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und Tisch und Stühle, der bessern Aussicht halber, bis hart an die Holzpfeiler vorgerückt waren. Weißes Linnen kam und Blumen, zuletzt auch Cécile, noch angerötet vom Schlaf, und ehe weitere zehn Minuten um waren, hatte jeder seinen Platz beim Mahl, an dem teilzunehmen der Präzeptor nach einigem Zögern eingewilligt hatte. Er saß zwischen den beiden Damen und zeigte durch Artigkeit und guten Humor, daß er in seiner Jugend eine gute Schule durchgemacht haben mußte. Cécile war entzückt und flüsterte Rosa zu: »Tout à fait comme il faut!«

      Und so war auch das Mahl, das sich gleich mit einer kleinen Überraschung einleitete. Die Frau Präzeptorin hatte nämlich, über die vereinbarten Gänge hinaus, auch noch für ein Extra Sorge getragen, für eine Kerbelsuppe, hinsichtlich deren ihr Haushalt ein Renommee hatte.

      »Ach, Kerbel«, sagte der Oberst, als der Deckel abgenommen wurde. »Wenn Sie wüßten, meine liebe Frau Präzeptorin, wie Sie's damit getroffen haben! Wenigstens für mich. Meine ganze Jugend steigt dabei wieder vor mir auf. Alle Mittwoch, so lang es Kerbel gab, gab es auch Kerbelsuppe, das war wie Amen in der Kirche, Kerbel und dann Reis und Saucißchen. Ich denke, daß es mir heute so schmecken soll wie damals… Aber was trinken wir? Cécile, Fräulein Rosa, was soll es sein? Ich gehe bis an die Grenze des Möglichen… «

      »Also so weit mein Weinkeller reicht«, lachte der Präzeptor. »Aber mein Herr Oberst, der reicht nicht weit. Ein Trarbacher, ein Zeltinger. Mosel, dir leb ich, Mosel, dir sterb ich. Übrigens das Beste, was ich habe… «

      »Nein, nein«, unterbrach Cécile. »Nicht Wein, nichts Fremdes. Braunschweiger Landesgebräu. Nicht wahr, Herr von Gordon?«

      »Unbedingt«, sagte dieser. »Bei solchen Gelegenheiten muß alles eine Lokalfarbe haben. Also sagen wir Braunschweiger Mumme.«

      So scherzte man weiter, bis man schließlich, auf des Präzeptors Vorschlag, sich für ein einfaches Blankenburger Bier entschied, das denn auch in Deckelkrügen aufgetragen wurde, jeder Krug mit einer blauen Glasurinschrift. Der Oberst las die seine. »›Der Meister hat ein Doppelkinn, Hoch lebe die junge Frau Meisterin… ‹ Ei, ei, mein fein's Jung-Gesell, wo will das hinaus? Das herkömmliche Balladen-Töchterlein bleibt uns diesmal überraschlicherweise vorenthalten, und die Frau Meisterin muß dafür aushelfen. Ein Glück, daß sie jung ist.«

      In diesem Augenblicke kamen die Schmerlen auf einer mit Zitronenscheiben bunt garnierten Schüssel, und da niemand, mit Ausnahme des Emeritus und selbstverständlich auch des Präzeptors, mit dem diffizilen Gerichte Bescheid wußte, so ließ man die beiden anfangen und erging sich, als man ziemlich vorsichtig zu folgen begann, in teils schmeichelhaften, teils despektierlichen Vergleichen. Gordon sprach von »White bait«, woran ihn die Schmerlen erinnern sollten, während ihnen der Oberst einfach eine Mittelstellung zwischen Yklei und Spree-Stint anwies, allerdings im Tone der Entschuldigung hinzusetzend: »Honny soit qui mal y pense.« Rosa drang aber auf vollkommene Revozierung, da sie sich die Poesie der Schmerle nicht rauben lassen wolle, dieses herrlichsten aller Fische, den zu besingen sie keinen Augenblick Anstand nehmen würde, wenn ihr die schnöde Tiermalerei zu Kultivierung der sanglichen Schwesterkunst Zeit gelassen hätte. Aber der Herr Emeritus werde gewiß für sie eintreten. Alle Geistlichen wären bekanntermaßen heimliche Dichter, was auch kaum anders sein könne. Denn wer allsonntäglich unter einem Kanzeldeckel mit der Heiligengeist-Taube stehe, für den müsse auch dichterisch notwendig etwas abfallen.

      »Ja, der Emeritus«, riefen alle. »Lied oder Toast. Er mag wählen, aber Verse.«

      »Gut. Ich bin es zufrieden«, sagte der Alte. »Doch jeder nach seinen Kräften. Über den Leberreim bin ich nie hinausgekommen. Und weil alle Welt einen Leberreim machen kann, auch Fräulein Rosa, trotz der von ihr abgegebenen Erklärungen, so muß es einfach reihum gehen. Das ist Bedingung.«

      »Einverstanden«, sagte Rosa. »Nur muß es streng angefaßt werden, das ist meine Bedingung, und wer einen falschen Reim macht oder ein Wort gebraucht, das gar nicht existiert, der muß Strafe zahlen oder, mit anderen Worten, ein Pfand geben.«

      »Und mit Auslösung«, setzte der Privatgelehrte blinzelnd hinzu, der, wie die meisten Pedanten, etwas von einem Faun hatte.

      »Mit Auslösung also«, wiederholte St. Arnaud. »Aber vorher lassen wir die Schüssel noch einmal herumgehen. Das gibt uns dann die höhere Weihe. Nun, Herr Emeritus, commençons.«

      Und der Emeritus, während er von der Schüssel nahm, rezitierte langsam und bedächtig vor sich hin:

      »Am Bache stehn Vergißmeinnicht, und drüben steht die Erle,

      Dazwischen blitzt, wie Silberschein, des Baches Kind, die Schmerle.«

      »Gut, gut«, sagte Rosa. »Nun aber der Herr Oberst.«

      Und dieser, ohne jedes Besinnen, begann sofort:

      »Was solln mir Aland, Blei und Hecht und andre große Kerle,

      Forelle, ja das ist mir recht und doppelt recht die Schmerle.«

      »Vorzüglich, vorzüglich. Mein Kompliment, Herr Oberst. Der Emeritus ist geschlagen. Ach, das ewig siegreiche Militär, siegreich auf jedem Gebiete. In neuester Zeit auch (leider) auf dem der Malerei. Doch das sind trübe Betrachtungen, zu trübe für diese heitere Stunde. Fahren wir also fort. Herr von Gordon, lassen Sie sehen, was Sie draußen in Persien gelernt haben. Die Poesie soll ja da zu Hause sein. Ist es nicht so? Wie hieß er doch? Ah, ja, Firdusi. Nun also.«

      Gordon, der eine scherzhafte Fehde zu provozieren wünschte, nahm ohne weiteres »Querlen« als Reimwort und ließ sich, als dies selbstverständlich beanstandet wurde, zu Behauptungen hinreißen, deren äußerste Fragwürdigkeit noch über die seines Reimes hinausging.

      »Es gibt keine Querlen«, entschied Rosa. »Was Inkulpat meint, wenn er überhaupt etwas gemeint hat, sind Quirle. Die gibt es. Herr von Gordon, ein Pfand. Und nun Sie, Herr Eginhard. Ich bitte Sie, Sie bei diesem Vornamen, ich möchte fast sagen im Namen der Poesie, nennen zu dürfen.«

      Eginhard begann, während er vor sich hin starrte, seine Brillengläser zu putzen. Aber mit einem Male lag etwas Leuchtendes um seine Stirn, und er sagte mit einem Anfluge von historischer Würde:

      »Der kleinste Fürst im Deutschen Reich, das war der Fürst von Werle,

      Der kleinste Fisch in Bach und Teich ist immer noch die Schmerle.«

      Rosa bestritt sofort wieder, daß es einen Fürsten von Werle gegeben habe, wobei Cécile sekundierte. St. Arnaud aber trat nicht nur für den Privatgelehrten ein, sondern setzte sogar mit vieler Feierlichkeit hinzu, daß er sich einer Mesalliance zwischen einem Werleschen Fürsten und einer anhaltischen Prinzessin entsinne. Darauf brach er ab und wandte sich an Rosa: »Nun aber sie, meine Gnädigste.«

      Diese verneigte sich lächelnd und sagte dann: »Ich finde, die Herren haben sich's schwer gemacht, um mir es leicht zu machen. An dem Zunächstliegenden sind Sie vorübergegangen. Entscheiden Sie selbst, ob ich recht habe:

      Genug, genug der Reimerein auf Schmerlen oder Schmerle,

      Hoch, dreimal, unsre schöne Frau, der Perlen schönste Perle.«

      Dabei erhob sie sich und ging auf Cécile zu, um ihr die Hand zu küssen. Diese litt es aber nicht, sondern umarmte sie mit einem Anflug von Verlegenheit, zugleich sichtlich bewegt durch diese Huldigung einer heiteren und liebenswürdigen Natur.

      Etwas wie Sentimentalität schien aufkommen zu wollen, der Präzeptor aber, der kein Freund davon war, stellte den früheren Ton rasch wieder her, und unter Vortrag aller möglichen Anekdoten aus seinem eigentümlichen, halb als Kantor und halb als Pastor verbrachten Leben verging das Mahl, das niemand Miene machte gewaltsam abzukürzen.

      Endlich aber erhob man sich, und als man in das Tempelchen hinaufstieg, um bei frischer Luft und freier Aussicht den Kaffee zu nehmen, war die Sonne schon im Niedergehen und hing über den Tannen der Berghöhe. Nun sank sie tiefer und durchglühte die Spitzen der Bäume, die momentan im Feuer zu stehen schienen.

      Alles war schweigend in das herrliche Schauspiel vertieft, und man sah erst wieder auf, als zu fröhlichem Sprechen und Lachen,

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