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Rio Grande, den wir überqueren mussten, war hier sehr breit, er hatte aber wenig Wasser. Kurz nach Mittag änderte die Fährte plötzlich ihre Richtung. Hier war die Fährte zweier Reiter auf die Roten gestoßen. Wir ritten auch in dieser Richtung weiter bis zum Abend.

      Montag, 9. Juli 1866:

      Um die Mittagszeit wendete sich die Fährte mehr nach Westen, und wir sahen in dieser Richtung nackte Berge vor uns aufsteigen: die Bolson de Mapimi. Wir erreichten die Berge und gelangten, als es dunkel wurde, in eine lange, schmale Schlucht, und als sie sich öffnete, sahen wir wohl gegen zehn Feuer brennen. Es schien ein runder Talkessel zu sein, den wir vor uns hatten. Die Höhen stiegen rundum steil an, ein Umstand, den die Komantschen offenbar als günstig für ihre Sicherheit betrachteten. Der ‚Weiße Biber‘ stand auf und begrüßte Old Death. Dann rauchten wir mit ihm die Friedenspfeife. Gibson und Ohlert befanden sich mit den von Señor Cortesio ausgestatteten Soldaten noch bei den Komantschen. Die zwei Reiter, die gestern den Komantschen-Stamm zur Richtungsänderung bewogen hatten, schienen keine Topias zu sein, wie sie vorgaben, sondern Apatschen, die die Komantschen in eine Falle geführt hatten. Als Old Death den ‚Weißen Biber‘ davon überzeugte, dass der Talkessel ein Hinterhalt sein könnte, kamen auch bei diesem Zweifel auf. Da erklang von der Höhe des Felsens das ängstliche Kreischen eines kleinen Vogels und gleich darauf der gierige Schrei einer Eule. Als ob er damit spielen wollte, ergriff Gibson einen Ast und stieß damit ins Feuer, dass es einmal kurz und scharf aufflackerte. Er wollte es eben zum zweiten Mal tun, da aber tat Old Death einen Sprung auf ihn und riss ihm den Ast aus der Hand. Es dauerte nicht lange, da erzitterte die Luft von dem vielstimmigen Kriegsgeheul der Apatschen. Jetzt drangen die Apatschen auf die Komantschen ein. Als Winnetou erkannte, dass eine viel zu große Übermacht gegen ihn stand, zog er seine Apatschen zurück. Ich wunderte mich darüber, dass er ganz gegen seine Gewohnheit nicht vorher Umschau gehalten hatte, um die Feinde zu zählen. Der Grund dafür wurde mir aber bald bekannt. Die Juarez-Anhänger waren mit Ohlert und Gibson verschwunden. Einer von ihnen, der verwundet zurückgeblieben war, gestand uns, dass Gibson so oft ins Feuer schlagen sollte, wie es hundert Komantschen waren. Dass Old Death Gibson daran gehindert hatte, noch viermal in sein Feuer zu stöbern, hatte die Apatschen veranlasst, uns jetzt schon zu überfallen, obwohl Winnetou nur hundert Apatschen bei sich hatte. Da ertönte jenseits des Tales eine laute Stimme. Dort stand Winnetou mit angeschlagenem Gewehr. Die beiden Läufe blitzten nacheinander auf. Der ‚Weiße Biber‘ stürzte getroffen nieder und neben ihm einer seiner Unterhäuptlinge. Als die Komantschen aus dem Talkessel wollten, wurden sie von den Apatschen blutig zurückgeschlagen. Old Death gab ihnen den Rat, mit den Apatschen Frieden zu schließen, was aber rundweg abgelehnt wurde. Da wir Weiße vollkommen allein saßen, war es Winnetou möglich, sich an uns heranzuschleichen und mit uns zu sprechen. Er riet uns, auf die Pferde zu steigen und zum Ausgang zu reiten, dort würden uns die Apatschen in Sicherheit bringen, was wir dann auch taten. Mehrere Apatschen nahmen unsere Tiere in Empfang, als wir abgestiegen waren. Winnetou geleitete uns in die Enge, die aus dem Tal führte. Als mich Winnetou fragend ansah, stand ich vom Feuer auf und streckte ihm beide Hände entgegen. Wir umarmten uns. Dann sagte Winnetou zu Old Death: „Es ist mein weißer Bruder Old Shatterhand.“ Wir überließen ihn seinem Erstaunen, denn Winnetou hatte mir zu erzählen. Als ich mich nach Gibson und Ohlert erkundigte, sagte er mir, dass beide mit den anderen Weißen schon lange nach Chihuahua zu den Truppen von Juarez unterwegs seien. Da kam die Meldung, dass die Komantschen ihre Feuer gelöscht hätten und vom Lagerplatz fort seien. Wir nahmen eine Position oberhalb des Talkessels ein, während Winnetou zu seinen Kriegern eilte. Kurz darauf krachten Schüsse. Der Kampf war ausgebrochen, doch er währte nicht lange. Wir hörten, dass sich die Eingeschlossenen in wilder Flucht zurückzogen.

      Dienstag, 10. Juli 1866:

      Aus dem morgendlichen Nebelmeer tauchte ein Reiter auf und viele, viele andere folgten. Alle diese Krieger gehörten einem der Apatschen-Stämme an, mit denen ich noch nicht in Berührung gekommen war. Sie verteilten sich oberhalb des Talkessels, wo sie mit ihren Gewehren alle dort befindlichen Feinde erreichen konnten. Die Komantschen schienen unrettbar verloren, doch Winnetou schlug ihnen vor, dass sie für jeden getöteten Apatschen fünf, für jeden Gemarterten aber zehn Pferde geben sollten. Ferner sollten sie so viele junge Mädchen ausliefern, wie sie Frauen und Töchter der Apatschen entführt hätten. Dazu verlange man auch die Kinder zurück, die sie mitgenommen hatten. Die Komantschen gingen jedoch nicht darauf ein. Winnetou begab sich oben an den Rand des Talkessels, um zu den Komantschen zu sprechen. Als aber der neue Häuptling des Gegners auf ihn schoss, erhoben sich rundum vierhundert Apatschen und feuerten in die Menge. „Es wird sich ein großes Klagen erheben in den Zelten der Komantschen, denn keiner ihrer Krieger kehrt zurück.“ Alle waren getötet worden. Ich war froh, diesen entsetzlichen Ort verlassen zu können, und eine halbe Stunde später nahmen wir die Verfolgung Gibsons auf. Winnetou nahm noch zehn gutberittene Apatschen mit. Es war gegen Abend, als wir bei der Laguna de Santa Maria anlangten.

      Mittwoch, 11. Juli 1866:

      Am Mittag hatten wir ein schlimmes Gewirr von Cañons hinter uns und ritten im Galopp über eine grasige Ebene. Da stießen wir auf eine Spur von über zehn Reitern. Winnetou behauptete, es sei die gesuchte. Dieser Trupp hatte einen Vorsprung von wenigstens sechs Stunden. Gegen Abend stieß von Süden her eine neue Fährte zu der bisherigen, von dreißig bis vierzig Reitern. Es schienen Indianer zu sein. Bald erreichten wir die Stelle, wo die Roten die Schar der Weißen eingeholt hatten. Gemeinsam waren sie dann weitergeritten. Wir kamen an einen Bach, und mitten im Bach erblickten wir nun einen unbedeckten menschlichen Kopf, der aus dem Wasser ragte. Hinter ihm im Wasser lag ein Spaten, denn der Eingegrabene war ein Gambusino, ein Goldsucher, der stets Hacke und Spaten bei sich hatte. Wir gruben ihn aus und sahen, dass er gefesselt war. Als er sich etwas erholt hatte, erzählte er uns, dass er Tadeo Sandia hieß und zusammen mit einem gewissen Fred Harton in einer Bonanza tätig gewesen war. Als Old Death den Namen Fred Harton hörte, wollte er nähere Einzelheiten wissen. Da berichtete Sandia, Fred Harton sei ein Kaufmann gewesen, der von seinem gewissenlosen Bruder Eduard um sein ganzes Vermögen gebracht wurde, das dieser verjubelte und danach verschwand. Dieser liederliche Bruder sei später ein sehr glücklicher Goldsucher gewesen. Deshalb sei Fred Harton auch unter die Goldgräber gegangen, da er hoffte, so seinen Bruder wiederzutreffen. Angestellt waren er und Harton bei einem gewissen Davis in Chihuahua. Es stellte sich heraus, dass Uhlmann, der Schwiegersohn von Lange, dem Schmied aus La Grange, eben bei diesem Señor Davis als Bergwerksdirektor angestellt war und bald Teilhaber werden sollte. Tadeo Sandia kannte auch Langes Tochter Agnes. Beide, Sandia und Harton, hatten hier an dem Bach geschlafen, als sie von Chimarra-Indianern umzingelt wurden. Als die Weißen, die sich bei den Indianern befanden, herausbekamen, dass beide Goldsucher waren, gruben sie Sandia in den Bach ein und nahmen Harton mit, der sie zur Bonanza von Davis führen sollte. Bis zur Bonanza sei es ein tüchtiger Tagesritt, sodass sie morgen Abend dort ankämen, wenn Harton nicht einen Umweg mache. Da es langsam Nacht wurde, beschlossen wir hierzubleiben, denn wir mussten für morgen gut ausgeruht sein und unsere Pferde auch.

      Mir wollte die erwartete Ruhe nicht kommen. Als wir drei Stunden gelegen hatten, bemerkte ich, dass Old Death aufstand und fortging. Da erhob ich mich und ging ihm nach. Ich merkte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, und nach einiger Zeit erzählte er mir, dass er eigentlich Eduard Harton hieß und der undankbare Bruder von Fred Harton sei, dessen ganzes Vermögen er verjubelt habe. Nun wolle er Frieden mit ihm schließen, wenn er ihn treffen würde. Sollte ihm aber vorher etwas zustoßen, solle dieser seinen Sattel aufschneiden und alles an sich nehmen, was sich darin befände. Kurz danach kehrte ich langsam zum Lager zurück und legte mich nieder.

      Donnerstag, 12. Juli 1866:

      Ein Apatsche nahm Tadeo Sandia hinter sich aufs Pferd; dann brachen wir auf. Gegen Mittag stellte der Gambusino Sandia fest, dass Harton einen Umweg eingeschlagen hatte. Auf einer grasbewachsenen Hochebene sahen wir die Fährte von über vierzig Reitern, die etwa eine Stunde alt war. Jetzt wurden die Sporen eingesetzt, und wir flogen über die Ebene dahin, freilich in ganz anderer Richtung, als die Chimarras geritten waren. Harton hatte sie nicht zum Eingang der Bonanza geführt, sondern zur hintersten Kante des Tals. Leider aber brach jetzt die Dunkelheit mit großer Schnelligkeit herein. Deshalb stiegen wir auch ab und gingen zu Fuß. Wir sahen in der Dunkelheit eine Gestalt zwischen uns und den Felsen dahinhuschen. Nach kurzer Zeit bemerkten wir einen unbestimmten

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