gefunden haben. Aber jetzt liegt die Sache anders. Sie weiß nun, was ein Gentleman ist, und nur ein Gentleman nach Bildung und Manieren hat bei Harriet eine Chance.«

      »Unsinn! Der ärgste Unsinn, den je ein Mensch dahergeredet hat!« rief Mr. Knightley. »Robert Martins Benehmen zeigt einen verständigen, aufrichtigen, herzensguten Menschen, das kann nur für ihn einnehmen. Und in seinem Wesen liegt mehr wahre Vornehmheit, als Harriet Smith je begreifen kann.«

      Emma gab keine Antwort und suchte heiter und unbekümmert auszusehen, in Wirklichkeit aber war ihr recht unbehaglich zumute und sie wünschte sehr, daß er ginge. Sie bereute nicht, was sie getan hatte. Sie glaubte immer noch, über das Recht und die Empfindlichkeit einer Frau stünde ihr eher ein Urteil zu als ihm. Trotzdem empfand sie etwas wie einen gewohnheitsmäßigen Respekt vor seinem Urteil im allgemeinen, deshalb war es ihr unlieb, daß es so laut gegen sie sprach; und daß er ihr in so zorniger Verfassung gegenüber saß, war ihr sehr unangenehm. Einige Minuten vergingen in diesem ungemütlichen Schweigen; nur Emma versuchte einmal, vom Wetter zu sprechen, doch er ging nicht darauf ein. Er war in seine Gedanken versunken. Schließlich sagte er:

      »Robert Martin verliert nicht viel; wenn er es nur selber auch einsieht! Doch ich hoffe, es dauert nicht lange, bis es soweit ist. Was Sie mit Harriet vorhaben, wissen Sie selbst am besten. Wenn Sie aber schon aus Ihrer Leidenschaft fürs Ehestiften kein Hehl machen, darf man wohl annehmen, daß Sie bestimmte Aussichten, Vermutungen und Projekte haben – und als Ihr Freund möchte ich Ihnen nur den einen Wink geben: wenn Elton der Mann ist, halte ich alle Ihre Mühen für umsonst.«

      Emma leugnete es lachend ab. Er fuhr fort:

      »Verlassen Sie sich darauf, mit Elton wird es nichts. Er ist ein guter Kerl und ein braver Vikar für Highbury, aber es sieht ihm nicht ähnlich, unbesonnen eine Ehe einzugehen. Er weiß so wohl wie jeder andre, was ein gutes Einkommen wert ist. Elton mag gefühlvoll reden, aber er wird vernünftig handeln. Er weiß ebensogut, worauf er Anspruch erheben kann, wie Sie sich einbilden, es von Harriet zu wissen. Er ist sich bewußt, daß er ein ansehnlicher junger Mann ist und sehr beliebt, wohin er auch kommt, und nach seinen Äußerungen in Herrengesellschaft, wo er sich keine Zurückhaltung auferlegt, bin ich überzeugt, daß er nicht daran denkt, sich zu verschleudern. Ich habe ihn in den höchsten Tönen von einer großen Familie reden hören, mit deren jungen Damen seine Schwestern befreundet sind, alle mit einer Mitgift von zwanzigtausend Pfund pro Stück.«

      »Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet«, sagte Emma und lachte wieder. »Hätte ich mein Herz daran gehängt, Mr. Elton

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