ТОП просматриваемых книг сайта:
Nana. Emile Zola
Читать онлайн.Название Nana
Год выпуска 0
isbn 9788726642902
Автор произведения Emile Zola
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Inzwischen ging Zoé langsam im Zimmer auf und ab. Sie sprach von dem großen Erfolg des gestrigen Abends. Madame habe so viel Talent gezeigt, sie sänge so gut! Oh, Madame könne jetzt beruhigt sein!
Den Ellbogen im Kopfkissen, antwortete Nana nur mit Kopfschütteln. Ihr Hemd war heruntergerutscht; ihr aufgelöstes, verwuscheltes Haar floß über ihre Schultern.
„Das schon“, murmelte sie, träumerisch geworden. „Aber wie soll man inzwischen auskommen? Heute werde ich alle möglichen Scherereien haben . . . Ist eigentlich der Concierge heute morgen schon wieder raufgekommen?“
Dann unterhielten sich beide ernsthaft. Man schuldete die Miete für ein dreiviertel Jahr,und der Hauswirt sprach von Pfändung. Außerdem brachen die Gläubiger über sie herein, ein Wagenvermieter, eine Wäschehändlerin, ein Damenschneider, ein Kohlenhändler und noch andere, die jeden Tag kamen und sich auf einer Bank im Vorzimmer niederließen. Besonders der Kohlenhändler führte sich furchtbar auf; er schrie auf der Treppe herum. Aber Nanas großer Kummer war ihr kleiner Louis, ein Kind, das sie mit sechzehn Jahren bekommen und bei seiner Amme auf einem Dorf in der Umgegend von Rambouillet gelassen hatte. Diese Frau verlangte dreihundert Francs für Louisets Rückgabe. Nana, die seit dem letzten Besuch bei dem Kind ein Anfall von Mutterliebe ergriffen hatte, war verzweifelt darüber, daß sie einen Plan, der zur fixen Idee geworden war, nicht verwirklichen konnte, nämlich die Amme zu bezahlen und das Kleine zu ihrer Tante, Frau Lerat, nach Les Batignolles zu bringen, wo sie es so oft, wie sie wollte, besuchen könnte. Indessen gab die Zofezu verstehen,Madame hätte ihre Nöte dem alten Knauser anvertrauen sollen.
„Ach, ich habe ihm ja alles gesagt“, rief Nana. „Er hat mir geantwortet, er habe zu große Verbindlichkeiten. Von seinen tausend Francs im Monat geht er nicht ab . . . Der Mulatte ist augenblicklich pleite: ich glaube, er hat beim Spiel verloren . . . Was den armen Mimi betrifft, so hätte er es dringend nötig, daß man ihm was borgt. Eine plötzliche Baisse hat ihn ausgeplündert; er kann mir nicht mal mehr Blumen mitbringen.“ Sie sprach von Daguenet. Im Sichgehenlassen des Erwachens hatte sie kein Geheimnis vor Zoé.
Diese, die ähnliche vertrauliche Mitteilungen gewohnt war, nahm sie mit ehrerbietiger Sympathie entgegen. Da Madame nun einmal geruhte, mit ihr über ihre Angelegenheiten zu sprechen, so würde sie sich erlauben zu sagen, was sie denke. Erstens habe sie Madame sehr gern, sie sei extra von Madame Blanche weggegangen, und Madame Blanche versuche weiß Gott alles nur Menschenmögliche, um sie wiederzukriegen! An Stellen sei kein Mangel, sie sei zur Genüge bekannt; doch sie sei bei Madame geblieben, selbst bei Geldverlegenheit, weil sie an Madames Zukunft glaube. Und schließlich sprach sie ihre Ratschläge deutlich aus. Wenn man jung sei, mache man Dummheiten. Diesmal müsse man die Augen aufhalten, denn die Männer dächten nur an das Vergnügen. Oh, man müsse zu Gelde kommen! Madame brauche nur ein Wort zu sagen, um ihre Gläubiger zu beruhigen und das Geld aufzutreiben, das sie benötigte.
„Das verschafft mir alles keine dreihundert Francs“, meinte Nana mehrmals und grub die Finger in die wilden Strähnen ihres Haarwulstes im Nacken. „Ich brauche dreihundert Francs, heute, sofort . . . Es ist dumm, daß man niemand kennt, der einem dreihundert Francs gibt.“ Sie forschte nach, sie hätte Frau Lerat, die sie gerade am Vormittag erwartete, nach Rambouillet geschickt. Ihre verdrossene Laune verdarb ihr den Triumph des gestrigen Abends. Wenn man bedachte, daß unter all diesen Männern, die ihr zugejubelt hatten, keiner zu finden sein sollte, der ihr fünfzehn Louisdors brachte! Zudem konnte man ja nicht so einfach Geld annehmen. Mein Gott, wie unglücklich war sie doch! Und sie kam immer wieder auf ihr Baby zurück; es habe blaue Cherubinoaugen, es lalle mit so drolliger Stimme „Mama“, daß es zum Totlachen sei.
Doch im gleichen Augenblick war die elektrische Klingel an der Eingangstür mit ihrem schnellen und bebenden Vibrieren zu hören. Zoé kam zurück und flüsterte mit vertraulicher Miene:
„Es ist eine Frau.“ Sie hatte diese Frau zwanzigmal gesehen, aber sie tat so, als erkenne sie sie nie wieder und als wisse sie nicht, welche Beziehungen sie zu den Damen hatte, die in Geldverlegenheit waren. „Sie hat mir ihren Namen gesagt . . . Madame Tricon.“
„Die Tricon!“ rief Nana aus. „Ach ja, es stimmt, ich hatte sie vergessen . . . Lassen Sie sie herein.“
Zoé führte eine alte Dame von hoher Gestalt herein, die Schmachtlocken trug und die Haltung einer Gräfin hatte, die von einem Rechtsanwalt zum anderen rennt. Dann trat sie bescheiden beiseite und verschwand lautlos mit einer natterngleich geschmeidigen Bewegung, mit der sie aus einem Zimmer ging, wenn ein Herr kam. Übrigens hätte sie dableiben können. Die Tricon setzte sich nicht einmal. Es fand nur ein Wechsel kurzer Worte statt.
„Ich habe jemand für Sie heute . . . Wollen Sie?“
„Ja . . . Wieviel?“
„Zwanzig Louisdors.“
„Und um welche Zeit?“
„Um drei Uhr . . . Also, abgemacht?“
„Abgemacht.“
Die Tricon sprach sogleich vom herrschenden Wetter, einem trockenen Wetter, bei dem es gut sei, zu Fuß zu gehen. Sie habe noch vier oder fünf Leute zu besuchen. Und sie ging, wobei sie in einem kleinen Notizbuch nachschlug.
Allein geblieben, schien Nana erleichtert. Ein leichter Schauer glitt über ihre Schultern; mit der Trägheit einer fröstelnden Katze kuschelte sie sich wieder weich in das warme Bett. Nach und nach schlossen sich ihre Augen. Sie lächelte bei dem Gedanken, Louiset am folgenden Tage nett anzuziehen, während in dem Schlummer, der sie wieder überkam, ihr Fiebertraum der ganzen Nacht, ein lang anhaltendes Donnern von Bravorufen, wie ein Generalbaß wiederkehrte und ihre Müdigkeit einwiegte.
Als Zoé Frau Lerat um elf Uhr ins Zimmer treten ließ, schlief Nana noch immer. Aber bei dem Geräusch erwachte sie und sagte sofort:
„Du bist es . . . Du fährst heute nach Rambouillet.“
„Deswegen komme ich ja“, sagte die Tante. „Es geht ein Zug um zwölf Uhr zwanzig. Ich habe Zeit, um ihn zu schaffen.“
„Nein, ich bekomme das Geld erst nachher“, erwiderte die junge Frau und dehnte sich, den Busen hochgereckt. „Du kannst gleich Mittag essen, dann werden wir weitersehen.“ Zoé brachte einen Morgenrock.
„Madame“, murmelte sie, „der Friseur ist da.“
Aber Nana wollte durchaus nicht ins Ankleidezimmer hinübergehen. Sie rief selber:
„Kommen Sie herein, Francis.“
Ein tadellos angezogener Herr stieß die Tür auf. Er grüßte. Nana stieg gerade mit nackten Beinen aus dem Bett. Sie hatte keine Eile und streckte die Hände aus, damit ihr Zoé die Ärmel des Morgenrocks überstreifen konnte. Und Francis wartete völlig ungezwungen mit würdiger Miene, ohne sich umzudrehen. Als sie sich dann hingesetzt hatte und er ihr einmal mit dem Kamm durchs Haar gefahren war, redete er.
„Madame hat vielleicht nicht die Zeitungen gesehen . . . Es steht ein sehr guter Artikel im ,Figaroʻ.“ Er hatte die Zeitung gekauft.
Frau Lerat setzte ihre Brille auf und las, vor dem Fenster stehend, den Artikel laut vor. Sie richtete ihre Dragonerfigur in die Höhe; wenn sie ein galantes Adjektiv herausschleuderte, zog sich ihre Nase zusammen. Es war eine Besprechung von Fauchery, die er nach Verlassen des Theaters geschrieben hatte, zwei sehr warmherzige Spalten von geistreicher Boshaftigkeit für die Künstlerin und brutaler Bewunderung für die Frau.
„Ausgezeichnet!“ wiederholte Francis.
Nana machte sich nicht schlecht darüber lustig, daß man sie wegen ihrer Stimme aufzog! Er war nett, dieser Fauchery; sie würde ihm seine gute Art vergelten. Nachdem Frau Lerat den Artikel noch einmal vorgelesen hatte, erklärte sie brüsk, die Männer hätten alle den Teufel in den Waden; und sie weigerte sich, sich deutlicher auszudrücken, befriedigt über diese zweideutige Anspielung, die nur sie allein verstand.
Doch Francis war gerade damit fertig, Nanas Haar aufzustecken und zu knoten. Er grüßte und sagte:
„Ich