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acht Russen bereits seit langer Zeit Schüler des großen Heiligen seien, und ich muss sagen, dass ich begierig auf die Bekanntschaft dieser Russen war. Es war mir nicht möglich, zu glauben, dass acht Christen eines solchen geistigen Rückschritts fähig sein könnten. Endlich erreichten wir Bogdy-ola. Es war nichts als ein großes und sehr weitläufiges Zeltlager. Schon von Weitem konnte ich die ‚Padma‘ des Heiligen erkennen. Der Berg stieg nach der Ebene zu fast senkrecht empor und trug hoch oben in der Nähe des Gipfels eine Höhle. Von der Höhle hingen zwei Seile herab, die den einzigen Weg bildeten, zum Heiligen zu gelangen. Übrigens war das Leben und Treiben des Ortes kein rein religiöses. Es hatten sich chinesische Krämer und Geldwechsler eingefunden.

      Nachdem wir uns von dem Ritt ein wenig ausgeruht hatten, traten wir in ein Teezelt, das so überfüllt von Menschen war, wie man es auf deutschen Jahrmärkten zu sehen bekommt. Hinter uns saßen zwei Russen, die Polnisch sprachen. Wie ich hörte, mussten sie entsprungene Häftlinge sein, die sich als angebliche Schüler des Heiligen ausgaben, ihn jedoch berauben wollten. Da fiel auch der Name Mieloslaw, der mir so bekannt vorkam. Als wir außerhalb des Zeltes waren, sah ich ihn, es war der Schriftsetzer und Assessor Max Lannerfeld, der Falschspieler aus dem Ruhrgebiet, der Passfälscher aus Dresden und Juwelenräuber aus Moskau, der nach Sibirien verbannt worden war.4 Auch er erkannte mich und tauchte in der Menge der umherstehenden Menschen unter. Wir konnten ihn nicht mehr finden.

      Es war längst Abend geworden. Da erscholl ein schriller Schrei, wie hoch aus der Luft, den man im ganzen Lager hören konnte. Vom heiligen Berg her ertönte ein entsetzlicher Lärm. Jetzt ging auch ich hinaus nach dem Berg. Ich konnte nicht bis an die Seile kommen, aber ich hörte, dass der Heilige einen Menschen aus der Höhle gestürzt habe, der ihn berauben wollte. Ein anderer wusste bereits, dass der Herabgestürzte einer der Russen sei. Der Sturz aus solcher Höhe hatte seinen Leib vollständig zerschmettert. Kaum eine Minute später kam eine neue Kunde. Es waren sieben Pferde gestohlen, und es fehlten die sieben anderen Russen. Im Nu zerteilte sich die Menge. Alles eilte daher nach den Gäulen, und ich nahm mir die Zeit, den Toten zu betrachten. Ich erkannte ihn beim Schein der kleinen Argolflamme, die angezündet wurde. Es war der Assessor.

      Dienstag, 27. Februar 1866:

      Am anderen Tag kehrten nach und nach die Reiter zurück. Hier und da brachte einer eins der geraubten Pferde; von den Räubern aber sprach keiner ein Wort; ich wenigstens konnte nicht erfahren, was mit ihnen geschehen war.

      Sonntag, 1. April 1866:

      Ich wartete noch einige Tage und setzte dann meine Reise zur Gobi, die von den Chinesen Schamo (Sandmeer) genannt wird, fort. Die Gobi ist das östliche Becken des Hanhai in der südlichen Mongolei, eine meist gewellte Wüstensteppe zwischen dem Altai-, Tien-schan- und dem Chinganggebirge. Bergzüge bis zu 2.100 Meter durchkreuzen die Wüstensteppe, hier im Osten sind sie teilweise bis zu 1.200 Meter hoch und die kesselartigen Vertiefungen zwischen den Gebirgszügen sinken bis zu 600 Meter Meereshöhe. Die meiste Fauna bildet die auch bei uns bekannte Erika und die drahtartige Dirissu der Mongolen, während Hasen, Füchse und Wölfe, kleine Nagetiere, wilde Bullen und Antilopen anzutreffen sind. Die Bevölkerung des Südens und des Ostens sind sesshafte Chinesen, die von Jahr zu Jahr die Steppe immer mehr einengen. Die Gobi wird im Osten von der Karawanenstraße Kichata-Kalgan durchschnitten. Die ersten Nachrichten über dieses Gebiet brachte der Jesuit Gerbillon, der zwischen 1688 und 1698 acht Missionsreisen in der Gobi unternahm. Nun hatte ich drei Wüsten auf drei verschiedenen Erdteilen kennengelernt: die Sahara in Afrika, den Llano Estacado in Amerika und die Gobi in Asien. Drei Wochen später befand ich mich wieder in Tien-tsin und gelangte von da nach Taku am Golf von Tschili. Ich musste einige Tage warten, bis ein Schiff in südlichere Gefilde abging, und war vor einigen Tagen in Kalkutta gelandet.

      Dienstag, 3. April 1866:

      Da ich kein Schiff fand, das in absehbarer Zeit nach Europa ging, fahre ich seit heute Morgen mit einem Dampfer nach New York.

      8. DRITTE NORDAMERIKA-REISE (1866-1867)

      Mittwoch, 9. Mai 1866:1

      Ich war von Valparaiso über die Südseeinseln und China nach Ostindien gekommen, als der bedauerliche Tiefstand meiner Reisekasse mich zwang, den heimatlichen Gestaden zuzustreben. Da indes in absehbarer Zeit kein Schiff nach Deutschland in See ging, entschloss ich mich rasch und fuhr von Kalkutta aus mit dem nächsten Dampfer nach New York. Dort würde ich schon Mittel und Wege finden, die es mir ermöglichten, heimzukommen. Um das Kap der Guten Hoffnung gelangte ich nach fünf Wochen an mein vorläufiges Ziel und stieg in New York an Land.

      Sonntag, 13. Mai 1866:

      Ich setzte mich hin und brachte meine Erlebnisse meiner letzten Reise zu Papier. Sie fanden sofort Aufnahme in der Sonntagsbeilage der ‚New Yorker Staatszeitung‘, die schon damals das größte deutsche Blatt in den Staaten war, und ich durfte hoffen, auf diese Weise die zur Heimfahrt nötigen Mittel in kürzester Zeit zusammenzubringen.

      Montag, 14. Mai 1866:

      Da machte ich auf der Redaktion des Blattes die Bekanntschaft des sehr ehrenwerten Mr. Josy Tailor, des Leiters eines berühmten Privatdetektiv-Unternehmens. Als er hörte, wer ich war, bot er mir an, in seine Dienste zu treten. Ich sagte auf der Stelle zu.

      Dienstag 29. Mai 1866:

      Heute Morgen ließ mich Tailor in sein Arbeitszimmer kommen, wo ein älterer, sorgenvoll dreinschauender Herr saß. Es war der Bankier Ohlert. Dessen Sohn William hatte sich in den Kopf gesetzt, Dichter zu werden, und zeigte dabei Anzeichen von Wahnsinn. Vor Kurzem hatte der Vater einen Arzt kennengelernt, der eine Privatanstalt für Geisteskranke gründen wollte. Doch plötzlich war der Arzt zusammen mit dem jungen Ohlert verschwunden. Jetzt erst stellte sich heraus, dass dieser ein Schwindler war und sich Gibson nannte. Diesen Gibson hatte ich schon einmal im Auge gehabt und anhand einer Fotografie erkannte ihn der Bankier als den angeblichen Irrenarzt. Ich erhielt den Auftrag mit den nötigen Vollmachten und Anweisungen, Ohlert junior wieder nach Hause zu bringen. Bekannt war, dass schon jemand Geld in Cincinnatti abgehoben hatte.

      Dienstag, 5. Juni 1866:

      In Cincinnati fragte ich bei der betreffenden Bank nach und erfuhr, dass William Ohlert persönlich mit einem Begleiter dort erschienen war.

      Mittwoch, 6. Juni 1866:

      Von da an ging es nach Louisville, wo ich in Erfahrung brachte, dass die beiden Fahrkarten nach St. Louis genommen hatten.

      Samstag, 9. Juni 1866:

      Ich reiste ihnen nach und fand aber erst nach längerem Suchen ihre Spur. Hierbei war mir mein alter Mr. Henry behilflich, den ich selbstverständlich sofort aufsuchte. Er erklärte sich gern bereit, meine beiden Gewehre, die mir bei der Verfolgung hinderlich waren, bis zu meiner Rückkehr von New Orleans aufzubewahren. Ohlert und Gibson waren nämlich auf einem Mississippidampfer nach New Orleans gefahren, und ich musste ihnen dorthin folgen.

      Montag, 18. Juni 1866:

      Nun war ich in New Orleans und hatte alle Geschäftshäuser, die mir Ohlert senior genannt hatte, aufgesucht und sie gewarnt. Bei zwei Banken hatten sie Geld abgehoben. In einer deutschen Bierstube kam ich mit einem Mann ins Gespräch, der sich als Old Death vorstellte. Ich hatte schon von ihm gehört und seine Gestalt und sein ganzes Aussehen gaben seinem Namen Recht. Ich sagte ihm natürlich nicht, dass ich Old Shatterhand war, weshalb er mich wie ein Greenhorn behandelte. Als er die Gaststube verlassen hatte, wurde die Tür geöffnet, und herein trat Gibson. Er musste mich gesehen haben, denn er verschwand sofort wieder. Bis ich hinter ihm herkonnte, verging zwar nur eine kurze Zeit, doch sah ich ihn bereits hinter einer dichten Menschenmenge verschwinden. Er spielte tatsächlich Katz und Maus mit mir und ich stand da wie ein begossener Pudel.

      Dienstag, 19. Juni 1866:

      Im Laufe des Tages kam ich wieder zu der deutschen Bierstube. Ich griff nach der in New Orleans erscheinenden ‚Deutsche Zeitung‘, und das erste, was mir auffiel, war ein Gedicht, das unterzeichnet war mit ‚W. O.‘; das musste William Ohlert sein. In der Geschäftsstelle dieser Zeitung erfuhr ich, wo Ohlert wohnte. Seine Pensionswirtin erzählte mir, dass Ohlert und sein Sekretär, womit sicher Gibson gemeint war, gestern noch mit dem Schiff über Galveston

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