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Christines Weg durch die Hölle. Robert Heymann
Читать онлайн.Название Christines Weg durch die Hölle
Год выпуска 0
isbn 9788711503683
Автор произведения Robert Heymann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Gebt euch keine Mühe,“ meint Mac Lee und hebt ein wenig den einen Revers seines Rockes.
Die Augen des Taumelnden kleben an dem kleinen Schild.
„Konterspionage,“ sagt er leise.
„Detektiv. Amerika. Bei dem Direktorium hier akkreditiert.“
„Und Sie haben —“
„Ich habe die Perlen, mit denen Odojewskij hier die französische Armee bestechen will und die Sie ihm, als Kellner verkleidet, gestohlen haben.“
„Ach, Sie wissen, dass ich Kellner war?“
„Zum Schein, ja. Eine Ihrer Masken, Kossarow.“
„Kossarow. Wer ist das?“
„Das sind Sie, Mister, geheimnisvoller Kurier im Auftrag der Sowjet. Sollten den Hauptmann bewachen. Haben wieder ein besonderes Mandat!“
„Sie sind gut orientiert,“ höhnt der Russe.
„Ich weiss auch, dass die drei kostbaren Perlen, mit denen hier die Entente unterwühlt werden soll, gestohlen sind. Sie waren in der Mongolei.“
„Auf einem Transport —“
„Richtig. Der Transport enthielt die Kriegskasse jenes Mannes, den man ‚Fürst von Urga’ nennt.“
Kossarow schweigt. „Woher wissen Sie dies alles, Mr. Lee?“
„Mein Freund, ich pflege die Vorgeschichte jeder Affaire, die ich verfolge, aufs genaueste zu studieren. Doch wir wollen in der Feststellung des Tatbestandes fortfahren, denn es ist notwendig, dass wir in Zukunft mit offenen Karten spielen, Mr. Kossarow. Ich weiss, Sie werden alles daran setzen, mir die Perlen abzujagen, wie Sie sie dem Hauptmann abgejagt haben, der mir an Fähigkeiten beinahe überlegen ist.“
„Odojewskij steckte die Perlen in dem Augenblick, in dem er das Hotel betrat, in eine der grossen Vasen im Vestibül. Sie beachteten es nicht, Mr. Lee! Ich sah es. Denn ich beobachtete ihn bereits. Ich nahm die Perlen an mich, schob sie sofort in das bereitgehaltene Rockfutter, wurde aber von Odojewskij überrascht. Er zerrte mich in sein Zimmer. Ich bekam in dem darauffolgenden Boxkampf eins ab,“ sagte Kossarow.
Mac Lee steckte sich eine Zigarre an.
„Er hat einen harten Schlag. Doch wiegen Sie sich nicht in der Hoffnung, dass Sie mir die Perlen ebenso überraschend abjagen können, wie Ihnen das bei Hauptmann Odojewskij gelungen ist. Ich wache Sie vor allen Dingen darauf aufmerksam, dass mir alle Polizeibehörden Odessas zur Seite stehen, dass ich jeden Moment Unterstützung verlangen kann.“
„Die Behörden Odessas,“ meint Kossarow mit offensichtlicher Geringschätzung.
„Ich weiss,“ murmelt Mac Lee. „Aber in einem so klaren Fall wie dem vorliegenden, ist auch die Polizei Odessas für Sie gefährlich, Kossarow.“
In diesem Augenblick klopft es.
Krankenwärter treten in Begleitung eines Soldaten mit einer Bahre herein.
„Hier ist der Tote,“ sagt Mac Lee und deutet auf Kossarow.
Der Soldat lacht, die Krankenwärter ziehen ab, und alles scheint in bester Ordnung. Aber Mac Lee fährt fort:
„Ich mache Sie darauf aufmerksam, Sergeant, dass dieser Mann keinerlei Ausweispapiere besitzt. Schauen Sie sich den Mann genau an, Sergeant. Gleicht er nicht aufs Haar jenem vierfachen Mörder ...“ und während der Soldat mit offenem Mund und wenig geistreichem Gesicht den Russen ansieht und sich vergeblich bemüht, festzustellen, von welchem vierfachen Mörder der Detektiv spricht, zieht Mac Lee einen Steckbrief hervor. Der Soldat wirft einen Blick auf die Photographie. Es ist Kossarow.
Darunter steht: Wegen dringenden Verdachtes vierfachen Mordes festzunehmen und nach der nächsten Milizkaserne zu bringen.
Kossarows Kiefer bewegt sich krampfhaft, aber ehe er einen Entschluss fassen kann, sitzt ihm die „eiserne Acht“ des blitzschnell vorgehenden Sergeanten am Handgelenk.
Ein Pfiff durchs Fenster.
„Es liegt in Ihrem Interesse, mir keinen Widerstand zu leisten,“ sagt der Sergeant.
Mac Lee aber hat schon die freie Hand des Gefangenen gefasst und so führen beide gemeinsam Kossarow die Treppe hinab.
Der zweite Direktor — von neuem alarmiert — lenkt den Transport nach einer Hintertreppe ab.
Unten warten schon die durch den Pfiff des Sergeanten herbeigerufenen Milizsoldaten. Kossarow wird in ein Auto gebracht. Er zischt indessen Mac Lee ins Gesicht:
„Sie werden es büssen.“
Dann rast das Auto ab.
Mac Lee faltet den Steckbrief zusammen und begibt sich in die Halle.
Dort sitzt Hauptmann Odojewökij. Michael, ganz ahnungslos von allem, was um ihn vorgeht, tritt zu ihm, begrüsst ihn.
„Ich muss mich verabschieden,“ sagt der Hauptmann.
Graf Michael bedauert sehr.
„Ihr Auftrag ist also erledigt?“ fragt er.
„Ja,“ lächelt der Hauptmann vielsagend. „Mein Auftrag ist erledigt.“
Er tritt mit Mac einen Schritt abseits und sagt sehr leise:
„Du hast die Perlen?“
„Ich habe sie.“
„Kossarow?“
Mac Lee zieht triumphierend den Steckbrief aus der Tasche.
„Der Kellner fiel mir gestern schon auf. Ich habe das Ding anfertigen lassen — für alle Fälle. Es ist gut, wenn man sich in einem gefährlichen Moment eines Mannes, den man nicht ohne weiteres festnehmen lassen kann, auf diese Weise entledigt. Bis sie den vermeintlichen vierfachen Mörder wieder loslassen, habe ich Vorsprung genug, um vor unliebsamen Zwischenfällen geschützt zu sein.“
„Das ist reizend!“ sagt Alexeij Odojewskij fröhlich.
„Kossarow sitzt also fest. Ich danke dir, Mac! Ich danke dir herzlich, Mac!“
Odojewskij schüttelt Mac immer wieder die Hand, und Mac schaut Alexeij verwundert an, er kann nicht begreifen, warum der Gegner ihm dankbar ist. Aber Mac fühlt unausgesetzt den Druck der Perlen auf seiner Brust, wo er sie geborgen hat, und überwacht jede Bewegung Alexeij Odojewskijs. Er geht und wendet sich noch einmal halb um. „Auf Wiedersehen.“ —
Odojewskij winkt ihm freundschaftlich nach.
Mac Lee wirft sich todmüde auf sein Bett. Erst am nächsten Morgen nimmt er die Perlen aus dem Brustbeutel und betrachtet sie liebevoll und eingehend.
Lange.
Plötzlich stockt sein Herzschlag.
Jetzt, bei der langen und genauen Besichtigung überkommt ihn urplötzlich und mit entscheidender Wucht die Erkenntnis: Die Perlen sind falsch. —
Fabelhaft nachgemacht.
5
Zuerst, einige Monate nach den furchtbaren Katastrophen im Winter 1916, war es wie Grabesschweigen über Russland gelegen. Dann aber sammelten sich in allen Weltgegenden die Führer der alten Zeit. Zarengenerale, Männer, die Russland, ihr Vaterland, glühend liebten, entschlossen, eher zu sterben als zuzugeben, dass der rote Terror über das russische Volk triumphierte. Abenteurer kamen hinzu, Narren, Verbrecher, Spekulanten. Bald verwandelte sich Russland in ein wildes Heerlager, und wieder floss Blut so reich, so achtlos, wie einst unter Nikolaus und Kerenski.
In Sibirien stand Koltschak, in der Ukraine kämpfte Denikin. Inzwischen trieben sich die seltsamsten Befehlshaber mit den merkwürdigsten Befugnissen umher. Aufrührerische Atamane kämpften gegen die Bolschewiken und gegen die Weissen. Petljura schloss sich den Franzosen an, um ein eigenes Reich zu gründen. Der Bauernvater Machno