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der mächtigen Pranke auf die Brustseite, wo er das Drehbuch in der Innentasche eingeknöpft trug . . . „. . ,Die Gouvernante im Harem’ . .“

      „Die Gouv . . . Das ist scherzhaft . . .“

      „Nicht wahr? Und nun erlauben Sie mir ’mal, dass ich ein paar Worte mit Senestry rede! Sie brauchen ihn nicht mehr?“

      „Von morgen ab: nee! . . . Die Gouv . . . Na . . Armund Beinbruch zu dem Film, Kollege!“

      Alle diese massenhaft herumwimmelnden Hohenpriester, Höflinge und Herren von Byzanz trugen die langsträhnigen Apostelscheitel und gelockten Keilbärte ihrer Zeit. Es war eine harte Nuss, auch für den Kundigen, unter der Fülle künstlichen Haars und der Fettschicht der Schminke, gerade dasjenige glattrasierte Schauspielerantlitz herauszuahnen, das er suchte. Aber da wehte der feine, würzige Duft einer russischen Zigarette! Diese Feuersgefahr konnte sich, der Hausordnung zum Hohn, nur ein ganz Grosser erlauben! Richtig — da lehnte an einer Marmorwand aus getünchtem Gips des Byzantinerkaisers Majestät in höchst eigener Person, stiess den Qualm einer Papyros durch die Nasenlöcher und studierte, den Zwicker über ihnen, die Sportnachrichten im Morgenblatt, ohne sich um die eindringlichen Volksreden des Feuerwehrmannes vor ihm mehr zu kümmern als um das Gehämmer und Geklopfe ringsum — diese stete, alltäglich von früh bis spät an den Wänden widerdröhnende Begleitmusik des Glashauses. Hinter dem Wächter im Löschhelm tanzte angstvoll ein Hilfsregisseur hin und her und zischelte:

      „Minimax! . . Reizen Sie um Gottes willen Herrn Senestry nicht! . . Wenn er aus der Stimmung kommt, schmeisst er uns die Schlussaufnahme! Der heutige Tag mit vierhundert Statisten kostet uns zehntausend Goldmärker auf den Tisch des Hauses!“

      Der Kaiser Justinian liess den Bericht über den Boxerabend im Sportpalast sinken und schaute den Regisseur Billing schweigend an. Um die Lippen zuckte ihm noch, unter dem aufgeklebten, rötlichen Bocksbart, der Geist seiner Rolle — das grausam-fromme, tückisch-schmeichelnde Lächeln von Byzanz. Die Perücke und auf ihr die vergoldete Messingkrone verbargen die edle, schmale Kopfform. Nur die Augen in dem länglichen Antlitz waren echt. Sie erinnerten Götz Billing immer, wenn er den Mimen Senestry wieder sah, an die grossen, runden, geisterhaften Augen eines Nachtvogels, so verschleiert, geheimnisvoll, lagen sie tief in ihren Höhlen und spiegelten sich gespenstig auf der Leinwand.

      „Nun — Meister — wie geht’s?“

      Der Divus entschloss sich, den glimmenden Zigarettenstummel unter den argwöhnischen Blicken des Feuerwächters am Boden mit dem goldenen Schuh zu zertreten. Er antwortete nicht auf die banale Frage.

      „Sind Sie zufrieden?“

      „Zufrieden?“ wiederholte Dimitrij Senestry mechanisch. Er sprach sehr gut Deutsch. Er war eigentlich ganz waschechter Norddeutscher. Er machte nur seit ein paar Jahren die Russenmode im Film mit, die jetzt in der amerikanischen Sintflut ertrank.

      „Ein Schauspieler soll zufrieden sein?“ sagte er leise und besorgt, „Schauspieler sind harmlose Irrsinnige. Man muss sie tagsüber nicht reizen. Dann sind sie nur abends zwischen acht und elf Uhr gemeingefährlich!“

      „Aber hier stehen Sie doch als Filmstar!“

      „Filmschauspieler sind noch viel krassere Prügelknaben der Schöpfung!“ Der geheimnisvolle Mensch wurde plötzlich lebhaft. Er tippte dem andern mit dem Zeigefinger, an dem ein seltsam geschnittener Kabbalastein funkelte, vor die Brust. „Ihr seid Schufte . . Ihr im Glashaus! Ihr seid Seelenverkäufer! Ihr macht aus mir einen umgekehrten Schlemihl — nicht einen Menschen ohne Schatten, sondern den Schatten von einem Menschen!“

      „Es kommt auf die Rolle an . .“

      „Es ist alles bei euch Teufelsdreck und blauer Dunst!“ Nervöser Groll umwölkte die leidenden Mitternachtsaugen des Kaisers Justinian. Um den geistreichen Mund haftete das sardonische Lächeln zwischen Altar und Arena. „Wo bleibt denn in dieser Räuberhöhle hier meine warme, wohltönende Menschenstimme? Wo bleibt der Glanz meines Purpurs? Auf dem Wege von der Lebendigkeit zur Leinwand verliere ich nicht nur die Farbe und die Sprache — ich verliere auch ein Drittel meines leiblichen Ich — die ganze schöne dritte Dimension. Ich behalte nur noch zwei! Ich werde grau und stumm und flach wie dies Stück Pappe hier . . . . Sehen Sie: darum fliehe ich in die vierte Dimension . . . zum Ausgleich für die dritte.“

      Die geschminkte Majestät dämpfte ihre Stimme geheimnisvoll. „Ich habe seit voriger Woche wieder Klopf-Phänomene erlebt . . . Blumen-Apporte . . . Mein neues Medium ist grossartig . . Übrigens ’ne Wachtmeisterswitwe aus der Verlängerten Hedemannstrasse . .“

      „Haben Ihnen Ihre Spirits auch schon verraten, was Ihnen morgen bevorsteht, Herr Senestry?“

      „Morgen? . .“ Der Grossherr von Byzanz fingerte unter dem Kaiserornat nach der Zigarettendose und liess die gespenstig durchgeistigte Hand, auf einen verzweifelten Blick des Minimax hin, gottergeben wieder sinken. „Morgen bin ich aus dem Saustall hier heraus und autle auf meine Hühnerfarm in der Mark . . Verstehen Sie was von Zuchtrassen? Ich habe da jetzt eine einfach fabelhafte Kreuzung zwischen Hamburger Silberlack und den hundsgemeinen rebhuhnfarbenen Italienern! Sie müssen ’mal . . .“

      „Ihre Geister haben Sie falsch unterrichtet, Herr Senestry! Sie werden nämlich von morgen ab wieder, mit Ihrer ganzen nachtwandelnden Genialität, bei uns vor dem Kurbelkasten stehn.“

      „Kurbelt des Teufels Grossmutter!“ Der Cäsar spuckte aus. „Ich war heute zum letztenmal in eurem Kasperl-Theater hier!“

      „Das sagen Sie im Theater nach jedem Bombenerfolg in der Première, und das sagen Sie im Glashaus regelmässig am Schluss der Aufnahmen! Aber diesmal rufen Ihnen Ihre Geister und Ihre Hühner umsonst! Ich bin von Herrn Turkowitz beauftragt, Sie um jeden Preis zu engagieren!“

      „Turkowitz?“

      „Er ist hier im Glashaus . .“

      „Welcher leichtsinnige Mensch hat ihm denn das Strassenbahngeld geliehen?“

      „Er muss Sie haben! . . Also kurz, Herr Senestry, was kosten Sie augenblicklich?“

      Der Kaiser von Byzanz lächelte neronisch und ironisch. Er gähnte nervös. „Schön!“ sagte er dann belustigt . . „Fünfhundert Dollars täglich!“

      „Abgemacht!“

      ,,Au!“ schrie ein Blumenmädchen von Byzanz. Der grosse Mime war ihr, während er völlig baff einen Schritt zurücktrat, achtlos auf die blossen Zehen getreten. Er fasste sich und versetzte leise und vertraulich:

      „Sie müssen bald etwas dagegen tun, Herr Billing! . . Das sind krankhafte Zwangsvorstellungen bei Ihnen: Turkowitz und Geld! . . .“

      „Das ganze Geld für einen Monat wird heute nachmittag noch notariell für Sie deponiert! Vorauszahlung nach Ihrem Belieben!“

      „Was spiele ich denn?“

      „Soweit ich das Manuskript eben im Auto durchflogen habe, einen mit allen Hunden gehetzten Balkan-Abenteurer! . .“

      „Solche Rollen liegen mir!“ Der Kaiser Justinian riss zornig an seinem Prunkgewand . . „Diese historischen Bandwürmer . . . Alles Kaff . . . Längst überholt . . . Aber ein Stoff aus der lebendigen Gegenwart . . . Also . . Da habt ihr mich, Kinder! Ich darf mich neuen Aufgaben nicht entziehen! Ich bin das meinem Talent schuldig . . . und schliesslich dem Publikum auch, das mich nun einmal sehen will . . . Fünfhundert Greenbacks — sagten Sie?“

      „Pro Tag . .“

      „Sei’s denn . . Ich bin ein schwacher Mensch . . Nur weil ich unter Ihnen arbeiten darf . .“

      „Mit mir!“

      „Wo ist denn der Turkowitz?“

      „Er pintschert hier irgendwo ’rum und sucht die Darstellerin für die Divarolle . .“

      „Mit welcher Dame spiele ich?“

      „Das ist Turkowitz sein Geheimnis . . Dort drüben schleicht er . . Jetzt bleibt er stehen. Er betrachtet irgend etwas, das er

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