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Klinik gebracht.«

      »Ich kann Sie schon verstehen, Herr Berkel. Doch wenn Sie mit Ihrem Sohn wieder daheim sind, sollten Sie ihn zu einer gründlichen Untersuchung in eine Klinik bringen. Sie wollen doch sicher nicht, dass er vielleicht einen schweren Herzschaden hat.«

      »Das werde ich ganz bestimmt tun«, erwiderte Knut Berkel mit ernster Stimme. »Ich liebe meinen Jungen, und seine Gesundheit ist das Allerwichtigste für mich.«

      »Ich bin fertig, Vati. Gehen wir denn jetzt mit Tante Hanna spazieren?«, meldete sich nun Sven mit leicht ungeduldiger Stimme.

      »Natürlich gehen wir jetzt, Sven«, sagte Hanna lächelnd und erhob sich auch schon.

      Während Knut die Rechnung beglich, fasste der Achtjährige nach Hannas Hand und sagte treuherzig: »Ich freue mich, dass du gekommen bist, Tante Hanna. Du bist lieb, ich mag dich.«

      »Ich mag dich auch, mein Kleiner«, gab Hanna mit weicher Stimme zurück und fuhr ihm liebevoll durch das schwarze Haar.

      Knut trat zu ihnen, sie verließen die Terrasse des Cafés und schlenderten langsam, den Jungen zwischen sich, am Seeufer entlang. Aber lange hielt es den Jungen nicht so zwischen ihnen, und er lief einige Schritte vor, fand immer etwas Neues, was er betrachten konnte, was für ihn interessant war.

      Diesem Nachmittag folgten weitere, aber noch nie hatte Knut von Svens Mutter gesprochen. An einem der Nachmittage, als sie langsam durch den Wald spazierten, fragte Hanna, und ihr Herz klopfte sofort etwas heftiger, weil sie sich ein wenig vor seiner Antwort fürchtete: »Haben Sie inzwischen schon Ihre Frau über Svens Krankheit informiert, Herr Berkel? Sie macht sich doch sicher auch Sorgen.«

      »Kaum, Frau Dr. Martens, ich lebe nämlich mit Sven schon seit einiger Zeit allein. Morgens besucht er die Schule und am Nachmittag, wenn ich noch einmal zur Bank muss, kümmert sich das Hausmädchen, unsere Elsa, um ihn. Ich spreche nicht gern darüber. Aber bei Ihnen habe ich das Gefühl, als würde ich Sie schon eine Ewigkeit kennen. Meine Frau hat mich und den Jungen vor einiger Zeit verlassen. Darum ist es für mich auch doppelt schwer, dass mein Junge nicht gesund ist.«

      »Das tut mir leid, Herr Berkel. Entschuldigen Sie, dass ich mit meiner Frage an eine Wunde gerührt habe. Das wollte ich nicht, das lag nicht in meiner Absicht.«

      »Es muss Ihnen nicht leidtun, Sie konnten es ja nicht wissen. Es ist auch keine Wunde mehr. Cornelia, meine Frau, fühlte sich eingeengt und hat es vorgezogen, ihre Freiheit zu suchen. Es lohnt nicht, auch nur noch einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden. Um des Jungen willen hätte sie anders handeln müssen. Er ist in einem Alter, in dem man die Mutter doch mehr als den Vater braucht. Aber reden wir nicht mehr davon. Wenn ich Sie um etwas bitten dürfte, nennen Sie mich Knut. Ich bin sehr gern mit Ihnen zusammen, und auch Sven mag Sie. Knut klingt nicht so fremd.«

      »Einverstanden, Knut, aber nur, wenn Sie mich Hanna nennen.«

      »Also dann, auf gute Freundschaft, Hanna. Sie werden mir und dem Jungen fehlen, wenn unsere Zeit hier vorüber ist.«

      Hannas Herz pochte heftiger, und eine dunkle Röte stieg ihr ins Gesicht. Rasch wich sie seinen Blicken aus, in denen ein ganz neuer Ausdruck lag.

      »Warum sagen Sie nichts, Hanna?« Seine Hand legte sich auf ihren Arm. »Werden wir Ihnen auch ein wenig fehlen?«

      Hanna kam nicht dazu, ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben, denn in diesem Augenblick kam Sven auf sie zugelaufen, und Hanna erschrak, weil er mit einem Mal leicht schwankte und heftig atmete.

      »Sven, mein Kleiner, du sollst doch nicht so schnell laufen. Komm, wir setzen uns ein Weilchen ins weiche Gras, du musst dich jetzt unbedingt ausruhen. Nachher gehen wir ganz langsam zurück.«

      »Was hat er, Hanna?« Knuts Stimme klang bestürzt.

      »Er hat sich etwas überanstrengt, Knut. Wir sollten ein paar Tage auf die Spaziergänge verzichten. Sven braucht mehr Ruhe.«

      »Dann machen wir jetzt eine längere Pause und gehen dann zurück. Morgen bleibt Sven dann den ganzen Tag liegen.«

      »Will ich aber nicht, Vati. Dann kann ich Tante Hanna doch nicht sehen.«

      »Kannst du wohl, mein Kleiner«, sagte Hanna sofort, weil sie sah, dass der Junge plötzlich Tränen in den Augen hatte.

      »Aber wenn ich doch …«

      »Wir machen es eben anders. Ich werde ein großes Paket Kuchen besorgen und komm dich morgen in eurem Häuschen besuchen. Wir können ja mit deinem Vati ›Mensch ärgere dich nicht‹ spielen. Nun, was meinst du dazu?«

      »Du kommst ganz ehrlich, Tante Hanna?«

      »Wenn ich es doch sage, und wenn es deinem Vati recht ist, natürlich«, erwiderte Hanna mit einem weichen Lächeln.

      »Natürlich ist es mir recht, Hanna, ich freue mich darauf.«

      Erneut wich Hanna seinen Blicken aus, denn sie hatte das Gefühl, als müsse er das Pochen ihres Herzens hören. Sie kannte sich auf einmal selbst nicht mehr. Was war mit ihr los, dass ihr Herz immer heftiger klopfte, wenn er sie nur ansah?

      Um Knut in diesem Augenblick nicht in die Augen sehen zu müssen, beschäftigte sie sich rasch wieder mit Sven. Ihre ganze Selbstsicherheit bröckelte ab, je länger sie Knut Berkel kannte und je öfter sie mit ihm und seinem Jungen zusammen war. Dabei war sie voller Hochachtung für ihn, der sich so liebevoll und zärtlich um den Achtjährigen kümmerte, ihm nun auch die Mutter ersetzen musste.

      An diesem Tag fiel es Hanna sehr schwer, sich gegen Abend von Vater und Sohn zu verabschieden. Auf der ­einen Seite war es der Junge, der ein Gefühl in ihr geweckt hatte, das mehr als Mitleid mit einem kranken Kind war. Und da war in ihr ein Gefühl des Glückes. Es gab niemanden, der daheim auf ihn und den Jungen wartete. Gab es vielleicht ein wenig Hoffnung für sie?

      *

      Viel zu rasch waren die Tage vergangen, die Knut und seinem Jungen noch in dem kleinen Ferienhäuschen verblieben waren. Jeden dieser Tage hatten sie und Hanna gemeinsam verbracht. Obwohl Hanna schon längst erkannt hatte, dass sie Knut und auch seinen Jungen liebte, versuchte sie alles, um diese Gefühle vor ihm zu verbergen. Sie glaubte, dass er das gleiche Gefühl für sie empfand, und dass nur das Scheitern seiner Ehe ihn davon abhielt, ihr zu diesem Zeitpunkt seine Gefühle zu offenbaren. Aber das Allerwichtigste war jetzt sowieso erst einmal die Gesundheit von Knuts Jungen.

      So war der letzte Tag herangekommen. Da es Sven erneut nicht besonders gut ging, hatte Hanna zugestimmt, diesen letzten Tag mit Knut und dem Jungen in dem kleinen Ferienhaus zu verbringen.

      Sven war selig, als Hanna gegen zehn mit der Brötchentüte das Ferienhaus betrat.

      »Endlich bist du gekommen, Tante Hanna«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Vati und ich haben schon auf dich gewartet. Wir wollen doch zusammen frühstücken.«

      »Nur weil wir frühstücken wollen, Sven?«, fragte Hanna scherzend und streichelte ihm liebevoll über die Wange.

      »Aber nein, Tante Hanna. Es ist nur, es ist, weil wir doch morgen nicht mehr hier sind. Kannst du nicht mit uns fahren?«

      »Das geht nicht, Sven, ich habe es dir doch schon erklärt. Ich bleibe noch eine Woche, danach muss ich wieder zu den kranken Kindern in meine Klinik zurück. Wenn dein Vati dich dann zu uns in die Klinik bringt, sehen wir uns ja wieder. Jetzt frühstücken wir erst einmal. Ich habe hier auch eine große Tüte Brötchen mitgebracht. Ich will hoffen, dass du tüchtig zugreifst.«

      Sven nickte eifrig, und Hanna kam jetzt auch dazu, Knut zu begrüßen, der sie bewundernd ansah und mit warmer Stimme sagte: »Ich freue mich, dass Sie uns diesen Tag schenken, Hanna. Sven ist gleich viel lebhafter, wenn Sie in seiner Nähe sind. Er ist dann nicht mehr so still, so traurig, wie noch in der vergangenen Zeit, als wir Sie noch nicht kannten. Ich würde gern noch eine Weile bleiben. Leider muss ich erst einmal nach Hause zurück.«

      Hanna kam nicht dazu, etwas darauf zu erwidern, denn Sven sagte etwas ungeduldig: »Ich habe Hunger, Vati.«

      »Schon

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