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billige kleine Küchelchen und Fischragout, daß ein Blatt Papier, um sie einzuwickeln, schon zu kostspielig wäre. In einem grünen Palmblatt reicht es die schwarze, mit den Armbändern leise klingende Hand einem hin. Und ebenso majestätisch ihr Schreiten wie ihr Sitzen. Auf dem Kopf tragen sie Zentnerlast, Körbe mit Wäsche oder Fischen oder Obst, aber es ist Augenlust zu sehen, wie sie damit durch die Straßen gehen, stolz erhoben der Nacken, die Hände zu beiden Seiten in die Hüften gestützt, den Blick ernst und frei: ein Regisseur, der ein Königsdrama vorbereitet, könnte von diesen schwarzen Fürstinnen des Markts und der Küche viel lernen. Abends wenn man sie sieht in ihren dunklen Küchen, nur farbig erleuchtet von den Flammen, geheimnisvoll eifrig die sonderbaren Gerichte brauend, muß man an vorweltliche Zaubereien denken: nein, es gibt nichts Pittoreskeres als die Negerinnen von Bahia, nichts Bunteres, Echteres, natürlich Belebteres als die Straßen dieser Stadt. Hier und nur hier kennt und versteht man Brasilien.

      Kapitel Neun­und­dreißig

      Bahia: Kirchen und Feste

      Bahia ist nicht nur die Stadt der Farben: sie ist auch die Stadt der Kirchen, Brasiliens Rom. Daß sie so viele besitzt wie Tage im Jahr, mag ebenso eine Übertreibung sein, als daß sich Rio in seiner Bucht von Guanabara 365 Inseln zuzählt. In Wirklichkeit dürften es etwa achtzig sein. Aber sie beherrschen die Stadt. Sonst ist in großen Metropolen die zum Himmel aufragende Linie der alten Kirchen längst überhöht durch die Hochhäuser und modernen Bauten – nichts symbolischer vielleicht als jene alte Kirche bei der Wall Street in New York, die, einstmals die Straße beherrschend, sich ganz verschüchtert in den Schatten der Bankpaläste drückt. In Bahia aber beherrschen die Kirchen noch die Stadt. Sie stehen hoch und imposant auf ihren freien Plätzen, von ihren Klöstern und Gärten umringt, jede einem andern Schirmherrn geweiht, Franciscus, Benedictus oder Ignazius. Mit ihnen hat die Stadt begonnen; sie sind älter als der Palast des Gouverneurs und die vornehmen Häuser. Um sie hat sich die Niederlassung, Gottes Schutz in dem neuen Lande anflehend, geschart, und wenn die Seeleute, die nach Wochen und Wochen zwiefachen Blaus endlich Land erblickten, sahen sie als erstes die fromme Geste der hocherhobenen Türme. Und ihr erster dankbarer Weg ging für die Gnade der glücklichen Überfahrt ihrem Gotte zu danken.

      Die mächtigste, nicht die schönste dieser Kirchen ist die Kathedrale, die sich an das alte Kolleg der Jesuiten lehnt, die Kirche der großen Erinnerungen, unter deren Fliesen Mem de Sá, der erste Gouverneur, begraben liegt, und von deren Kanzeln Padre António Vieira gepredigt. Sie ist die erste Brasiliens und wohl auch Südamerikas, deren Eingang mit echtem Marmor bedeckt ist; dieselben Schiffe, die Zucker aus Bahia frachteten, brachten auf der Rückreise den kostbaren Stein zurück. Denn nichts war diesen Männern des Glaubens zu kostbar für ihre Kirchen. Eng und düster, nieder und schmutzig starrten die Straßen, neun Zehntel der dunklen Bevölkerung hauste in Hütten und Mocambos. Aber die Kirche in diesem fernen Land, das keinen Luxus kannte, sollte alle Pracht haben; so brachte man die blauen Terrakotten, die azulejos, um die Wände zu schmücken, das Gold aus Minas Gerais hüllte das dunkle Holz in blendendes Licht. Und dann kam der Wettstreit der Orden. Hatten die Jesuiten eine weiträumige, pompöse Kirche, so wollten die Franziskaner eine noch schönere haben. Tatsächlich ist São Francisco noch reiner, weil schlichter in den Proportionen; welcher Zauber in seinen Klostergängen: die Wände mit Azulejos leuchtend, die Räume mit kostbarem Schnitzwerk aus Jacarandá geschmückt, die Decken getäfelt und in jeder Einzelheit das Walten eines besonnenen kultivierten Geschmacks! Aber auch die Karmeliter wollten ihre Kirche nicht minder schön und die Benediktiner, und dann kamen die Neger und wollten die ihre mit einer dunklen Madonna und dem Heiligen ihrer Farbe; so sind Kirchen und Klöster heute überall, kaum kann man eine größere Straße durchwandern, ohne auf eine zu stoßen, die nicht ihren antiquarischen Reiz hätte. Für jeden Gläubigen, der seine Andacht verrichten wollte, war in der einstigen Kolonie Raum zu jeder Stunde des Tags. Heute sind es dank jenes frommen Wettstreits sogar zuviel der Kirchen, um sie jemals gänzlich zu füllen und man brauchte Tage und Tage, um jede einzelne in all ihren Eigenheiten und Einzelheiten zu bewundern.

      Diese Fülle der Kirchen (sie sind in den neueren Städten Brasiliens eher selten im Vergleich zu Europa) überraschte mich. Und ich fragte den freundlichen Geistlichen, der mich begleitete, ob Bahia noch immer wie einst die Stadt der Frömmigkeit sei. Er lächelte leise und sagte: »Ja, die Leute sind hier fromm. Aber sie sind es auf ihre Art.« Ich verstand zuerst nicht, was dies leise begleitende Lächeln meinte; es war nicht absprechend, nicht kritisch. Es deutete nur auf eine besondere Art der Frömmigkeit hin, die nicht ganz mit unserem Begriffe verbindbar ist, und die ich erst in den nächsten Tagen erkannte. Bahia ist von allen großen Städten Brasiliens die dunkelste; wie alles der Vergangenheit hat sie sich auch ihre alte Negerbevölkerung bewahrt und ist noch nicht in dem Maße wie die andern durch europäischen Zustrom aufgefärbt worden. Und die Neger sind seit Jahrhunderten die treuesten, die eifrigsten, die leidenschaftlichsten Anhänger der Kirche gewesen, nur daß die Form der Gläubigkeit auch innerlich bei ihnen einen anderen Farbton aufweist. Für diese naiveren, durch Denkarbeit nicht belasteten neugetauften Afrikaner bedeutete die Kirche nicht einen Ort der Innern Sammlung, des stillen Insichversenkens; am Katholizismus lockte sie die Pracht, das Geheimnisvolle, das Farbige, das Üppige des Ritus, und schon Anchieta berichtete vor vierhundert Jahren, daß die Musik das Beste an Bekehrung bei ihnen vollbringe. Und noch heute ist bei diesem gutmütigen, leicht in seinen Sinnen erregbaren Volk Religion mit Festlichkeit, mit Freude, mit Schauspiel unlösbar verbunden; jeder Umzug, jede Prozession, jede Messe hat für sie etwas Beglückendes. Darum ist Bahia die Stadt der religiösen Feste. Ein Feiertag ist in Bahia nicht bloß eine rotgedruckte Linie im Kalender, sondern wird unwiderstehlich zum Volksfeiertag, zum Schauspiel, und die ganze Stadt setzt ihren Eifer daran, auf irgendeine Weise mitzutun. Wie viele solcher Feste es im Jahre gibt, konnte mir niemand verläßlich sagen, wahrscheinlich weil sich das Volk aus diesem merkwürdigen Mischgefühl von wirklicher Religiosität und Schaufreude immer neue erfindet.

      So gehört nicht viel besonderes Glück dazu, in Bahia ein solches Volksfest zu sehen; aber ich hatte dieses Glück und noch dazu an dem Tage, da der Feiertag des Stadtheiligen Bornum gefeiert wird. Dieser im Kalender nicht auffindbare Bomfim hat in Bahia eine eigene Kirche, die etwa anderthalb Stunden abseits der Stadt mit bezaubernder Aussicht auf einem Hügel liegt und während einer ganzen Festwoche den Mittelpunkt der verschiedensten Feierlichkeiten bildet. Rings um den weiten Platz werden die kleinen Herbergshäuser von den bürgerlichen Familien gemietet; man besucht sich dort, man plaudert, man speist im Kreise der Freunde, während das geräumige Viereck inmitten für die vielen Tausenden bestimmt ist, die von der Abendmesse bis zur Morgenmesse hier unter den weißen, milden Sternen sich zu diesem frommen Anlaß in heiterster und ungezwungenster Weise zusammenfinden. Die ganze Front der Kirche strahlt in elektrischem Licht, und im Schatten unter den Palmen bauen sich unzählige Zelte auf, Speise und Trank zu bieten, im Gras kauern vor ihren kleinen Ofchen die schwarzen Bahia-Frauen, um mit ihren tausendfältigen billigen Leckereien das Publikum zu bewirten, und hinter ihnen schlafen, in weiße Laken gewickelt, inmitten des Getriebes ihre Kinder. Karusselle schwingen, es wird promeniert, getanzt, geplaudert, musiziert; von abends bis morgens, von morgens bis abends drängt das Volk heran, um durch die Messe ebenso wie durch ihre sorglose Freude dem Stadtheiligen ihre Reverenz zu erweisen. Aber die eigentliche, die unvergeßliche Zeremonie dieser Woche ist die Kirchenwaschung, die lavagem do Senhor do Bomfim. Charakteristisch schon für Bahia, wie dieser nirgendwo anders geübte Brauch entstanden ist. Die Kirche des Bomfim war ursprünglich eine Negerkirche. Und anscheinend hatte einmal ein Priester der Gemeinde aufgetragen, es gehöre sich doch, am Tage vor dem Fest des Heiligen die Kirche gründlich zu reinigen und den Fußboden mit Wasser zu scheuern. Die schwarzen Christen nahmen den Auftrag gerne an; welch eine gute Gelegenheit für die ehrlich frommen Gemüter, dem Heiligen ihre Liebe und Ehrfurcht zu erweisen! Sie wollten sie natürlich besonders gut fegen und scheuern, jeder war an dem bestimmten Tage zur Stelle, um der Ehre teilhaftig zu sein, dem guten Vater Bomfim sein Haus schön sauber zu fegen. Mit diesem durchaus frommen Bemühen begann es. Aber gemäß ihrem kindlichen, naiven Gemüt verwandelte sich dies Reinemachen der Kirche (wie jeder religiöse Akt) zum Fest. Sie rieben und fegten um die Wette, als wollten sie ihre eigenen Sünden abwaschen, Hunderte, Tausende drängten sich von nah und fern hinzu, immer mehr von Jahr zu Jahr.

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