ТОП просматриваемых книг сайта:
Christines Weg durch die Hölle. Robert Heymann
Читать онлайн.Название Christines Weg durch die Hölle
Год выпуска 0
isbn 9788711503683
Автор произведения Robert Heymann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
4
Die Gräfin ordnet mit graziösen Handgriffen ihr Haar. Ein Kaufmann aus Odessa hat ihr galant ein gefülltes Necessaire zum Geschenk gemacht. Sie hat die Krokodiltasche geöffnet und drückt Odojewskij den Spiegel in die Hand. Er lächelt wie ein Soldat bei kriegerischer Auszeichnung. In einer kleinen Silberdose ruht eine weisse Quaste. Christine betupft mit dem zartduftenden Puder das Antlitz. Odojewskij hält ihr auch die Dose.
Mac Lee, der fatale Reisegefährte, beobachtet die kleine Szene mit einer Indiskretion, die ihn lächerlich macht. Eine blaue Parfümflasche rollt zur Erde. Odojewskij reicht sie ihm und sagt sehr freundlich:
„Warum wollen Sie sich denn von solch galanter Dienstleistung ausschliessen, mein Herr?“
Mac Lee lächelt zum ersten Mal. Christine findet ihn amüsant. Er ist aufgestanden und bietet ihr das Parfüm mit einer zärtlichen Bewegung an, die bei seinem athletischen Körperban grotesk wirkt.
Michael hat weniger Verständnis für die neuen Kammerdiener seiner Gattin und nimmt Mac Lee die blaue Flasche wieder ab.
Odessa!
Der Zug rollt in den Bahnhof, der Korridor füllt sich mit Menschen, die über ihre eigenen Füsse stolpern. Die Träger schreien.
Michael bezieht mit Christine ein Zimmer im ersten Stock eines Hotels nahe der Deribassowska-Strasse.
Der Hauptmann meldet sich bei dem französischen General d’Anselm, der das Oberkommando führt, und lässt sich einen neuen Schutzbrief für seine Person ausstellen. Dann mietet er sich im selben Hotel ein, wo Michael mit seiner Gattin wohnt.
Eben ist Odojewskij in sein Zimmer getreten, als durch das Bad, das seinen Raum von dem Zimmer des Chefs der russischen Konterspionage trennt, Mac Lee eintritt.
Alexeij steht im Bademantel.
„Sie gehen ungewöhnliche Wege, Euer Hochwohlgeboren,“ sagt er zu dem Eintretenden.
„Wir wollen die Masken fallen lassen, Hauptmann Odojewökij,“ antwortet Mac Lee ungeduldig.
„Wie Sie wollen, Mr. Lee.“
„Sie haben ein Papier mit geheimen Aufträgen des roten Ataman Grigorjew bei sich.“
„Sind Sie dessen sicher?“
Der Chef der russischen Konterspionage steht vor dem Hauptmann und legt den Browning vor sich auf den Tisch.
Odojewskij schaut ihm ungeduldig zu.
„Nehmen Sie doch Platz, Mr. Lee. Wir wollen uns auf den Standpunkt von Kameraden stellen. Sie fahren besser dabei als mit dem Kampf auf Leben und Tod!“
Mac Lee wirft dem Hauptmann einen schnellen Blick zu.
Scharf und durchdringend. Dann steckt er die Waffe ein.
„Also gut. Sie haben ein Mandat für Rot. Zugegeben?“
„Dass ich ein Narr wäre, Mac Lee! So etwas erörtert man auch unter guten Freunden nicht. Die Frage verstösst gegen die Kameradschaft.“
„Ich weiss aber, dass Sie Bolschewist sind! Sie haben ein Schreiben des Ataman Grigorjew bei sich.“
„Nein!“
„Dann müssen Sie sich gefallen lassen, dass ich jetzt bei Ihnen Haussuchung halte.“
„Das ist Ihre Pflicht, Mac Lee. Als Kamerad werde ich mich dem nicht widersetzen.“
„Sie wollen mir keinerlei Schwierigkeiten machen?“
„Keine. Unter der Bedingung: Sie müssen in einer Stunde fertig sein. Ich habe Hunger.“
„Ich wünsche zuerst Sie selbst genau zu durchsuchen!“
„Gut. Ich nehme ein Bad. Sie können meinen Anzug, meine Wäsche, Sie können mich am Körper durchsuchen. Man müsste diesen verräterischen Brief doch irgendwo finden! Das leuchtet Ihnen ein?“
„Vollkommen!“
Mac Lee untersucht den Hauptmann Odojewskij. Mac Lee dreht seinen Anzug, jedes Wäschestück von innen nach aussen. Durchstöbert das Zimmer, jede Ritze.
Er vergisst nichts. Er sucht eine Stunde mit einer Gründlichkeit, der er bisher seine grossen Erfolge verdankte.
„Sind Sie nun fertig?“ fragt der Hauptmann. „Ich fange an, mich zu langweilen.“
„Ich bin fertig,“ antwortet der Chef der Konterspionage ermüdet und doppelsinnig. „Der Brief befindet sich nicht bei Ihnen.“
„Das sagte ich Ihnen ja gleich, Sie wollten es nicht glauben.“
Zum ersten Mal in seinem Leben sieht Mac Lee totes Gleis. Er ist sich über seine nächsten Massnahmen nicht klar.
„Ich werde Sie nicht mehr aus den Augen verlieren,“ sagt er. „Es ist für mich Ehrensache geworden, Sie zur Strecke zu bringen!“
„Fatale Sache für Sie,“ antwortet der Hauptmann ironisch und beginnt sich anzukleiden.
Mac Lee kaut an den Lippen und beobachtet ihn schweigend. Seine Nachrichten lauten bestimmt. Hauptmann Odojewskij ist ein Verräter.
Aber wo hat er den Brief?
Mac Lee macht einen letzten Versuch: „Alexeij,“ sagt er, „wir kennen uns doch lange genug!“
„Natürlich. Nachdem ich meinen Abschied noch unter dem Zaren nehmen musste, ging ich nach den Staaten.“
„Wir haben uns in Mexiko kennen gelernt.“
„Beim Pferdestehlen.“
Mac Lee schliesst halb die Lider. „Beim Pferdestehlen. Ich war Agent für die Christeros. Du warst nur Pferdedieb.“
„Schön. Wir lernten uns kennen und schlugen uns dann gemeinsam in der Armee Obregons gegen Huerta!“
„Ja. Auf diese Kameradschaft, Alexeij: Sage mir, wo du den Brief des roten Ataman versteckt hast. Ich schwöre dir, bei meinem Blute, ich lasse dich laufen!“
„Bei deinem Blut, Mac Lee, ich werde dir nichts sagen!“
„Gut, Alexeij, ich werde den Brief finden, und dich soll der Satan holen und lebend frikassieren.“
„Er tut es nicht, Mac Lee. Noch nicht. Ich habe eine feine Witterung für meine Chancen. Auch für die deinen. Die deinen stehen schlecht, Mac. Tut mir leid.“
Alexeij geht essen.
Mac Lee raucht eine Zigarre und brütet. —
Am nächsten Tage findet Odojewskij Christine verstimmt. Der erste Rausch der Freude über seine Rettung ist verflogen. Sie ist wieder in sich gekehrt, kühl. Die Erinnerung ist nun lebendig, und die alte Scheu vor ihm ist wiedergekehrt. Aber der Hauptmann weiss so geschickt den Gatten zu beschäftigen, der Sympathie für ihn hat, und die Abneigung Christines, die er durch sein Benehmen geschaffen hat, durch tadelloses Verhalten zu überwinden, dass sie langsam wieder Zutrauen zu ihm fasst.
Die Gräfin zieht sich zum Souper um, der Graf kauft Zeitungen, Odojewskij raucht Zigaretten, und Mac ist in die Betrachtung eines Kellners versunken, dessen Gesicht ihm bekannt vorkommt.
Aber im Laufe seiner Tätigkeit haben so viele Menschen seinen Weg gekreuzt, dass es ihm nicht möglich ist, eine Physiognomie ohne weiteres festzustellen.
Wie Mac sich umwendet, ist Hauptmann Odojewskij verschwunden.
Er steht seinen Schatten eben noch auf der Balustrade.
Mac ist blitzschnell auf der Treppe.
Im ersten Stock angekommen, durchsucht er die Korridore nach Alexeij.
Hauptmann Odojewskij ist unauffindbar.
Mac