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er und Sven oder mein Beruf. Ich konnte nicht anders, ich habe mich für meine Pflichten den kranken Kindern gegenüber entschieden. Es fällt mir nicht leicht, auf mein persönliches Glück zu verzichten, aber ich weiß, dass ich nicht alles aufgeben kann, was einmal mein Traum gewesen ist. Kannst du mich wenigstens verstehen?«

      »Das war es also, was dich so verändert hat, Hanna? Ich kann dich verstehen, und wenn ich ehrlich dir gegenüber sein darf, hatte ich es befürchtet. Dazu kenne ich dich nämlich zu gut. Es kann eben kein Mensch aus seiner Haut heraus. Wenn Knut Berkel eine solche Forderung stellen konnte, ist seine Liebe eine egoistische Liebe, und er hat dich nicht verdient. Nur zu fordern, ist keine gute Basis für eine glückliche Ehe. Du wirst ihn vergessen, Hanna, und deine Arbeit in unserer Klinik wird dir dabei helfen. Der Schmerz um deine verlorene Liebe wird eines Tages vergangen sein.«

      »Es ist lieb von dir, Kay, dass du mich trösten willst. Aber mit dem Vergessen geht das nicht so schnell, denn da ist auch noch der Junge, den ich sehr lieb gewonnen habe und von dem ich mich jetzt nicht einfach fernhalten kann. Es wäre eine zu schmerzhafte Enttäuschung für ihn. Ich weiß auch nicht, ob ich es schaffe, Knut in den nächsten Tagen einigermaßen unbefangen gegenüberzutreten. Ihn vielleicht jeden Tag sehen zu müssen mit dem Wissen, dass alles vorbei ist, ist für mich nicht so einfach. Allein der Gedanke daran tut mir sehr weh.«

      »Ich kann dich gut verstehen. Ich kenne dich viel zu gut, ich weiß aber auch, dass du es schaffen wirst, Hanna. Warum gehst du jetzt nicht schlafen? Morgen früh schaut auch für dich die Welt wieder viel freundlicher aus.«

      »Ja, vielleicht hast du sogar recht, Kay. Schlaf wird mir guttun. Es muss ja weitergehen.«

      *

      Zwei Tage vergingen, in denen es Hanna gelang, Sven immer nur dann aufzusuchen und sich um ihn zu kümmern, wenn Knut nicht da war. Es war für die Schwestern auf der Station jedoch offensichtlich, dass sie dem Vater des Jungen aus dem Weg ging.

      Dann begann der dritte Tag. Es war noch sehr früh am Morgen, und Hanna befand sich noch mit ihrem Bruder Kay in der gemeinsamen kleinen Giebelturmwohnung. Sie hatte das Fenster geöffnet und sah ein paar Minuten schweigend in den beginnenden Morgen. Tief atmete sie die frische Luft ein und sah zum Himmel hoch, der sich klar und ohne ein Wölkchen über der Landschaft wölbte.

      Plötzlich wurden Hannas Blicke von einem Wagen angezogen, der sich in rascher Fahrt der Klinik näherte. Es handelte sich um einen schnittigen roten Sportwagen. Neugierig geworden, beugte Hanna sich vor, um zu sehen, wer da schon zu dieser frühen Stunde in die Kinderklinik Birkenhain wollte. Ein Neuzugang war für diese Zeit nicht angemeldet. Es war gerade erst ein paar Minuten vor sieben, und Kay und sie hatten erst vor wenigen Minuten gefrühstückt.

      »Gibt es da unten etwas Interessantes zu sehen, Hanna?«, wollte Kay wissen und stellte sich neben sie ans Fenster.

      In diesem Moment stieg eine schlanke, sehr elegante Frau mit weißblondem Lockenkopf aus dem Wagen und sah sich aufmerksam um.

      »Kennst du diese Frau vielleicht, Kay? Was mag sie schon so früh am Morgen hier bei uns in Birkenhain wollen?«

      »Mir ist sie völlig unbekannt. Ich habe sie vorher noch nie gesehen. Wir werden ja nachher hören, wen sie schon so früh besuchen möchte. Es wird sowieso für uns langsam Zeit, hinunterzugehen. Du bist doch so weit, oder?«

      »Natürlich, Kay, ich schließe nur noch das Fenster.«

      Als sie nebeneinander hinunter in den Klinikbereich gingen, fragte Hanna: »Hat Knut Berkel schon mit dir darüber gesprochen, in welche Spezialklinik er den Jungen bringen will, Kay?«

      Es war das erste Mal seit dem Abend nach ihrer letzten Aussprache mit Knut, dass sie seinen Namen Kay gegenüber erwähnte.

      »Nein, obwohl ich gestern eine kurze Unterredung mit ihm geführt habe, in deren Verlauf ich ihm die Namen einiger Kliniken genannt habe, die ich ihm empfehlen kann. Er wirkte auf mich ein wenig niedergeschlagen und abwesend. Wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkommt, wird er die Behandlung des Jungen durch Dr. Dornbach zum Wochenende abbrechen und Sven abholen. Ich habe ihm nicht zugeredet, ihm aber auch nicht abgeraten, Hanna. Er weiß, wie es um den Jungen steht, und er weiß, was für den Jungen zu tun bleibt. Er muss wissen, wie er sich entscheidet. Er weiß ja auch von uns, dass es gut wäre, nicht allzu lange mit einer Operation zu warten. Hast du noch nicht wieder mit ihm gesprochen?«

      »Nein, Kay, ich bin in den vergangenen zwei Tagen nicht mit ihm zusammengetroffen. Dabei kümmere ich mich doch genauso intensiv um Sven wie vor diesen Tagen. Nur eben zu anderen Zeiten. Ich gehe Knut nach Möglichkeit aus dem Weg.«

      »Warum gehst du ihm so offensichtlich aus dem Weg, Hanna?«

      »Ich bin innerlich noch nicht so weit, Kay. Aber das ist im Augenblick nicht so wichtig. Sag mir lieber, was für heute anliegt. Ich habe ja um halb neun meine ambulante Sprechstunde.«

      »Wie ich dir schon sagte, keine Operation. Nach Möglichkeit will ich den Mittwoch auch weiterhin als operationsfreien Tag beibehalten, abgesehen, von Notfällen. Du bleibst ja erst einmal hier auf der Krankenstation, nicht wahr? Ich habe zuerst etwas unten im Labor zu erledigen. Wir sehen uns dann nach deiner Sprechstunde zur Visite.«

      »Ich schaue zuerst nach Sven, danach werde ich Markus und Hansi Bruhns aufsuchen. Ich bin so froh, dass beide die Operation so gut überwunden haben. Heute ist doch erst der dritte Tag nach dem Unfall.«

      »Ist doch kein Wunder, Hanna. Die liebevolle Fürsorge der Mutter, die so viele Stunden am Tag bei den beiden im Krankenzimmer verbringt, muss ja Wunder wirken. Also, bis später.«

      Mit langen Schritten ging Kay weiter und die Stufen der Treppe hinunter in das Erdgeschoss der Klinik, während Hanna Svens Zimmer betrat. Sven war schon wach und sah Hanna mit sehnsüchtigen Blicken entgegen.

      »Du hast mir gestern überhaupt nicht gute Nacht gesagt, Tante Hanna. Ich habe gar nicht einschlafen können. Auch Vati hat gewartet, dass du kommst«, kam es klagend von seinen Lippen.

      »Ich habe im Augenblick sehr viel Arbeit, mein Junge. Ich war noch spät in deinem Zimmer, aber da warst du schon eingeschlafen. Vielleicht habe ich heute Abend eher Zeit für dich.«

      »Versprochen, Tante Hanna?«

      »Versprochen, Sven. Aber ich muss dich jetzt schon wieder allein lassen. Ich wollte dir nur Guten Morgen wünschen. Es dauert ja nicht mehr lange, und dein Vati kommt wieder zu dir. Ich habe es dir doch schon ein paar Mal erklärt, dass hier noch andere kranke Kinder in den Zimmern liegen und auf mich warten. Du bist ja auch nicht allein, du hast doch jetzt den Tim. Wo steckt er überhaupt?« Suchend sah Hanna sich um.

      »Tim musste mal, Tante Hanna. Aber seine Mutter hat gestern gesagt, dass er nächste Woche wieder nach Hause darf. Ich bin dann wieder allein.«

      Hanna wollte etwas Tröstendes sagen, aber in diesem Moment öffnete Schwester Laurie die Zimmertür und rief ihr leise zu: »Können Sie bitte einen Augenblick kommen, Frau Dr. Martens?«

      »Ich komme«, entgegnete Hanna. Zu Sven sagte sie: »Da hörst du es, dass andere Kinder auf mich warten. Ich komme später wieder zu dir, einverstanden?«

      Sven nickte, und mit einem aufmunternden Lächeln verließ Hanna das Zimmer.

      Auf dem Gang wartete Schwester Laurie auf Hanna.

      »Was liegt an, Schwester Laurie? Warum haben Sie mich aus dem Zimmer gerufen?«

      »Der Herr Doktor hat gerade angerufen, Sie möchten bitte gleich zu ihm hinunterkommen.«

      »Hat er gesagt, warum?«

      »Nein, Frau Doktor, nur, dass er auf Sie wartet und Sie gleich kommen sollen.«

      »Danke, Schwester Laurie, dann will ich ihn nicht warten lassen. Ich bin sicher in wenigen Minuten zurück.«

      Mit leichten Schritten eilte Hanna hinüber und stand kurz darauf vor Kays Sprechzimmer.

      *

      Als Kay die letzten Treppenstufen erreicht hatte, sah er, dass in der Besucherecke

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