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Die schwarze Schlange. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Die schwarze Schlange
Год выпуска 0
isbn 9788711507421
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Du, Kamillo! Es könnte sein, dass ich morgen um diese Zeit nicht mehr am Leben bin!“
„Wa — was?“
„Dann seid’s ihr beide so gut . . . du und deine Ladislaja . . .“
„Ja . . . aber . . .“
„. . . und sorgt für meine arme junge Frau!“
„Du — ich muss mich mal am Ohrwaschl zupfen! Ich glaub’, ich träum’!“
„Is schon so, Kamillo!“
„Dann erklär’ mir aber doch“: was hast denn um Gottes willen schon ausg’fressen?“
„Jetzt ist keine Zeit! Da kommt schon die Maruschka!“
„Schatzerl!“ rief die junge Frau im Heranreiten. „Dem Korporal von der Tragtierpost pressiert’s mit dem Weitermarsch! Er getraut sich bloss nicht, wieder zu drängen! Aber er möcht’ vor Abend unten im Tal in Vrbica sein — wegen die Haiducken — sagt er! . . . Du — was sind denn das: die Haiducken?“
Die beiden Männer tauschten einen stummen Blick: ,Auf nachher!‘ Der Kamillo Kienhofer hatte einen rechten kecken Tiroler Gemsjägerkopf auf den Schultern sitzen — oder mehr noch — einen dunklen Scharfschützenkopf wie aus der grossen Zeit vor hundert Jahren —zu Mantua in Banden — ein Getreuer vom Andreas Hofer. Aber jetzt waren seine braungebrannten Züge ganz still und klösterlich verschlossen. Voll tiefer Sorge um den Niki Schlägl Edlen von Bruckwehr, während er dessen Frau halb geistesabwesend antwortete.
„Weisst: Haiducken heissen’s hier zu Land die Räuber! Die Hammeldiebe. Die Schmuggler . . . Ist eigentlich immer das gleiche G’lump, was da an der Militärgrenze umeinanderläuft — aber die Waffenschmuggler — hier nach Bosnien hinein — die sind für uns Okkupationsorgane schon die grösste Crux! Man kommt ihnen net bei! — den Kerlen! Das is rein, als wären’s mit dem Bösen im Bund!“
Der Oberleutnant Kienhofer warf im Weiterreiten einen feindseligen Blick über die Grenze auf das unermesslich entrollte, wildzerrissene mazedonische Bergland. Die Strahlen der sinkenden Sonne fielen jetzt schräge auf das tote Gestein und färbten an einigen Stellen die schroffen Wände mit einem geisterhaften Abendrot. Wie riesenhafte Wogen eines erstarrten Meeres wellten sich fern bis zum Horizont reihenweise hintereinander, von fahlem Weiss bis zu unheimlichem Bleigrau die Gebirgszüge. Als grosse, fast schwarze Flecken füllten dazwischen die Urwälder die Steilhänge und die tief eingeschnittenen Täler. Dünner, bläulicher Rauch unsichtbarer Dorfherde oder Hirtenfeuer kräuselte sich da und dort in der tiefen Stille, die nur das Trappeln und Schnaufen der Saumtiere, das klagende Singen der Windsbraut unterbrach.
„Da warst du noch lang net auf der Welt!“ sprach der Oberleutnant kienhofer zu der Maruschka Schlägl, mit der er vorausritt, der Niki stumm und tiefsinnig hinterher.
„Da hat Östreich-Ungarn das Bosnien hier und daneben die Herzegowina in aller Form zur Besetzung zugesprochen gekriegt — ich bitte: genau nach dem Völkerrecht — auf dem Berliner Kongress — vom Bismarck selber und dem Gortschakoff — vor bald dreissig Jahren, nach dem russisch-türkischen Krieg. Die Türkei hat’s zugestanden und unterschrieben und auch immer Frieden mit Östreich gehalten. Aber den Türken hier im Land selber — und heut’ noch is ja jeder dritte hier a Türk’! — denen war’s nicht recht, dass die Schwaben eing’ruckt sind! Lange, blutige Kämpfe hat’s gekostet, bis wir den Aufstand niedergeworfen haben. Vier Armeekorps hat der Franz Josef schliesslich aufbieten müssen! Mein Vater selig hat mir oft erzählt, wieviel Leut’ die Kroaten und die Steiermärker und die Ungarn haben lassen müssen. Der war mit von der Partie. Der hat sich damals bei der Brigade Zach das Militärverdienstkreuz geholt!“
„Dafür ist jetzt das schöne Land österreichisch!“
„Das is eben der allgemeine Irrtum!“ sagte der Kamillo Kienhofer. „Das is er gerade nicht! Wir haben es nur okku—piert — nennt man das, wenn was eigentlich ’nem Andern gehört — nämlich der Türkei — und man besitzt es nur zur Nutzniessung. Ist dir noch nicht aufgefallen, dass die östreichischen und ungarischen Briefmarken hier nicht gelten? Nein. Das Land muss seine eigenen Wapperln haben — den roten Arm mit dem Säbel. Aber hier ist keine Säbelherrschaft, meine Liebe! Was verrichten wir hier für Kulturarbeit! Das ist schon staunend. Und dabei gehört einem das Bosnien nur halb und halb! So ein unklarer Zustand — das is schon was Ekelhaftes!
Und damit es uns am End’ net doch zu gut geht, haben wir neben uns den Sandschak Novibasar!“ Wieder richtete der Oberleutnant Kienhofer vom 5. Bosnisch-Herzegowinischen Infanterieregiment seine scharfen Augen nach der schon violett verdämmernden Bergwildnis zur Rechten. „Du — das is schon ein liebes Land! Mitten in Europa liegt’s und ist ebenso unbekannt, ebenso unbetreten, als läg’ es im Mond. Ich gönn’s den Türken. Die haben dort Truppen stehen. Aber bitte: wir Östreicher auch. Das Hauptnest nahe unserer Grenze heisst Plewlje. Wann man da einreitet, sieht man gleich im Park das österreichisch-ungarische Militärlager und am andern Ende der Stadt, auf einem Hügel, liegt die türkische Kaserne.“
„Wer is nachher da eigentlich Herr im Land?“ fragte die Maruschka.
„Ja — die Räuber, meine Liebe!“ schrie der Kamillo Kienhofer. „Die Herren Haiducken! Aber schon gründlich! — sag’ ich dir! Die haben da ihr Paradies. So ein Fleckerl Erde finden ’s in ganz Europa und auf der Welt nicht wieder! Die kurze Strecke bis Plewlje geht’s noch mit der Sicherheit, von wegen der k. u. k. Gendarmerie-Patrouillen! Aber weiterhin in den eigentlichen Sandschak darf sich ein Kulturmensch ja net getrauen! Vor ein paar Jahren hat’s ein junger böhmischer Aristokrat probiert. Der war ein passionierter Jäger und hat Gemsen schiessen wollen, von denen es dort wimmelt, und hat sich gerad’ noch schwer blessiert mit zwei Kugeln im Leib vor den Räubern über die montenegrinische Grenze retten können! . . . Herrgott . . .“ Der Oberleutnant fuhr im Sattel auf. „Was ist denn das?“
Dicht hinter ihm krachte ein Pistolenschuss. Die Saumgäule wieherten und stiegen mit gespitzten Ohren. Sie keilten aus und brachen aus der Reihe. Die Bosniaken in ihren roten Turbanen sprangen schreiend dazwischen. „Drschi Konji!“ — Haltet die Pferde! brüllte der Korporal. Die Soldaten der Traintruppe rissen die Stutzen von der Schulter und schauten sich suchend um. Ein Wölkchen bitteren Pulverrauchs wehte. Durch seinem Schleier starrte, sich im Sattel nach rückwärts werfend, der Kamillo Kienhofer seinem Freund, dem Leutnant von Schlägl, in das düster-unbewegte Gesicht. Seine Stimme bebte:
„Niki — du hast doch net auf dich geschossen?“
Der Niki Schlägl wies mit der noch dampfenden Armeepistole verächtlich seitwärts in das Gewirr der Steinblöcke am Weg.
„Sauber getroffen hab’ ich!“ sprach er. „Da war schon wieder so a Höllenviech aus dem Sandschak her!“
Eine sieben Fuss lange, pechschwarze Schlange wand sich mit zerschmettertem Kopf am Boden. Ihr Blut färbte das Geröll. Der Oberleutnant von Schlägl nickte zufrieden und barg die Pistole wieder im Lederfutteral. Seine Frau beobachtete bang sein Tun.
„Aber, Niki, ich versteh’ dich net!“ sagte sie. „Wenn du auf jede Schlange schiessen willst . . .“
„Dann hat er bei uns herunten viel zu tun!“ sprach der Kamerad Kienhofer. „Da hat er gerade die seltene schwarze Abart von der Riesennatter erwischt!“
„Das Biest war ja vorhin schon da!“ sagte der Leutnant Schlägl zwischen den Zähnen. „Warum kommt’s wieder? Aufdringlich nenn’ ich so was!“
„Niki — das kann doch unmöglich dieselbe Schlange sein!“
„Für mich is da allemal die gleiche Kreatur!“ Der Niki Schlägl warf noch einen hasserfüllten Blick auf den riesigen schwarzen Wurm, der sich krampfhaft wälzte und den kanariengelben Bauch zeigte. „Mich giftet’s halt, wenn da wieder von dort so was Schwarzes langsam auf einen zukriecht! Ich mag das net!“ Er lachte plötzlich schadenfroh und trieb sein Pferd an. „No — jetzt hat