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schlug den Paß auf, blätterte darin und verglich die Angaben mit irgendeiner Liste.

      Eva zuckte zusammen und schloß die Augen, als der helle Schein der Stablampe sie direkt ins Gesicht traf. Sie überlegte, was sie über Regine wissen mußte: geboren am 28. September 1951.

      Aber niemand fragte danach.

      »In Ordnung«, sagte der Polizist und reichte Eva den Paß zurück.

      Ihr Herz machte einen gewaltigen Sprung: Es hatte geklappt. Niemand hatte gemerkt, daß sie nicht Regine Karlson war. Sie konnte den kostbaren Paß, der sie drei Jahre älter machte, ungefährdet benutzen. Die ganze Welt stand ihr offen.

      Der Polizist hatte inzwischen auch den Personalausweis ihres Begleiters geprüft.

      »Seit wann ist es verboten, im Hofgarten spazierenzugehen?« fragte Hannes Hausmann, als er den Ausweis wieder zurückbekam und einsteckte.

      »Überhaupt nicht«, gab der Polizist ungerührt zurück, »aber Sie sollten nachts wenigstens die beleuchteten Hauptwege benutzen. In Ihrem ureigensten Interesse. Es treibt sich, gerade im Sommer, hier allerhand Gesindel herum.«

      »Kommt darauf an, was Sie unter Gesindel verstehen«, sagte Hannes Hausmann herausfordernd.

      Eva kniff ihn in den Arm. »Kommen Sie, Hannes, seien Sie friedlich!« Sie lächelte den Polizisten an. »Können wir jetzt gehen? Ich bin ziemlich müde.«

      »Ja, bitte. Gute Nacht.«

      »Gute Nacht …« Eva zog Hannes Hausmann rasch fort. »Na, das habe ich gerne«, sagte sie, sobald sie außer Hörweite waren, »kaum ist die Gefahr vorbei, da müssen Sie keß werden. Was haben Sie sich eigentlich davon versprochen?«

      »Ich bin nun mal allergisch gegen Polizisten …«

      Sie hatten jetzt die Inselstraße erreicht, und Hausmann blieb unter einer Laterne stehen. »Überhaupt … von was für einer Gefahr reden Sie eigentlich?«

      Sie hielt seinem prüfenden Blick stand und nahm selber die Gelegenheit wahr, ihn sich einmal im Licht genauer anzusehen. Er war noch sehr jung, nicht älter als zwanzig Jahre, hatte scharfe graue Augen, ein frisches Gesicht und schulterlanges blondes Haar.

      »Ich bin eben auch allergisch gegen Polizisten«, behauptete Eva schlagfertig, »deshalb sehe ich zu, daß sie mich ungeschoren lassen.«

      »Und deshalb haben Sie sich auch an mich rangeschmissen?«

      Eva wurde wütend. »Rangeschmissen! Ich hatte Bedürfnis nach männlichem Schutz, entschuldigen Sie schon! Haben Sie vielen Dank für alles und … good bye!« Sie drehte sich um und wollte fort.

      »He …« Mit zwei Schritten war er hinter ihr her und hielt sie fest. »Was ist denn los mit Ihnen? Ich habe Ihnen doch nichts getan!«

      »Sie waren unverschämt!«

      Er lachte und wirkte auf einmal ungemein sympathisch. »Da dürfen Sie sich nicht daran stoßen, das ist mein Kardinalfehler. Aber was ist mit Ihnen …? Irgendwie sitzen Sie doch in der Patsche!«

      Sie zögerte. Dann hatte sie das Gefühl, daß er sie nicht verraten würde. »Ich habe keine Unterkunft«, platzte sie heraus.

      »Das ist alles?« Er sah sie interessiert an.

      »Ja. Ich wollte im Hofgarten übernachten …«

      »Und haben sich da gleich ein Feuerchen gemacht?«

      Sie schrak zurück. »Wieso?«

      Er schnupperte. »Sie riechen so nach Rauch!«

      »Ach wirklich?« fragte sie zurück und stellte sich dumm. »Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Weiß auch nicht, woher das kommt. Ich bemerkte die Polizisten und dann … das Weitere wissen Sie ja selber.«

      Er schüttelte den Kopf. »Sie sind eine komische Nummer! Und was wollen Sie jetzt tun?«

      Sie hob die Schulter. »Weiß noch nicht.«

      »Haben Sie denn gar keinen Bekannten in Düsseldorf ?«

      »Doch. Das ist eben der Jammer.« Blitzschnell dachte sich Eva eine Erklärung aus. »Ich wollte eine Freundin hier besuchen. In Oberkassel. Sie wohnt allein. Ich habe da schon öfter übernachtet. Aber heute hat niemand aufgemacht. Eine Nachbarin sagte, sie wäre verreist. Sonst kenne ich niemanden.«

      »Wissen Sie was … Wie war gleich Ihr Name?«

      »Regine Karlson.«

      »Ach ja, Fräulein Karlson. Kommen Sie doch einfach mit zu mir. Mein Atelier ist zwar nicht gerade ein Luxussalon, aber irgendwie wird es schon gehen. Immerhin haben Sie es dort bequemer als auf den Rheinwiesen.«

      Eva überlegte. Zwar behagte ihr der Gedanke, bei einem völlig fremden Mann zu übernachten, ganz und gar nicht. Aber andererseits wußte sie auch nicht, wie und wo sie die Stunden bis zum Morgen sonst herumbringen sollte. Außerdem war sie todmüde und fror.

      »Einverstanden«, erklärte sie so unbefangen wie möglich, »das ist sehr nett von Ihnen.«

      Hannes kam, wie Eva bald erfuhr, aus Norddeutschland und studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie Malerei. Er hatte ein Atelier im obersten Stock eines modernen Mietshauses in der Freiligrathstraße. Es bestand aus einem einzigen großen Raum, in dem es durchdringend nach Ölfarben und Terpentin roch. An den Wänden lehnten Bilder. Es gab eine Staffelei, ein Matratzenlager, einen Stuhl und einen selbstgezimmerten Tisch. Durch das riesige Atelierfenster sah man den besternten Himmel. Die beiden Nebenräume, ein Bad und eine Kochnische, waren winzig.

      Eva benutzte das Bad. Dann zog sie einen cognacfarbenen Bademantel von Hannes an. Die Ärmel stülpte sie so lange um, bis die Hände bequem herausschauen konnten. In der Hoffnung, daß Hannes inzwischen schon schlief, öffnete sie leise die Tür und ging auf Zehenspitzen ins Zimmer.

      Aber sie irrte sich. Er lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, auf dem breiten Matratzenlager. Neben ihm brannte eine große rote Vasenlampe. Auf dem Boden stand ein Glas mit einem hellen Getränk.

      »Na endlich« sagte er, »nun komm schon.«

      Vor Verlegenheit wurde ihr fast schwarz vor den Augen. Aber sie brachte doch noch ein »Wo soll ich schlafen?« heraus.

      »Wo schon? Bei mir natürlich«, gab er schnoddrig zurück.

      »Kommt nicht in Frage.«

      Er richtete sich lässig auf und nahm das Glas in die Hand. Sein Oberkörper war nackt. »Das hätte ich wissen sollen!«

      »Ich auch!« Mit gespielter Sicherheit warf Eva den Kopf in den Nacken. »Sie haben mir ein Nachtquartier versprochen. Von Beischlaf war nicht die Rede.«

      Er lachte. »Aber so was ist doch selbstverständlich.«

      »Für mich nicht!«

      »Du lieber Himmel, ich wußte gar nicht, daß es so was Altmodisches noch gibt! Die einzige eiserne Jungfrau in unserem Breitengrad … und ausgerechnet an die muß ich geraten.«

      Eva ließ sich nicht beirren. »Ich bin weder eisern noch altmodisch. Aber ich mag das nur, wenn ich Lust dazu habe und nicht gezwungenermaßen … Falls Ihnen das nicht paßt, verschwinde ich eben wieder.«

      Sie starrten sich quer durch den Raum wütend in die Augen. Dann gab Hannes mit einem Lachen nach. »Na schön. Wer nicht will, hat schon gehabt. Schließlich herrscht bei mir kein sexueller Notstand. Wenn Sie darauf bestehen, schlafe ich eben allein.« Er warf die Decke von sich und sprang auf.

      Eva sah, daß er eine buntgeblümte Pyjamahose trug.

      Er machte sich daran, sein Lager zu teilen. Als Eva merkte, daß er sich ehrlich um eine zweite Liegemöglichkeit bemühte, half sie ihm dabei. Dann kramte er aus einer Truhe eine zweite Decke.

      Vorsichtig wartete sie, bis er sich auf seinem Platz langlegte, bevor sie selber, ohne den Bademantel abzulegen, unter die Decke

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