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sich Nana einige Minuten,um ihr Zeit zu lassen, den Fußboden rein zu fegen,wie sie sagte.Von so einem Ansturm machte man sich gar keinen Begriff! Sie steckte den Kopf in den Salon: er war leer; das Eßzimmer ebenfalls leer. Als sie aber beruhigt ihre Besichtigung fortsetzte, sicher, daß niemand mehr da war, stieß sie mit einemmal auf einen kleinen jungen Mann, als sie die Tür eines Nebenraumes aufschlug. Ganz ruhig und mit sehr braver Miene saß er oben auf einem Koffer, mit einem riesigen Blumenstrauß auf den Knien.

      „Ach, du lieber Gott!“ rief sie. „Da ist ja noch einer drin!“ Als der kleine junge Mann sie gewahrt hatte, war er heruntergesprungen, rot wie Klatschmohn. Und er wußte nicht, was er mit seinem Blumenstrauß anfangen sollte, den er von einer Hand in die andere nahm, weil ihm die Aufregung die Kehle zuschnürte. Seine Jugend, seine Verlegenheit und das drollige Aussehen, das er mit seinen Blumen bot, rührten Nana, die in schallendes Gelächter ausbrach.

      Was, die Kinder auch? Kamen die Männer jetzt als Wickelkinder zu ihr? Vertraulich und mütterlich ließ sie sich gehen, schlug sich auf die Schenkel und fragte aus Ulk:

      „Du willst wohl, daß man dir die Nase putzt, Baby?“

      „Ja“, antwortete der Kleine mit leiser und flehender Stimme.

      Diese Antwort erheiterte sie noch mehr.

      Er sei siebzehn Jahre alt, er heiße Georges Hugon. Am gestrigen Abend sei er im Théâtre des Variétés gewesen. Und er komme sie besuchen.

      „Sind die für mich, diese Blumen?“

      „Ja.“

      „Dann gib sie doch her, du Dummchen!“

      Doch als sie den Blumenstrauß nahm, stürzte er sich mit der Gier seiner blühenden Jugend über ihre Hände. Sie mußte ihn schlagen, damit er seine Beute fahrenließ. Diese Rotznase ging aber schnurstracks ran! Während sie ihn noch ausschalt, war sie rosig geworden; sie lächelte. Und sie schickte ihn fort und erlaubte ihm, wiederzukommen.

      Er wankte, er fand die Türen nicht mehr.

      Nana kehrte in ihr Ankleidezimmer zurück, wo Francis fast augenblicklich erschien, um sie endgültig zu frisieren. Sie zog sich nur abends an. Vor dem Spiegel sitzend, den Kopf unter den flinken Händen des Friseurs senkend, verharrte sie stumm und träumerisch, als Zoé eintrat und sagte:

      „Madame, es ist einer da, der nicht gehen will.“

      „Na gut, dann muß man ihn da lassen“, antwortete sie ruhig.

      „Trotzdem, es kommen immer noch welche.“

      „Ach was! Sag ihnen, sie sollen warten. Wenn sie zu großen Hunger haben, werden sie schon weggehen.“

      Ihre Stimmung war umgeschlagen. Es entzückte sie, die Männer warten zu lassen. Ein Gedanke belustigte sie vollends: sie entschlüpfte Francis’ Händen und lief hin, um eigenhändig die Riegel vorzuschieben; jetzt konnten sie sich nebenan aufstapeln, sie würden ja wohl nicht noch durch die Wand dringen. Zoé würde durch die kleine Tür hereinkommen, die in die Küche führte. Unterdessen ging die elektrische Klingel immer stärker. Alle fünf Minuten kehrte das lebhafte und helle Läuten mit der Regelmäßigkeit einer gut eingestellten Maschine wieder. Und um sich zu zerstreuen, zählte Nana das Klingeln. Aber plötzlich erinnerte sie sich an etwas.

      „Sagen Sie mal, meine gebrannten Mandeln?“

      Auch Francis hatte die gebrannten Mandeln vergessen. Mit der unauffälligen Handbewegung eines Mannes von Welt, der einer Freundin eine Geschenk überreicht, zog er einen Beutel aus einer Tasche seines Gehrocks; doch bei jeder Abrechnung setzte er die gebrannten Mandeln in Zahlung. Nana legte den Beutel zwischen ihre Knie und begann zu knabbern, wobei sie den Kopf unter dem leichten Druck des Friseurs drehte.

      „Donnerwetter!“ murmelte sie nach einem Schweigen.

      „Das ist ja eine ganze Schar.“

      Dreimal, Schlag auf Schlag, hatte die Klingel geschellt. Die Aufforderungen des Bimmelns überstürzten sich. Es gab bescheidene Aufforderungen, die mit dem Beben eines ersten Geständnisses stammelten, kühne, die unter irgendeinem rohen Finger vibrierten, und eilige, die die Luft mit raschem Schauer durchfuhren. Ein regelrechtes Glockengeläute, wie Zoé sagte, ein Glockengeläute, das das ganze Viertel in Aufruhr versetzen konnte, ein ganzer Haufen Männer, die der Reihe nach auf den Elfenbeinknopf drückten. Dieser Spaßvogel, der Bordenave, hatte die Adresse wirklich allzu vielen Leuten gegeben, der ganze Zuschauerraum des gestrigen Abends kam ja hier vorbei.

      „Übrigens, Francis“, sagte Nana, „haben Sie fünf Louisdors?“

      Er trat zurück, prüfte die Frisur und sagte dann ruhig:

      „Fünf Louisdors, das kommt drauf an.“

      „Oh, wissen Sie“, entgegnete sie, „wenn Sie Bürgschaften brauchen . . .“ Und ohne den Satz zu vollenden, deutete sie mit einer weiten Handbewegung auf die Nachbarzimmer. Francis lieh die fünf Louisdors.

      Zoé kam in den Augenblicken der Ruhe herein, um Madames Toilette herzurichten. Bald mußte sie sie ankleiden, während der Friseur wartete, weil er letzte Hand an die Frisur legen wollte. Doch ständig störte die Klingel die Zofe, die Madame halb geschnürt, mit nur einem Schuh an den Füßen, zurückließ. Trotz ihrer Erfahrung verlor sie den Kopf. Nachdem sie fast überall Männer verstaut hatte, wobei sie die kleinsten Winkel ausnutzte, war sie soeben gezwungen gewesen, bis zu drei und vier von ihnen zusammen unterzubringen, was all ihren Grundsätzen zuwiderlief. Nichts zu machen, wenn sie sich auffraßen; das würde Platz schaffen! Und Nana, die gut eingeriegelt und in Sicherheit war, machte sich über sie lustig und sagte, sie höre sie keuchen. Sie mußten ein schönes Gesicht ziehen, wie sie da alle mit heraushängender Zunge wie Wauwaus auf ihrem Hintern in der Runde saßen. Ihr Erfolg vom Vorabend dauerte an; diese Meute Männer war ihrer Spur gefolgt.

      „Wenn sie bloß nichts zerschlagen“, murmelte sie. Unter den heißen Atemstößen, die durch die Ritzen drangen, begann sie unruhig zu werden.

      Doch Zoé führte Labordette herein, und die junge Frau stieß einen Schrei der Erleichterung aus. Er wollte mit ihr über eine Rechnung sprechen, die er für sie auf dem Friedensgericht in Ordnung gebracht hatte. Sie hörte ihm nicht zu und sagte mehrmals:

      „Ich nehme Sie mit . . . Wir essen zusammen . . . Von da aus begleiten Sie mich zum Théâtre des Variétés. Ich trete erst um halb zehn auf.“

      Der gute Labordette! Der kam wie gerufen! Der verlangte niemals etwas. Er war nur der Freund der Frauen, deren kleine Geschäfte er erledigte. So hatte er soeben im Vorbeigehen die Gläubiger im Vorzimmer abgewiesen. Übrigens wollten diese braven Leute gar nicht ihr Geld haben, im Gegenteil; wenn sie so beharrlich dageblieben waren, so deshalb, um Madame zu beglückwünschen und ihr nach ihrem großen Erfolg vom Vorabend persönlich erneut ihre Dienste anzubieten.

      „Machen wir uns aus dem Staube, machen wir uns aus dem Staube“, sagte Nana, die angekleidet war.

      Gerade kam Zoé zurück und rief:

      „Madame, ich gebe es auf zu öffnen . . . Auf der Treppe stehen sie Schlange.“

      Eine Schlange auf der Treppe! Selbst Francis begann, trotz des englischen Phlegmas, das er zur Schau trug, zu lachen, während er die Kämme wegräumte. Nana, die Labordettes Arm genommen hatte, drängte ihn in die Küche. Und sie brachte sich in Sicherheit, endlich von den Männern befreit und glücklich, da sie wußte, daß man ihn allein bei sich haben konnte, ganz gleich wo, ohne Dummheiten befürchten zu müssen.

      „Sie werden mich bis vor meine Tür zurückbringen“, sagte sie, während sie die Dienstbotentreppe hinunterstiegen. „Dann bin ich sicher . . . Stellen Sie sich vor, ich will eine ganze Nacht schlafen, eine ganze Nacht für mich. Eine tolle Schrulle, mein Lieber!“

      KAPITEL III

      Gräfin Sabine, wie man Frau Muffat de Beuville zu nennen sich angewöhnt hatte, um sie von der Mutter des Grafen zu unterscheiden, die im vergangenen Jahr gestorben war, empfing jeden Dienstag in ihrem Haus in der Rue

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