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er seine Opfer aus, und ob er auch Schluchzen und schmerzdurchwühlte Worte vernahm, ihn rührte das nicht, — leise flüsterte er den Eltern zu: Ich weiss, Gott hat sie zu lieb, sie müssen scheiden. Und er wand sich weiter, unsichtbar, durch enge, schmutzige Gassen der Vorstadt bis zu den breiten, glänzenden Strassen der vornehmen Leute und berührte mit seinem giftigen Hauche zu gleicher Zeit das Kind des Armen und das des Reichen, denn Gott wollte nicht, dass er Unterschied machen sollte zwischen Glanz und Not. Der gute Engel wich machtlos zur Seite und liess traurig die Flügel hängen.

      Gerade zu dieser Zeit ging der Würgeengel wieder unversöhnlich umher und überschüttete mit seiner Vernichtung die Häupter rosiger, unschuldiger Wesen. Und als klein Fritzchen und Lottchen nun wieder auf dem Wege zu der lieben guten Grossmutter waren, hatte sich der böse Engel gar hässliches, nasskaltes, ungesundes Wetter ausgesucht, das für des Herrn Ferdinand Leinewebers Söhnchen von üblen Folgen begleitet war.

      Am Abend stellte sich plötzlich Heiserkeit bei dem Knaben ein, er wurde still, so dass die Grossmutter ganz besorgt wurde. „Ich lasse ihn so nicht fort, er bleibt die Nacht bei mir,“ sagte sie zu dem Mädchen, und als klein Lottchen nicht allein nach Hause wollte, musste es das Nachtlager an der Seite seines kleinen Cousins teilen. Nun dachte die Grossmutter, als sie ihre Lieblinge so friedlich nebeneinander schlummern sah und sie im stillen mit ihrem Segen begleitete, am andern Morgen würde ihr kleiner Enkel wohl wieder gesund und munter sein; aber während sie mit gefalteten Händen auf ihrem grossen Stuhl halb träumend eingenickt war, bemerkte sie den Würgeengel nicht, der leise bei ihr vorbeischlich und mit einem einzigen Flügelschlag den Keim des Todes in eine junge Menschenseele legte. Und nach bang durchwachten Stunden, am frühen Morgen bereits stand neben der weinenden Grossmutter der Arzt und sprach das Wort „Diphtheritis“ aus. Nun hatte klein Lottchen ungesehen den kleinen Patienten geküsst, und als es wiederum Nacht wurde und ein neuer Morgen kam, lag auch das kleine Mädchen krank und hilflos da. Jetzt wurde das sonst so einsame Wohnzimmerchen der alten Frau nicht leer von den Menschen, die sich vor kurzem kleinlicher Dinge wegen nicht sehen und begegnen mochten. Die Kinder dürfen nicht fort, sie müssen hierbleiben, hatte der Arzt gesagt, und während er immer aufs neue Anordnungen für die kleinen Patienten traf, konnte er nicht verhehlen, wie schlimm es stände.

      Wer hilflose Kinder nicht sterben sah, der kennt den Schauer des Todes nicht, und wer nicht schwach wurde beim letzten Blicke ihrer brechenden Augen, der hätte sich seiner Stärke niemals zu rühmen brauchen. ... Es war still im Zimmer, denn der Engel des ewigen Friedens hatte seinen Einzug gehalten. Aufgebahrt harrten die beiden Kleinen, die im Leben nicht voneinander zu lassen vermochten, des Augenblicks, wo sie nun auch unter kühlem Rasen nebeneinander gebettet werden sollten. Ja, es war still, ergreifend still. Über all dem vielfältigen Spielzeug, das dort hinten in einer Ecke wie verlassen übereinander türmte, lag es wie ein schwermütiger Hauch, der stumm zum Herzen sprach. Und nun bei dieser Stille der Anblick der vor Gram gebeugten Grossmutter, die am Fenster, über das Gebetbuch geneigt, der Stunde zum letzten Gange entgegensah. Dann kam diese Stunde, und mit ihr die Eltern der kleinen entschlafenen Seelen, um zum allerletzten Male geröteten Auges auf die starren Züge ihrer Lieblinge zu schauen. Und kein Schluchzen, kein letztes Berühren der Stirn mit der weichen Hand rief sie zurück zum jungen Leben. Oh, die Grossmutter hatte recht gehabt: Anders waren sie wiedergekommen — ohne äusserlichen Unterschied, tief schwarz gekleidet, denselben Schmerz, dieselbe Trauer auf ihren Zügen.

      Nun brauchte sich Madame Susanna Leineweber nicht mehr über die bunte Toilette ihrer Schwägerin zu beklagen, Frau Julie musste von selbst auf die teuren und geschmacklosen Hüte verzichten. Als sie nun alle vier gesenkten Hauptes die beiden Bahren umstanden, deren sterbliche Hüllen sie im Leben so tief beschämt hatten, sie, die vor innerem Gram kein Wort hervorzubringen imstande waren, da trat die Grossmutter leise hinzu, ergriff die Hände der beiden Brüder, dann auch die der Schwägerinnen, legte sie ineinander und sagte: „Es ist spät, aber noch Zeit, gebt euch den Kuss der Versöhnung, und sie werden wiederkommen, wenn auch in anderer Gestalt.“ Stumm taten sie es. Dann wurde der letzte Gang angetreten, weit hinaus über das Weichbild der Stadt, wo auf der endlosen, düster dreinschauenden Chaussee der rauhe Herbstwind die letzten Blätter von den Bäumen trieb

      Zwei Jahre waren vergangen, da traf es sich, dass nun der Hutmacher Herr Johannes Leineweber durch die Geburt eines Knäbleins erfreut wurde und Frau Julie ihren Mann, den Buchhalter Herrn Ferdinand Leineweber, mit einem Töchterchen beschenkte. „Ihr werdet nicht vergessen, dass sie euch ewig an eine alte Schuld ermahnen,“ hatte die Grossmutter gemeint und nur damit die Gedanken der beiden Ehepaare ausgesprochen. Oh, wiederum hatte sie recht gehabt: Sie waren wirklich wiedergekommen, die beiden Kleinen, wenn auch in anderer Gestalt; nach Verlauf weiterer zwei Jahre wurden sie in ihrem ganzen Wesen, in ihrem Äusseren und in ihrer Drollerie das Abbild des Lottchen und Fritzchen von einst. Und nun ist es wieder Sommer geworden, nun lacht der blaue Himmel wieder, Bäume und Sträucher grünen und Hunderte von fröhlichen Kindern tummeln und ergötzen sich in den schattigen Wegen des Mariannenplatzes. Da kommen sie Hand in Hand einherstolziert, wie vor Jahren, hinter ihnen das sorgsame, alte, gebückte Grossmütterchen, emsig bemüht, über jede ihrer Bewegungen zu wachen.

      Und als nun wieder die Leute stehen bleiben und laut sagen: „Seht doch die beiden Kleinen, wie sie einhergehen, wie Braut und Bräutigam“, — lächelt Frau Henriette überglücklich und denkt bei sich: Das kommt daher, weil Frau Julie sich jetzt sehr einfach und geschmackvoll kleidet und ihr Mann nach wie vor seine Hüte bei seinem Bruder kauft. Einen Augenblick wird sie ernst und denkt an einen bösen Engel, dann verscheucht der Sonnenschein, das laute Lachen ihrer Enkel den letzten trüben Gedanken.

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