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denn net warum?“

      „Da bin i überfragt! I kann mir nur denken, es kommt über den Niki, weil wir uns jetzt immer mehr unserem Verbannungsort nähern, wo wir Gott weiss wie lange Zeit werden sitzen müssen. Der Niki war doch immer ein verwöhnter Bub! Immer in Wien und den Ring lang und im Stehparterre vom Burgtheater und im Prater. Und jetzt auf einmal unter die Wilden!“

      „Ihr werdet schon net alt in Vrbica!“ tröstete der Oberleutnant Kienhofer. „Das is ja nur, dass man die hohen Herren vom Generalstabskorps und solche, die es werden wollen, mal in die Linie transferiert, damit sie net gar zu g’scheit werden!“

      „Aber dass das auch noch eine Auszeichnung sein soll, wie der Regimentskommandant heut’ g’sagt hat . . .“

      „ . . . weil man sich hier auszeichnen kann!“ versetzte der Kamillo noch ernster als bisher. „Wenn einer ein so fixer Kerl is wie dein Mann! Und ich mein’ und die Kameraden meinen’s auch: gerad’ deswegen is er an die Militärgrenze versetzt!“

      „Ja — wie kann sich denn der Niki da hervortun?“ fragte die junge Frau. Ehrgeiz für ihren Mann leuchtete auf ihrem hübschen, von dem blauen Schleier im Bergwind umflatterten Gesicht.

      „Wir haben doch vorhin von dem grossen Aufstand beim Einmarsch g’redt!“ Der Oberleutnant Kienhofer zündete sich mit geübter Hans im Sattel eine bosnische Zigarette an. „Ein paar Jahre drauf sind’s von neuem bis nach Dalmatien hinein narrisch geworden. Jetzt, seit langer Zeit, ist ja soweit Ruh’ im Land. Aber irgendwo glimmt’s immer noch unter der Aschen!“

      „Seit Jahren“, er schaute sich vorsichtig um, ob niemand ausser der Maruschka es hörte, „finden wir mal da mal dort hier in der Gegend versteckte Waffen in Karstlöchern oder Perückenstrauchbüschen oder unter dem Schafmist im Winterstall — keine vorsintflutlichen Entenflinten mit Steinschloss aus der Türkenzeit — die finden sich hier noch überall im Land. Da haben wir nix dagegen. Die dürfen’s in Gottesnamen behalten — sondern richtige Repetiergewehre neuerer Konstruktion — aus irgendwelchen Waffenfabriken in England oder Belgien ausrangiert . . . Dass das mal zu neuen Grenzschiessereien und womöglich noch mehr dienen soll, das sieht ein Waisenknabe. Nur wie es drüben über die Grenze kommt durch wen es geht und an wen und wer es heimlich weiterverteilt, das ist die Frage. Wer so einen Haderlumpen auf frischer Tat mit Brachialgewalt abfassen könnt’, der hätt’ das Ritterkreuz vom Franz-Josef-Orden schon auf der Montur! Warum sollt’ das net gerad’ so einem abenteuerlichen Schlankel wie dem Niki glücken?“

      „Ich hab’ gedacht, das wär’ die Aufgabe von der Gendarmerie?“

      „Schon! Aber die find’t nix! Niemand find’t was! Herrgott: die Militärgrenze zwischen Bosnien und dem Sandschak ist doch kaum sechzig Kilometer lang — irgendwo muss doch der Schleichweg laufen . . . Du, Niki!“

      Der Kamillo Kienhofer hemmte seinen Gaul und drehte seinen schwarzen Tirolerkopf nach hinten. „Reit’ net so traumhappet deines Wegs, sondern komm jetzt mal daher und sperr’ die Augen auf! Von der Stell’ hier aus siehst du unten im Tal deinen neuen Standort! Die k. u. k. Garnison Vrbica! Halt ein elendes Dorf, mein Lieber!“

      „Recht lieb liegt’s da zwischen den grünen Wiesen, mit den vielen niederen steinernen Bauernhäusern“, meinte die Maruschka munter, während ihr Mann schweigend und düster hinabstarrte und der Kamillo Kienhofer erklärte:

      „Das grosse Mauerviereck auf halber Höhe mit den Ecktürmen und den Schiessscharten — das kannst dir ja selber sagen — das is die befestigte k. u. k. Defensivkaserne. In der liegt die ganze Garnison — die dreizehnte Kompanie von 5. Bosnisch-Infanterie.“

      „Dreizehn! Eine Unglückszahl!“ murmelte der Niki. Seine Frau rang die Hände.

      „Es is heut’ schon a Graus mit dem Mann!“

      „Sei net so blöd, Niki!“ sprach obenhin, sich beherrschend, Kamillo Kienhofer. „Vor dem freien Platz — das Gebäude — das ist das landesärarische Hotel. In dem wohnen, nachdem im Ort selbst keine menschenwürdigen Ubikationen vorhanden sind, alle Offizere mit ihren Familien. Da sind für euch auch schon zwei Zimmer gerichtet und die Ladislaja hat dafür gesorgt, dass es drinnen a bissel gemütlich herschaut! Die kleine Kapelle am Dorfeingang gehört für uns Römisch-Katholiken — die Lateiner, wie sie hier sagen. Da hält jeden Sonntag ein Franziskanerpater Gottesdienst. Der steigt aus der kleinen Klostersiedlung oben im Karst zu uns runter! Die Zwiebelkuppel drüben ist das orthodoxe Kirchlein. In das kommt immer ein Priestermönch aus dem befestigten Felsenkloster, das du ganz dahinten an der Bergwand pappen siehst, früher auch ein Bollwerk wider die Türken. No — und der dünne Holzturm — das is natürlich für die Mohammedaner. Das is das Minarett von der Dorfmoschee. In dem Haus daneben, hinter dem vergitterten Erker, der wie ein Vogelbauer ausschaut, hat der Imam, der Dorfgeistliche, seine drei Frauen!“

      „Drei? Ach geh!“ sprach schaudernd die Maruschka.

      „Ganz nett und jung sollen sie sein! Meine Frau besucht sie manchmal, zu einem Schwarzen und einem Schälchen Konfitüren! Die offene Bretterhütte unter dem grossen Pappelnaum, in der die Maultiertreiber hocken, ist unser Stolz! Das Kaffeehaus von Vrbica! Ja — und sonst . . .“ Er blickte umher. „Da vor dem Dorf, wo der Rauch aufsteigt und die Hunde bellen . . .“

      „Ach — die vielen braunen, kleinen Kinder!“ rief die Marushka. „Die sind mal goldig!“

      „ . . . und nur mit Schmutz bekleidet und sonst nix! Das is das Zigeunerlager. Da haben sich die Pülcher als Schmiede niedergelassen, wann’s net gerad’ stehlen! Man braucht sie halt im Land für die Kessel zum Pflaumenmuskochen! So — das wäre, was wir in der Weltstadt Vrbica zu bieten haben!“ schloss der Kienhofer, „und da unten auf dem Platz vor dem ärarischen Hotel — da tröpfelt’s schon so himmelblau daher! Da versammeln sich jetz allmählich euch zu Ehren die paar Kameraden und Honoratioren und das bisschen Damenflor, das wir hier aufbieten können. Bisher nur zwei! Meine bessere Hälfte und, ehe von jetzt ab die gnädige Frau uns die Welt verschönt, der grosse Stern der kleinen Garnison — die Sina — die Frau von unserem ledernen Hauptmann, dem Kabusch!“

      „Ja — von der Sine Kabusch hat uns der Oberst heut’ im Militärlager bei Tisch erzählt, dass sie vor einem Jahr in das Regiment hineingeheiratet hat!“ rief die junge Hochzeitsreisende.

      „Also direkt eine dunkle Schönheit, wie sie im Buch steht!“ sprach der Oberleutnant Kienhofer. „Man könnt’ sagen: unheimlich schön! So was Wildes! Aber durchaus eine Dame. Bei die Englischen Fräulein in Östreich erzogen. Spielt Klavier. Spricht Deutsch wie wir. Der merkt keiner an, dass sie aus dem Sandschak Novibasar stammt!“

      „Aus Plewlje — hat der Regimentskommandant gesagt!“ nickte eifrig die Maruschka. „Erinnerst du dich net, Niki?“

      „Ach — lasst ’s mich aus mit euren ewigen Plewlje und Sandschak!“ sagte gleichgültig der Leutnant von Schlägl und unterdrückte ein nervöses Gähnen. „Das is ja schon fad!“

      „Mach’ du lieber kein Gesicht, als wenn du beim Zahnarzt wärst, Niki!“ Der Freund schüttelte den Kopf. „Die unten gucken ja mit Fernstechern nach uns! Die warten! Also reiten wir los!“

      3.

      Unten in Vrbica warf das nadeldünne weisse Minarett der Dorfmoschee schon einen doppelt so langen schwarzen Abendschatten über Staub und Ziegengemecker und Hammelgeblöke der Gasse, und hoch vom Turm sang, weiss wie ein Vogel vor dem blassblauen Himmel, der Hodscha, der mohammedanische Dorf geistliche, sein Nachtgebet. Auf dem Platz vor dem ärarischen Hotel stand lang und hager, mit langem grauen Schnurrbart, den Tschako auf der Glatze, in seiner himmelblauen Montur, der Herr Major und plauschte mit einer ein wenig kurz geratenen freundlichen Dame, die trotz ihrer Rundlichkeit noch die Wiener Taille zeigte, und oben am Berghang erläuterte der Keinhofer seinem Freund:

      „Das is der Geza Farkas. Ein Ungar. Ein Junggeselle. Der hat’s mit die Hunde und fängt Forellen. Der tut dir nix! Und die Mollete daneben — das is die Ladislaja, meine Frau! Die geht der maruschka im Anfang gern zur Hand. Die

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