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die Weißen Bretter übergehen. Ein seltsamer Gedanke kommt ihr: In ihrem Schutz kann mir und Josi nichts geschehen! – Aber die alte Sage – sie bebt. Wird sie für Josis Werk sterben müssen?

      Sie wandelt durch den Felsengang, da glänzt tief im Hintergrund ein Licht.

      »Josi!« Er meißelt am Boden hingekniet und sieht sie nicht. »Josi!« schreit sie.

      Er fährt auf und läßt den Hammer fallen. »Bini!« Er umarmt sie. Im flackernden Grubenlicht sieht er nicht, wie bleich sie ist.

      »Bini – dich hat in dieser Stunde Gott zu mir geführt. Engel – du kommst, um mein Werk zu segnen – die Leitung vollendet sich. – Schau! – Durch dieses Bohrloch blitzt von drüben schon der Tag.«

      In seinem abgezehrten Gesicht sieht sie eine fast überirdische Freude, sie schluchzt: »Josi, der Kaplan Johannes hat in der Glotter Thöni Grieg gefunden – mein Leben ist im Dorf verwirkt – meine letzte Zuflucht bist du.«

      Sie legt ihre kleinen Hände in seine großen arbeitsharten und neigt ihr Köpfchen auf seine Schulter und weint bitterlich.

      Da küßt er sie auf den Scheitel: »Sei ruhig, liebes Bineli – du weißt es, ich habe Thöni Grieg nicht zu fürchten – mit uns ist die Wahrheit – sei nicht so traurig; wie du einst zu mir, so sage ich heute zu dir: Glaube, vertraue – das Glück wird doch noch wahr.«

      Er steht vor ihr im Vollgefühl des vollendeten Werkes. Und nun ertönt ihr kleiner Schrei: »Josi, mein Held!«

      Binia geht es wundersam – Bei Josi, dem starken Manne, der ihr milde zulächelt, sinkt alles Schwere, was sie erlebt hat, wie ein wüster schwerer Traum von ihr. Ihr ist, an seiner Seite könnte sie einem ganzen Schwarm von Feinden entgegengehen, und selbst wenn alle so gräßlich wie Kaplan Johannes wären, würde ihr kein Leid geschehen.

      Mit glänzenden Augen schaut sie Josi an.

      »Hast du Mut, Bini?« lächelt er. »Zeige es mir. – Ich wäre glücklich, wenn du mit deiner lieben Hand die letzten Schüsse entzünden wolltest. Das wäre mir ein größeres Fest, als wenn morgen die Regierung nach St. Peter käme und mich unter Glockengeläute vom Berg holte. – Wozu das? – Für dich ist's ja gebaut und gethan! – Weihe es, Binia!« – –

      Sein ermunternder Blick ruht auf ihr. Er schiebt die Patronen in die Löcher und setzt die Zünder auf. »Hier und hier – hier und hier – da und da.«

      Demütig und mutig nimmt sie die Lunte und legt sie an die Zünder, die leise zu summen beginnen.

      »Zurück, so weit ich dich führe, und sei stark, Bini.«

      Josi zählt. – »Jetzt.« – Es kracht. – Ein Donnerwetter geht durch die Felsen, als ob das ganze Gebirge stürzen müsse – jauchzend reicht Josi Binia die Hand: »Gott segne den neuen Lauf der heligen Wasser – die Blutfron ist gelöst!«

      Ueber das Nebelmeer unter ihnen rollt der Hall und rollt zurück. – Der Rauch zieht an ihnen vorbei und durch das Thor herein, das sich geöffnet hat, glänzt ein Schein des Abendrotes, das über Tremis steht.

      Mit wuchtigen Hieben glättet Josi die Stelle. Doch nach einiger Zeit sagt er zu dem Mädchen, das am Rand des Wassergrabens kauert und ihm bewundernd zuschaut: »Für heute Feierabend – Bini – dir zu Ehren.«

      Da wird sie wieder etwas ängstlich: »O, Josi! – wir sollten fliehen. – Wir sind selbst hier oben nicht sicher – es ist mir, es geschehe Schreckliches in St. Peter!«

      Sie drängt sich schmeichelnd und Schutz suchend an den strahlenden Mann.

      »Fliehen! – Ich fürchte mich nicht vor denen von St. Peter. Und den Vater verlassen wir nicht, Bini.«

      »O mein Vater, – mein armer Vater! – Nein – gelt, lieber Josi, wir verlassen ihn nicht! – Wir wollen wieder zu ihm niedersteigen,« fleht sie.

      »Sieh, Bini,« antwortet er tröstlich, »wir haben einen geraden Weg, den müssen wir gehen: Bevor die Wasser laufen, scheiden wir nicht von den Weißen Brettern – bevor mir wissen, ob der Vater nicht doch mit uns kommen will, gehen wir nicht von St. Peter – und bevor ich mich nicht vor dem Gericht von jedem Verdacht wegen Thöni Grieg gereinigt habe, wirst du nicht mein Weib – dann aber Glück zu, mein herzlieber, reiner Tautropfen.«

      Weich und demütig erwidert sie: »Dein Weg ist mein Weg, Josi!«

      In weltferner Einsamkeit hoch über den Menschen halten sie Feierabend. Ueber dem grauen Nebel der Tiefe, der wie ein See in die Berge gegossen liegt, geht der Tag zur Rüste, sie sehen nicht und hören nicht, wie unter ihnen in St. Peter der Aufruhr braust, sie sehen auch die Sterne nicht, denn Schneewolken ziehen schwerer und schwerer über das Gebirg – zwischen lauter Wolken sind sie mit ihrer Liebe allein.

      Josi hat von lange her eine Felsennische heimelig eingerichtet, da flackert jetzt ein Feuer, die Milch, die der pflichttreue Bonzi wie sonst heraufgeschafft hat, siedet im Topf; auf einem Teppich, der über eine Felsenbank gelegt ist, sitzt das Paar Wange an Wange und in der stillen Felsenheimlichkeit vergißt es die armseligen Menschen, die sich in den Qualen des Aberglaubens winden, und nichts bleibt ihnen bewußt als ihre starke Liebe. Alle Stürme sind zur Stille gekommen, die Seelen der Gehetzten ruhen in seligem Traum. »Josi,« erbebt die Stimme Binias fein und weich, »eine alte Sage geht, daß über der Befreiung St. Peters aus der Blutfron eine Jungfrau sterben muß – sie hat mir meinen Gang zu dir schwer gemacht – aber jetzt ist mir, es wäre mir leicht, das Leben für dich und dein Werk hinzugeben!«

      Und in unendlicher Treue hangen ihre Augen an ihm.

      »Rede nicht so –, Bini,« erwidert er sanft, »nein, mir wandern ins Leben – du und ich – und wir wollen unserer Liebe im Frieden froh werden und schaffen, bis es Abend ist!«

      »Ins Leben!« wiederholt sie traumhaft.

      Er streichelt ihr dunkles Haar, müde läßt sie das Köpfchen an seine Brust sinken, lange Leiden fordern Auslösung, und sorglich bettet er die in einen bleiernen Schlaf Versunkene in die Felsenecke. – Das Feuerchen flackert und beleuchtet zwei Friedliche. –

      Etwas Sonderbares weckt Josi aus seinem halben Schlummer. Ihm fehlt in der Morgenfrühe das leise Klingen der Glocke von St. Peter, und plötzlich erinnert er sich, daß er es auch am Abend nicht gehört hat. Nun wird er doch unruhig. Ist in St. Peter so Schlimmes geschehen, daß der alte Pfarrer seine Drohung wahr gemacht hat?

      Besorgt zündet er in das Gesicht der schlafenden Binia. Sie lächelt innig im Traum und von ihren Lippen zittern die Worte: »Die Vögel, sie stiegen über Land und Meer.«

      »Schlafe, armes Kind, das so viel erduldet hat, schlafe – das Rauschen der Wasser, das Schlagen des Hammers mag dich wecken.« Er geht leise davon, er schreitet sein Werk ab, im Schein der Lampe legt er da und dort noch Hand an, er setzt am äußeren Ende der Leitung das kleine zierliche Wasserrad ein, das den Merkhammer treiben soll.

      Es schneit ruhig und feierlich, die Flocken fallen leis und weich ins Morgengrauen und tiefe Stille waltet ringsum. Da ist ihm doch, er höre Stimmen aus der Tiefe und klirrende Töne – aber so unbestimmt, daß er nicht klug daraus wird, was er hört.

      Er wandert rasch, die ruhig schlafende Binia im Vorbeigehen betrachtend, das ganze Werk zurück – er lenkt den Auslaufkännel am Eingang der Felsen vom Abgrund zurück und hinein in die neue Leitung.

      Eilig strömen die Wasser.

      Da horch! – Stimmen schwellen im Schneegestöber – eine Schar Gestalten, die – sonderbar genug – Grabkreuze tragen – Männer und Weiber tauchen gespenstisch in den Flocken auf – er erkennt den schwarzen Kaplan – er hört die hohe Stimme des Glottermüllers: »Wir müssen sie totschlagen, ehe das Rad geht – vorwärts!«

      Josi stellt sich ruhig einige Schritte vor dem Eingang seines Werkes auf, aber seine Hand langt in die Tasche und seine Augen funkeln.

      Die Schar steht vor ihm.

      »Halt – oder ich sprenge euch alle samt und sonders

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