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      »Und du, Tim?«, wandte sich Hanna lächelnd an Svens neuen Zimmerkameraden. »Gefällt es dir hier zusammen mit dem Sven?«

      »Prima, Frau Doktor. Der Sven ist schon in Ordnung. Meine Mutti bringt mir nachher noch ein paar Brettspiele in die Klinik.«

      »Fein, Tim, dann ist ja alles in Ordnung. Es ist schön, dass ihr zwei euch so gut vertragt.«

      Erst jetzt begrüßte Hanna Knut, der sie nicht aus den Augen gelassen hatte, und dessen Gesicht auf einmal seltsam angespannt wirkte.

      »Grüß dich, Knut. Du siehst ja selbst, wie Sven mich immer sofort mit Beschlag belegt.« Hannas Mund lächelte, aber ihre Augen blieben dabei ernst.

      »Ich habe mich nach dir gesehnt, Hanna«, flüsterte Knut ihr so leise zu, dass Sven und Tim es nicht hören konnten. »Ich warte auf deine Antwort, also auf deine Entscheidung.«

      »Bitte, Knut, nicht hier und nicht jetzt. Wir reden heute Abend darüber, dann sollst du hören, wie ich mich entschieden habe. Ich habe jetzt auch nur ein paar Minuten Zeit. Ich habe eine schlaflose Nacht und einen sehr anstrengenden Vormittag hinter mir. Ich muss mich gleich um die schwer verletzten, frisch operierten Kinder auf der Intensivabteilung kümmern.«

      »Kann das nicht einmal ein anderer Arzt übernehmen, Hanna? Ist die Sache zwischen uns nicht für unsere Zukunft wichtig?«

      »Ich verstehe dich nicht, Knut. Wie kannst du annehmen, dass ich meine Pflichten deshalb so einfach vernachlässigen würde? Wenn es dir auch schwerfällt, so musst du dich bis heute Abend gedulden. Wenn es zwischen uns Probleme gibt, so denke bitte daran, dass du sie erst heraufbeschworen hast. Die Entscheidung, die du gestern von mir gefordert hast, kann ich nicht in fünf Minuten treffen.«

      »Hanna, ich verstehe dich nicht mehr. Du bist heute so anders, so fremd.«

      »Nicht jetzt, Knut, ich muss wieder gehen.« Fast überhastet wandte Hanna sich ab und eilte ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.

      Sie hörte Sven noch rufen: »Tante Hanna, Tante Hanna, so lauf doch nicht fort, so bleib doch noch ein wenig.« Aber da hatte sie die Zimmertür schon von außen zugezogen.

      Hanna eilte sofort ins Erdgeschoss hinunter und in ihr Sprechzimmer. Sie musste einige Minuten allein sein, so aufgewühlt war sie innerlich. Nicht eine Minute länger hätte sie in Knuts unmittelbarer Nähe bleiben können. Sie sank in ihren Schreibtischsessel und presste beide Hände vor ihr Gesicht, und auf einmal löste sich die innere Anspannung, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Eine ganze Weile saß sie stumm an ihrem Schreibtisch und starrte mit schwimmenden Augen vor sich hin.

      »Du bist eine dumme Pute, Hanna Martens«, sagte eine innere Stimme zu ihr. »Was willst du jetzt eigentlich? Willst du ihn oder deinen Beruf? Wenn du ihn wählst, dann wirst du deinen Beruf als Ärztin vermissen und vielleicht später dich und auch ihn dafür hassen. Wenn er der richtige Mann für dich wäre, hätte er dich nicht vor eine solche Entscheidung gestellt. Es ist noch früh genug, alles zu korrigieren. Du musst es nur wollen.«

      Hanna horchte weiter in sich hinein, aber die mahnende Stimme in ihr schwieg. Sie war so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie überhörte, wie die Tür zu ihrem Sprechzimmer geöffnet wurde und jemand ins Zimmer trat.

      *

      Kay Martens hatte eine Weile mit den Eltern der schwerverletzten Zwillinge gesprochen, die über das furchtbare Geschehen völlig außer sich waren. Nachdem er alles erklärt hatte, führte er sie in die Intensivabteilung, damit sie sich davon überzeugen konnten, dass man für ihre Kinder alles getan hatte. Es war für ihn, der doch schon so viel Leid miterleben musste, erschütternd, die Verzweiflung der Zwillingsmutter mit ansehen zu müssen. Aber schließlich gelang es ihm und dem Vater der beiden Kinder, die Mutter einigermaßen zu beruhigen.

      »Wann darf ich wiederkommen, Herr Dr. Martens? Ich möchte doch so gern bei meinen Kindern sein.« Bittend sah die junge Frau Kay an, nachdem sie die Intensivabteilung wieder verlassen hatten.

      »Ich habe an und für sich nie etwas dagegen, wenn Eltern bei ihren kranken Kindern sein wollen. Sogar auf der Intensivabteilung, Frau Bruns. Aber Ihre beiden Kinder werden hier gut versorgt und jede Minute überwacht. Beide werden heute Ihre Anwesenheit nicht wahrnehmen. Ruhen Sie sich daheim aus, Sie werden Ihre Kräfte noch für beide brauchen. Es war vor allen Dingen bei Ihrem Markus keine leichte Operation.«

      »Komm, Liebes, wir sollten den Rat von Dr. Martens annehmen.« Besorgt und schützend legte Herr Bruhns einen Arm um seine Frau.

      »Komm, fahren wir nach Hause, wir können hier im Augenblick nichts für Markus und Hansi tun.«

      »Ihr Mann hat recht, Frau Bruhns. Sie können sich darauf verlassen, dass wir Sie sofort benachrichtigen, sollten wider Erwarten Komplikationen eintreten. Wir wissen ja, wo wir Sie erreichen können.«

      »Gut, Herr Doktor, ich vertraue Ihnen. Es ist sicher besser, wenn ich jetzt mit meinem Mann heimfahre. Die Aufregungen seit heute Morgen waren auch ein wenig viel für mich. Achten Sie gut auf unsere Kinder. Sie sind das Liebste, was wir besitzen.«

      Mit einem traurigen Lächeln verabschiedete sie sich mit ihrem Mann von Kay.

      Kay sah auf die Uhr. Wieder einmal war durch die Ereignisse die Mittagszeit fast vorüber, und er war noch nicht dazu gekommen, eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen. Vielleicht war Hanna auch noch nicht dazu gekommen. Er würde einmal nachsehen, wo sie steckte. Sie konnten dann ja ­gemeinsam nachsehen, ob Marike Schriewers noch etwas für sie beide in der Küche hatte.

      In der Halle fragte Kay Martin Schriewers: »Haben Sie Hanna gesehen, Martin?«

      »Ich glaube, sie ist vorhin in ihr Sprechzimmer gegangen«, antwortete Martin Schriewers lächelnd.

      »Danke, Martin, dann will ich einmal hinüber. Ich wollte mit ihr zu Marike in die Küche. Mal sehen, ob Marike noch eine warme Mahlzeit für uns hat.«

      »Hat sie um diese Zeit bestimmt noch. Ich kenne doch meine Marike.«

      »Eben, Martin, dann bis später.«

      Als Kay vor der Tür zu Hannas Sprechzimmer stand und gerade anklopfen wollte, glaubte er, unterdrücktes Schluchzen zu hören. Einen Moment horchte er bestürzt, dann öffnete er die Tür und betrat den Raum.

      »Hanna, um Gottes willen, was ist denn mit dir passiert? Du weinst ja. Kann ich etwas für dich tun?«

      Mit einer unwilligen Bewegung wischte Hanna sich über die Augen. Mit einem erzwungenen Lächeln sah sie zu ihm hoch und sagte leichthin: »Es war nichts und ist auch schon wieder vorbei, Kay. Es gibt da nichts, was du für mich tun kannst. Entschuldige, dass ich mich habe gehen lassen. Aber auch mir gehen schon einmal die Nerven durch.«

      »Hanna, bitte, seit wann müssen wir einander etwas vormachen? Wozu bin ich denn dein Bruder, wenn du mir nicht erlaubst, dir zu helfen?«

      »Es ist eine ganz private Angelegenheit, Kay. Ich muss allein damit fertig werden. Ich möchte dich damit nicht behelligen. Du wirst mich verstehen, wenn ich dir sage, dass es mit Knut zusammenhängt. Reden wir nicht mehr davon, sag mir lieber, warum du mich aufsuchst.« Hanna hatte inzwischen ihre Fassung endgültig wieder zurückerlangt.

      »Nun, Hanna, ich bin wieder einmal nicht dazu gekommen, zum Essen zu gehen. Ich habe Hunger und dachte, dass es dir vielleicht ebenso gegangen ist. Wir haben immerhin schon vierzehn Uhr vorbei.«

      »Ich habe keinen Appetit, geh du allein. Ich werde für heute Feierabend machen und mich doch noch etwas hinlegen. Heute Abend treffe ich mich noch für ein Stündchen mit Knut. Bis dahin frage mich bitte nicht.«

      »Natürlich, Hanna, du bist etwas überreizt. Ein paar Stunden Schlaf, und du wirst dich wieder wohlfühlen. Ich für meinen Teil werde jetzt erst einmal sehen, dass ich etwas Warmes in den Magen bekomme, bevor ich noch einmal unsere Sorgenkinder auf der Intensivabteilung aufsuche. Ich bin wirklich froh, dass wir die beiden Kinder über den Berg bekommen. Aber genug geredet. Sag mir nur noch, soll ich dich zu einer bestimmten Uhrzeit wecken?«

      »Wenn

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