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Christines Weg durch die Hölle. Robert Heymann
Читать онлайн.Название Christines Weg durch die Hölle
Год выпуска 0
isbn 9788711503683
Автор произведения Robert Heymann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In Odessa gibt es nun, Anfang Februar 1919, folgende Regierungen:
Den Stab Grischin-Almasow, den Stab des Ukrainischen Direktoriums, nämlich des Hetman Petljura, der gleichfalls den Besitz Odessas für sich beansprucht, sowie das französische Oberkommando. Allmählich sind Vertreter jener vielen russischen Parteien und Gruppen erschienen, die alle verschiedene Mittel anwenden wollten, um Russland zu befreien und sich untereinander befehdeten. So weiss niemand, wer eigentlich in Odessa herrscht. Nur eines merkt man:
Die Bolschewiki wühlen.
Ihre Agitatoren werden zwar von der Konterspionage der russischen und französischen Kommandos mit unerbittlicher Wut verfolgt. Aber diese Fanatiker lassen sich auch durch die Aussicht auf die grausamsten Folterungen und Todesarten nicht abhalten, ihrer Sache zu dienen. —
So wimmelt dieses Odessa von Spionen, Gegenspionen, von Menschen aus aller Herren Länder. Die Nächte sind erfüllt von Tanz und Musik, die Tage geballt von Plänen und Problemen, die Stadt lebt in Rausch und Fieber.
Und niemand, selbst die Konterspionage ahnt nicht, dass sich auf dem Dreadnought „Mirabeau“, der in der Bucht von Sewastopol vor Anker liegt, eine verhängnisvolle Revolution vorbereitet, mit der die Anstifter nicht nur Odessa, sondern schon Europa in Brand zu stecken hoffen. —
Mac Lee hat eine Nacht lang die Spur des Hauptmanns Odojewskij verloren. Ganz erfüllt von dem Gedanken, ihm mit den Perlen die Möglichkeit einer entscheidenden Agitation genommen zu haben, hat er zum ersten Mal versagt.
Der Hauptmann aber war nicht müssig gewesen.
Gleich, nachdem er den völlig erschöpften Mac Lee verlassen hatte, ging er zum Hafen. Ein Dampfer war angekommen mit Tataren, Türken und Griechen. Die Türken trugen weisse Tücher über dem Fez, zum Zeichen, dass sie in Mekka gewesen waren. Nun machten sie hier Station, ehe sie in ihre Dörfer im Kaukasus zurückkehrten.
Der Hanptmann mischte sich unter sie und ging mit den Tataren langsam die Dalnitzkajastrasse entlang bis zur Ecke der Balkowskajastrasse. Dort stand die Kneipe des Armeniers Asakoff.
Allerlei Leute verkehrten hier.
Ausser Tataren, Türken und Mongolen die kleinen Kaufleute.
Matrosen aus aller Herren Länder.
Griechen, Polen, Rumänen.
Ein Gewirr von allen Sprachen der Welt.
Wenn Türken kommen, trinkt Asakoff schnell eine Flasche Wodka aus. Oder der Nigger, der die Gäste bedient, schüttet sie ihm sozusagen in den Hals.
Denn wenn Asakoff Türken sieht und nicht eine Flasche Wodka im Leibe hat, passiert etwas.
Zwischen Matrosen, Arbeitern und lichtscheuem Gesindel sitzt Hauptmann Odojewskij. Bei Asakoff tagt jede Woche das „Ausländische Kollegium“, das der Genosse Jelin, der aus Moskau gekommen ist und sich in Odessa eingeschmuggelt hat, begründet hat. Denn die Bolschewiki sind nicht müssig. Das „Ausländische Kollegium“ ist der Sammelpunkt der Ententegegner in Odessa. Von hier aus gehen die Agitatoren mit geheimen Aufträgen, mischen sich unter vielerlei Masken unter das Volk, die Armen, unter die Arbeiter. Und legen Zündstoff aus.
Zwischenträger ist Hauptmann Odojewskij.
Als Lastträger verkleidet, rauchgeschwärzt, mit der Entschlossenheit eines verwegenen Spielers, jeden Augenblick bereit, den höchsten Einsatz, das Leben, zu riskieren, hält der Abgesandte der Sowjet, der gleichzeitig als Offizier der weissen Armeen auftritt, eine wilde Rede, die letzte Bedenken zerstören und die Meuterei der französischen Matrosen zur beschlossenen Sache machen soll.
Die Propaganda, deren sich die Sowjets bedienten, um ihre Ideen in die Reihen der Gegner zu tragen, war ganz neu, war suggestiv, war von einer Kraft, die nur eine völlig neue Idee, ein in seiner Art verjüngtes Volk aufbringen konnte.
Hauptmann Odojewskij hielt eine flammende Rede gegen den Militarismus der Entente. Die Matrosen, die da schweigend um ihn herumstanden, auf Bänken kauerten, betrachteten ihn mit glühenden Augen. Sie horchten mit angehaltenem Atem. Es war das Evangelium des Friedens, der Völkerversöhnung, des tausendjährigen Reiches, der Verbrüderung, das dieser Mann, in dem sie den Offizier respektierten und dessen Mut als Aufwiegler sie bewunderten, predigte.
Sie hielten diesen Emissär für einen Märtyrer seiner Idee, einen Propheten. Er war aber in Wirklichkeit ein bezahlter Spion, ein verwegener Abenteurer. Er sah mit scharfen Augen, was bei den Ententetruppen vorging, er wusste, dass diese Matrosen und Soldaten nichts so sehr ersehnten wie die Heimat, die Beschäftigung des Friedens, dass sie endlich wieder glückliche Ostern und einen Frühling ohne Waffenlärm und Kommandos erleben wollten. Er träufelte ihnen ganz unversehens den Hass ein gegen die kapitalistischen Regierungen.
In der Tat, was gab es da zu widersprechen? Die Kanonenlieferanten konnten doch im Frieden keine Geschäfte machen! Die Regierungen, die in Russland Platin, Edelsteine, Petroleum suchten, die Regierungen, die für ihre Zwecke Eisenbahnen bauen wollten und am liebsten das ganze grosse Russland mit einem Soldatenkordon umstellt hätten, nun, würden die freiwillig Frieden schliessen?
Sie wollten Krieg, damit sich ihre Lieferanten bereichern konnten, diese Spekulanten in Leder, Militärkleidung, in Munition, in Eisen, in Stahl.
Was aber ging den einfachen Mann, was ging den Matrosen — zum Teufel! — was gingen die vielen, vielen Soldaten, die ihre Bräute, ihre Frauen, ihre Kinder, ihre Eltern wiedersehen wollten, die das russische Volk liebten — (denn es war ein gutes, armes Volk!) — was gingen diese die militärischen Ziele ihrer Regierungen und der reichen Leute an?
Das war die Saat, die Hauptmann Odojewskij in der Kneipe des Armeniers Asakoff säte — und bald sollte sie aufgehen.
Aus einem Verschlag holte der Hauptmann Fahnen, Plakate. Rollte sie aus vor den erstaunten Blicken der Matrosen, die mit geheimem Schrecken bemerkten, dass mitten in Odessa ein Propagandabund dieser roten Soldaten war, deren Geist sich durch keine Schranken aus Bajonetten aufhalten liess.
Da war auf einem Plakat der Zar abgebildet als ein fauler, gähnender Beamter, neben ihm der fette Pope mit unendlich dummem Gesicht, und als dritter im Bunde der affige, betuliche Offizier — und dieses Bild, das nach allem, was in Russland geschehen war, doppelt überzeugend wirkte, warf seine Kraft auch in die roten Herzen dieser Matrosen. Sie wurden gestählt durch ein zweites Plakat: Ein unerschütterlicher Fels; hoch auf der Spitze weht die rote Fahne, und unten an seinem steinernen Fuss zerschellt das Schiff des Kapitalismus.
Die Matrosen erhielten zur Finanzierung des Aufstandes zwei kostbare Perlen. Es gab Elemente in Odessa, die solche Beute zu Geld machten. Die Matrosen, mit allen Spelunken vertraut, kannten sie. Die Perlen waren Kriegsfond.
Die Revolution auf dem „Mirabeau“ war somit finanziert.
Und schliesslich verlas der Hauptmann den „Brief aus Moskau“:
Es war ein Stückchen Seidenpapier, das in einer kleinen Strohhülse steckte. Aber jeder Matrose konnte sich überzeugen, dass die Stempel des Sowjets echt waren.
Die Regierungen des neuen Russlands forderten die roten Matrosen Frankreichs auf, das Beispiel