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versuchte, ob er auf dem Wasser schwamm. Er schwamm tatsächlich und ging erst dann unter, wenn ziemlich viel Wasser hineinlief.

      Malindi hockte sich wieder auf seinen Lieblingsplatz, einen großen Stein dicht am Wasser, an dem zwei Palmen standen, die bei der großen Hitze vorzügliche Schattenspender waren.

      Er verstand es zu improvisieren und dachte lange nach, bis er die Lösung hatte. Wenn er einen Hilferuf abschicken wollte, konnte er ihn in die Tonkrüge stecken und deren Hälse mit einem Pfropf und dem Bienenwachs wasserdicht verschließen. Die Krüge würden an Land gespült und gefunden werden. Wann das der Fall war, blieb allerdings offen. Wenn er Pech hatte konnten Wochen oder Monate vergehen. Aber einen Versuch war es wert, wenn er nicht für immer auf diesem trostlosen Eiland bleiben wollte.

      Am anderen Tag stellte er „Papier“ her. Er schälte mit seinem Messer von einem besonders weichen Baum vorsichtig eine dünne Rinde ab. Er mußte den Versuch etliche Male wiederholen, bis er etwas Brauchbares in der Hand hatte, das sich auch zusammenrollen ließ, ohne zu zerbröseln oder zu brechen.

      Die Rinde ließ er trocknen und holte sich ein paar von den blauen, giftigen Beeren, die er auspreßte.

      Mit der Spitze seines Messers und einem faserigen, pinselähnlichen Ästchen malte er einen Hilferuf auf die Rinde. Er zeichnete die Insel ein und gab deren Position an. Darunter kritzelte er. „Hilfe! Insel südlich Tuticorin!“

      Das mußte genügen, denn fast jeder in dieser Ecke kannte auch die kleine Insel. Es gab weit und breit nur die eine.

      Die zweite Rinde bearbeitete er ebenso sorgfältig.

      Aus Holz schnitzte er zwei Stopfen, an denen er so lange herumsäbelte, bis sie in die Hälse der Krüge paßten. Das alles dichtete er mit Bienenwachs so ab, daß kein Wasser eindringen konnte. Probeweise hielt er dann die Krüge unter Wasser und achtete auf Luftblasen. Es gab keine, wie er zufrieden feststellte.

      An diesem Tag stand allerdings der Wind nicht besonders günstig. Er mußte die Krüge auch auf der anderen Seite der Insel aussetzen, am östlichen Zipfel, damit sie nicht in die Brandung gerieten und von den wilden Brechern zerschlagen wurden.

      Erst zwei Tage später begann der Wind auflandig zu wehen, und Malindi beeilte sich seine Botschaft loszuwerden.

      „So, jetzt werden sie mich finden“, murmelte er. Er wußte, daß immer ein paar Leute frühmorgens am Strand entlangliefen, um nach angeschwemmten Dingen zu suchen. Dann würden sie zwangsläufig auch die Krüge entdecken und neugierig nach deren Inhalt sehen.

      Er ging bis zur Brust ins Wasser und setzte die Tonkrüge aus.

      Der leichte Wind erfaßte sie mit einer sanften Strömung und trieb sie unendlich langsam in Richtung der Küste.

      Zufrieden fischte er nach Krebsen, um sie über dem Feuer zu rösten, und nuckelte eine Kokosnuß leer.

      Zwei Stunden später war seine Zufriedenheit vorbei, als er satt vor dem großen Stein lag und vor sich hin döste.

      Der Wind hatte gedreht und wehte jetzt wieder ablandig.

      Malindi brüllte seine ohnmächtige Wut hinaus, denn jetzt trieben die Krüge nicht mehr auf die Küste zu, sondern ins offene Meer hinaus, womit sie hoffnungslos verloren waren.

      Er hob Steine auf und schleuderte sie voller Wut ins Wasser, bis er erschöpft am Strand zusammenbrach und einschlief.

      An jenem Tag träumte er, daß er hundert Jahre auf der Insel verbringen müsse, zur Strafe dafür, daß er den Weisheitszahn des Erleuchteten gestohlen hatte.

       7.

      Anfangs war die Schebecke der Arwenacks noch unter vollem Preß gelaufen, doch seit sie Cap Comorin gerundet hatten und auf Nordnordost-Kurs gingen, war es mit der Herrlichkeit vorbei.

      Der Wind schralte und fiel vorlicher ein. Schließlich spielte er verrückt und wechselte ständig die Richtung. Er schlug Kapriolen und narrte sie ständig.

      Sie segelten so dicht unter der Küste, daß alle Einzelheiten gut zu erkennen waren. Lediglich um vorspringende Landzungen schlugen sie vorsichtshalber einen Bogen, weil die dahinterliegenden Buchten oftmals unangenehme Überraschungen bereit hielten, und davon hatten sie wahrhaftig genug. Es hatte auf der Reise von Bombay jede Menge Zwischenfälle aller Art gegeben.

      Jetzt war ihr Zielhafen Madras näher gerückt. Sie würden den Golf von Mannar passieren und an der Koromandelküste entlang nach Madras segeln, hoffentlich ohne weitere Zwischenfälle, wie Philip Hasard Killigrew dachte.

      Sie würden die Gold- und Silberladung des Maharadschas Ischwar Sing dem großen Akbar bringen, und der Sultan von Golkondo würde das alles in Empfang nehmen.

      Sie würden …

      Es dauerte nicht lange und der Wind nahm immer mehr ab. Gar nichts mehr würden sie, wenn er einschlief, wenigstens vorübergehend nicht.

      „Sieht nach einer Kalme aus“, meinte Smoky. „Nicht mehr lange, und wir hängen da.“

      „Das ist der Monsun“, sagte Dan O’Flynn. „Da spinnt das Wetter mitunter, aber das legt sich bald wieder.“

      Eine Bö fegte heran und stieß kraftvoll in die Segel. Der Druck legte die Schebecke leicht auf die Seite.

      Das war das letzte Aufbäumen, danach rührte sich nichts mehr, und die Segel hingen schlaff an den Rahruten. Der schäumende Bart der Bugwelle verschwand, dann herrschte Ruhe.

      Pete Ballie ließ die Pinne los und reckte sich. Er hatte sechs Stunden an der Pinne verbracht und sich nicht ablösen lassen.

      „Feierabend“, verkündete er. „Zumindest vorerst. Jetzt können wir Kakerlaken fangen und dressieren – wie damals.“

      In der „Tonne“ stand Sam Roskill als Ausguck. Er stützte die Arme auf und blickte träge an Deck. Dann riß er die Futterluke auf und gähnte kräftig.

      „Paß nur auf, daß dir kein Frosch ins Maul fliegt“, sagte der Profos. „Oder hast du vor, die Masten zu vertilgen?“

      „Frösche können nicht fliegen“, erwiderte Sam Roskill und gähnte abermals ungeniert. „Ich hab jedenfalls noch keine fliegenden Frösche gesehen, ergo können sie mir auch nicht ins Maul fliegen.“

      „Ergo?“ fragte Carberry argwöhnisch. „Was ist das denn wieder für eine Ausdrucksweise? Seit wann kannst du Indisch? Ich dachte, nur Dan und die Zwillinge verstehen was davon.“

      „Ergo heißt soviel wie also und ist lateinisch“, erklärte der Kutscher. „Das sagt man eben so.“

      „Und warum sagt man nicht also?“

      „Fang bloß nicht wieder Stunk an mit deiner Haarspalterei“, knirschte der Kutscher erbittert. „Es gibt eben mehrere Ausdrücke, und man kann sich aussuchen, was man will. Ergo ist das jedem seine eigene Angelegenheit, Mister Carberry.“

      „Laß dir dein Ergo doch auf den Achtersteven tätowieren“, knurrte der Profos.

      „Da schwimmt was“, unterbrach Sam den geistvollen Dialog. „Könnte ’ne Buddel oder so was sein.“

      „Eine volle?“ fragte Carberry.

      Er mußte sich etwas hoheitsvoll vom Kutscher belehren lassen, daß volle Buddeln nicht zu schwimmen pflegten, und es „ergo“ logischerweise eine leere Buddel sein müsse.

      Damit brachte er den Profos bis nahe an den Siedepunkt.

      Aber das Interesse an dem bevorstehenden Streit erlosch ziemlich schnell, als auch die anderen das Ding auf dem Wasser entdeckten.

      „Sieht nach ’ner halb abgesoffenen Tonkruke aus“, meinte Mac Pellew. „Wahrscheinlich so’n Öldings mit Oliven oder so.“

      Hasard amüsierte sich wieder mal über seine Helden und lauschte belustigt den eigenartigen Vermutungen und seltsamen

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